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Friedenperspektiven in einer gewaltbereiten Welt
Von Andreas Buro
I. Zur Erinnerung
Die Kooperation für den Frieden ist ein Kind des neuen Jahrtausends, allerdings mit tiefen Wurzeln der Friedensbewegung im letzten Jahrhundert. Zu diesen Wurzeln gehören die seit 1945 entstandenen breiten sozialen Bewegungen mit vielen Verbindungen untereinander. Die Friedensbewegung war in Westdeutschland der Vorreiter dieser Entwicklung und Organisator sozialer Lernprozesse. Ihr wichtigstes Prinzip war die Unabhängigkeit von Parteien und großen gesellschaftlichen Organisationen. Sie war bemüht, die höchst unterschiedlichen Gruppierungen aus der Gesellschaft zu gemeinsamen Auftreten und Handeln zusammen zu führen.
Die Friedensbewegung stand immer im grundsätzlichen Gegensatz zur Regierungspolitik der Wiederaufrüstung und der Out-of-area-Poltik, die in Politik und Rüstung auf Gewalt setzten. Dabei war sie fast immer in scharfsinnigen Analysen auch in der Rolle der Kassandra, die Unheil voraussagte, was niemand hören wollte. Die heile Welt der Illusionen durfte doch nicht gestört werden! Auch viele Menschen in der Bundesrepublik wandten und wenden sich gegen ihre Prognosen und wollen ihre Alternativen nicht hören. An diesem Sachverhalt müssen unsere Bemühungen um soziale Lernprozesse ansetzen.
II. Relativ sichere Zukunftsannahmen
Konkrete Zukunft kann ich nicht voraussagen. Zu viele Faktoren sind im Spiel. Doch lassen sich einige relativ sichere generelle Aussagen machen:
- Wir erleben schon - und das wird sich verstärken - eine Welt im Umbruch durch Verschiebung der Macht- und Verteilungsverhältnisse. Im Lied von der Moldau heißt es: "Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine". Das schließt auch Europa ein, das zunehmend unter den Konkurrenzdruck der Globalisierung gerät, wodurch es seine Sonderstellung und sein hohes Lebensniveau nicht wird halten können.
- Das gegenwärtig weltweit dominierende kapitalistische System kann nicht ohne Wachstum bestehen. Ob Wachstum auf Dauer möglich sein wird ist fraglich, denn Wachstum hat sowohl natürliche Grenzen wie auch Grenzen durch die erzielbare Rendite. Nicht umsonst taucht in aktuellen Diskussionen immer wieder das Schreckgespenst der großen Depressionen den 30er Jahre auf. Ein neues ökonomisches Modell mit historischer Durchsetzungskraft ist jedoch nicht erkennbar und ob die ständigen Reparaturarbeiten am System ausreichen, ist mehr als zweifelhaft.
- Zunehmende Konflikte und der gewalttätige Umgang mit ihnen werfen ihre Schatten voraus. Aufrüstung, wohin man blickt! Es droht oder existiert bereits ein 4. Weltkrieg nach dem 3.West-Ost-Weltkrieg, der mit der unipolaren Herrschaftsmacht der USA endete, die nun wieder in Frage gestellt wird. Dieser neue Kriegszustand wird durch Drohnen, Cyber-war und Weltraumbewaffnung zusätzlich charakterisiert sein. Der Westen gibt für Militär etwa 2/3 der Weltaufwendungen aus. Dies signalisiert, dass sich die so genannten demokratischen, hochindustrialisierten Staaten nicht nur ihre ökonomische Macht einsetzen, sondern sich auch auf militärische Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen konzentrieren. Ihre Aufwendungen für friedenspolitisch orientierte zivile Konfliktbearbeitung sind dagegen marginal.
- Die UN hat als Friedensinstitution zunehmend an Einfluss verloren. Sie war und ist von den großen Beitragszahlern abhängig, die versuchen über die Zurückhaltung ihrer Zahlungen Druck auszuüben. Wichtiger noch ist, dass die Großmächte ihre Konflikte im Sicherheitsrat ohne eine friedenspolitische Perspektive austragen oder sogar ihre Politik außerhalb und ohne Rücksicht auf die UN-Charta betreiben. Bedeutsamer bleibt die Funktion der UNO als Hilfsorganisation in vielen Bereichen und bei der Organisierung der Blauhelm-Einsätze.
- Große Klimaverschiebungen sind nach wie vor zu erwarten, da die Reaktionen der Staaten und Gesellschaften viel zu langsam verlaufen. Die Auswirkungen werden vorwiegend die armen Teile der Bevölkerungen treffen, die kaum Möglichkeiten haben, den Folgen auszuweichen oder sie durch Investitionen zu kompensieren. So wird die Schere zwischen Arm und Reich auch aus diesem Zusammenhang sich weiter öffnen.
- Gewaltsame Konflikte innerhalb von Staaten werden weiter zunehmen. Verantwortlich hierfür sind Großmachtinteressen an Regime Change, Prozesse innergesellschaftlicher Modernisierung kombiniert mit Zwangsassimilation von Minderheiten, die häufig religiös und ethnisch überformt werden und Regionalmachtkonflikte, die sich innergesellschaftlicher Differenzen bedienen. Zudem durchläuft nachholende Entwicklung in ärmeren Ländern in der Regel die Phase des Nationalismus mit allen seinen unfriedlichen Elementen.
- Die Bundesrepublik ist im Rahmen des EU-Prozesses zur Vormacht in der EU aufgestiegen, da sie über das stärkste Wirtschaftspotential verfügt. Dies ist bedeutsam angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise, welche die Ränder der EU angesichts globalisierter Konkurrenz zunehmend bedroht. Sie hat ein erhebliches militärisches Potential aufgebaut, allerdings ist sie noch nicht zu einer Atommacht aufgestiegen, hat aber einen Fuß im Steigbügel über die in Büchel gelagerten US-Atomwaffen, für die sie die Trägersysteme bereit stellt. Deutschland kann auch in Zukunft auf sich allein gestellt keine imperialistische Politik im Sinne des traditionellen Imperialismus-Begriffs betreiben. Dafür fehlen ihm die Voraussetzungen, auch weil EU-Europa in dieser Hinsicht kein vereinheitlichter Machtblock darstellt. Es will jedoch sehr wohl die Rolle einer willigen "Mitmach-Macht" bei imperialen Militärinterventionen spielen, wie gegenwärtig in Afghanistan oder im Rahmen von NATO-Einsätzen. Die offene Frage ist, ob es sich in der Zukunft aus dieser Rolle befreien und eine eigenständige auf Kooperation zielende Friedenspolitik entwickeln und betreiben wird. - Die Bundesregierungen befinden sich in einem bemerkenswerten Kontrast zur deutschen Bevölkerung. Sie betreiben eine militärgestützte Außenpolitik, die für einen überwiegenden Teil der deutschen Bevölkerung nicht akzeptabel ist. Das deutlichste Beispiel ist der bislang größte Einsatz der Bundeswehr, nämlich der in Afghanistan, wenngleich dieser Bundeswehreinsatz die deutsche Bevölkerung nicht so sehr berührt, dass sie massenhaft dagegen protestieren würde. Den sozialen Bewegungen und vornehmlich der Friedensbewegung ist es gelungen, den preußischen Militarismus, der die deutsche Geschichte und Gesellschaft so tiefgreifend geprägt hat, weitgehend zu überwinden. Diese Gesellschaft ist nicht mehr militaristisch eingestimmt.
- Unsere Kassandra-Situation bleibt erhalten, denn wer will sich schon auf diese großen Zukunftsprobleme der eigenen Gesellschaft einlassen.
III. Wo gibt es Hoffnung?
- Offensichtlich nehmen die Schwierigkeiten der Nationalstaaten und Blöcke aus finanziellen Gründen zu, beim Wettrüsten mitzuhalten. Dadurch verbleiben sie auf Dauer in ihrer militärisch gestützten Politik von potenteren Großmächten abhängig. Da diese Abhängigkeit sehr belastend und auch nicht die eigenen Interessen fördernd sein wird, könnten insbesondere viele westliche Nationalstaaten mehr und mehr damit beginnen, auf die Lösung ihrer Probleme durch zivile Konfliktbearbeitung und "Kooperationsmacht" (Begriff aus dem letzten Friedensgutachten) zu setzen. Dafür müssten sie zunehmend Potentiale ausbilden und Mittel zur Verfügung stellen. Ein Ansatzpunkt für die Friedensbewegung! Ein solcher Wandel ist allerdings nur als ein schwieriger und umkämpfter Prozess zu verstehen.
- Regionale Zusammenschlüsse spielen eine immer größere Rolle in Europa, Amerika, Asien und Afrika. Sie versuchen, ihre zwischenstaatlichen Probleme nicht mehr mit Gewalt zu lösen. Dabei lernen sie Interessensdifferenzen und auch Konflikte über zivile Konfliktbearbeitung zu behandeln. Sie lernen Konfrontation durch Kooperation zu ersetzen. Der Zusammenschluss in Regionen enthält jedoch auch die Gefahr, dass daraus Bündnisse werden mit gemeinsamer militärgestützter Außenpolitik (siehe EU), so dass neue Kriegskonstellationen nun zwischen Militärbündnissen regionaler Staatenverbände entstehen können.
- Hoffnungen gänzlich unvorhersehbaren Ausmaßes gehen auch von den vielfältigen sozialen Bewegungen aus, die sich auf soziale Gerechtigkeit, Menschen- und Bürgerrechte, Klima- und Naturschutz und auf einen gewaltlosen Konfliktaustrag konzentrieren. Zu ihnen gehören auch die zahlreichen Initiativen der Friedensbewegungen in aller Welt, Aussöhnungsprozesse zu initiieren und zu fördern.
IV. Perspektiven für die Friedensbewegung
- Die Kritik der Militär- und Rüstungspolitik ist weiterhin unabdingbar. Sie ist stets in den größeren Zusammenhang unserer Alternativen zu stellen.
- Theorie und Praxis unserer zivilen Alternativen der Konfliktbewältigung sind weiter auszubauen und in der Öffentlichkeit - möglichst an gut verständlichen Beispielen aus der Praxis - bekannt zu machen. Die Gesellschaft soll begreifen, dass militärische Gewalt eben nicht alternativlos ist.
- Den Begriff der "Sicherheit" spielt in der Gesellschaft eine sehr große Rolle. Er wird bei vielen, die keineswegs für Krieg sind, mit "Militär als letztem Mittel" verbunden. Um die Bereitschaft zu erhören, sich auf zivile Konfliktbearbeitung einzulassen, ist es dringend erforderlich, den Begriff der Sicherheit für das pazifistische Projekt zu erobern, und militärgestützte Sicherheit als Unsicherheit begreifbar zu machen.
- In großen Teilen der Gesellschaft folgt das Bewusstsein nach wie vor den Legitimationsideologien für militärische Gewalt. Sie sind geschichtsmächtig tief eingewurzelt. Sie erscheinen - meist zusammen mit Friedensrhetorik - unter verschiedenen Überschriften. Ihr Urvater ist der "Gerechte Krieg" unter dessen Vorzeichen einst die pazifistischen Christen zu den Waffen gelockt werden sollten. Seine heutigen Nachfahren heißen: "Humanitäre Intervention", das "Letzte Mittel" und auch die "zivil-militärische Zusammenarbeit" gehört in diesen Täuschungszusammenhang. Diese Legitimationsideologien gilt es als Bestandteile des Militärisch-Politischen-Industriellen Komplexes der Kriegsvorbereitung und damit zur Sicherung der Bereitschaft der Bevölkerung Kriegsvorbereitungen mitzutragen, aufzudecken und zu desavouieren.
- Europas Chancen liegen in Friedenspolitik und Kooperation. Die Friedensbewegung muss sich für ein auch nach außen friedliches Europa einsetzen. Ein nationaler Rückfall sollte für sie ausgeschlossen sein.
Die übergeordnete Losung der Friedensbewegung für die Zukunft in einer gewaltbereiten Welt könnte lauten:
"Zivile Kooperation statt militärischer Konfrontation"
Viele andere soziale Bewegungen können ihre Thematik mühelos daran anschließen.
Kontakt: Andreas Buro, e-mail: andreas.buro@gmx.de
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