Die Kirche und ihr GeldVon Ullrich Hahn Thesen zur Einführung einer Arbeitsgruppe im Rahmen des Sommertreffens von "gewaltfrei handeln e.V." am 25.08.2012 in Imshausen. 1)Geld hat seine Funktion nicht im Miteinander einer Gemeinschaft, sondern im geordneten Nebeneinander der Gesellschaft. In der Gemeinschaft gilt: Jeder gibt, was er/sie kann, und jede erhält, was er/sie braucht. Leistungen werden nicht verrechnet. Beispiele für das Leben in Gemeinschaft sind heute noch die Kleinfamilie, darüber hinaus manche Freundeskreise und Kommunitäten. Im Binnenraum dieser Gemeinschaften spielt Geld mangels Verrechnung und der Freiwilligkeit allen Tuns keine Rolle. Anders die Gesellschaft: In ihr gilt der Vertrag, "do ut des" - ich gebe nur unter der Bedingung, dass ich auch bekomme. Das Mittel zur Verrechnung von Leistung und Gegenleistung ist das Geld. Auch wer in einer Gemeinschaft lebt, steht zumindest mit einem Teil seines Lebens in der dieser umgebenden Gesellschaft, d.h. in geldwerten vertraglichen Beziehungen. 2)Die sichtbare Kirche ist nicht nur in ihren Außenbeziehungen zur Welt, sondern auch in ihrem Verhältnis zu den Gemeindemitgliedern, und diese auch untereinander, Gesellschaft, d.h. durch Verträge geordnetes Nebeneinander. Nur was nicht in den Haushaltsplänen aufgelistet und mit Geldbeträgen dargestellt ist, kann dem gemeinschaftlichen Leben zugeordnet werden, in der Regel dem Freizeitbereich ihrer Mitglieder. Im übrigen ist Kirche Teil der Welt und mit den in ihr geltenden wirtschaftlichen Regeln von dieser nicht unterschieden. 3)Geld dient nicht nur als Verrechnungseinheit der Abwicklung vertraglicher Beziehungen, sondern auch der Bildung von angesparten Rücklagen, die nicht für den aktuellen Konsum benötigt werden, d.h. dem Kapital. Die Bildung für Rücklagen gilt dabei nicht nur unserer Sorge um zukünftig befürchtete magere Jahre (entsprechend dem Traum Josefs in Ägypten; aktuell die Angst in den Kirchen vor dem Rückgang der Kirchensteuer ab 2030), sondern auch den Investitionen zur Verbesserung der Lebensbedingungen (Infrastruktur, wohnen, arbeiten). Problematisch ist nicht, dass wir - und auch die Kirche - Rücklagen bilden, sondern wie wir -und auch die Kirche - mit diesen Rücklagen umgehen. 4)Angespartes Geld, Kapital, kann als Darlehen verliehen werden und damit dem Darlehensnehmer schon jetzt zu lebensverbessernden Investitionen verhelfen, die er sich sonst erst durch langfristigen Konsumverzicht hätte ansparen müssen. Soweit eine hinreichende Gewähr für die Rückzahlung des Darlehens besteht, tut dies dem Zweck der Rücklage des Darlehengebers keinen Abbruch. 5)Die Erwartung von Zinsen ist kein wirtschaftlich notwendiger Teil der Hingabe eines Darlehens, d.h. überhaupt für die Verwendung von Rücklagen. Bei allen Sachgütern (Haus, Einrichtung, Arbeitsmittel etc.) gehen wir selbstverständlich von einer Wertminderung durch den Zeitablauf aus und bilanzieren diese laufende Wertminderung durch eine entsprechende Abschreibung. Wenn die Geldrücklage in gleicher Weise durch Zeitablauf an Wert verlieren sollte (Inflation), geschieht damit nichts besonderes. Zinsen müssen erarbeitet werden - durch den Darlehensnehmer. Für den Darlehensgeber, den Kapitalbesitzer, sind sie arbeitsloses Einkommen auf Kosten anderer. Geld wird so zur Macht, andere für sich arbeiten zu lassen. 6)Die kaum noch in verständlichen Zahlen auszudrückende Verschuldung der öffentlichen Haushalte entspricht auf Heller und Pfennig dem ebenso kaum noch in verständlichen Zahlen auszudrückenden Geldvermögen in privater Hand, welches höchst ungleich verteilt ist und sich über die Zinsen täglich um nicht vorstellbare Summen vermehrt, also die vorhandenen Güter dieser Welt kontinuierlich in die Hände einer reichen Geldelite überführt. Um nur diese Zinsen aufzubringen, ohne die Schuld wirklich abbauen zu können, ist die Realwirtschaft u.a. zu dauerndem Wachstum und damit zum Verbrauch und Zerstörung der Ressourcen dieser Erde gezwungen. 7)An dieser zerstörerischen Spirale sind auch unsere Landeskirchen beteiligt: Die badische Landeskirche z.B. verfügt über etwa 1 Milliarde Euro reine Geldrücklagen (ohne Stiftungsvermögen und Immobilien). Die Zinseinnahmen aus diesen Kapitalstöcken betragen viele Millionen jährlich. Neben der Landeskirche verfügen auch die einzelnen Kirchengemeinden und Kirchenbezirke über sogenannte Pflichtrücklagen, die sich ihrerseits auf mehrstellige Millionenbeträge summieren. Angelegt wird das Geld überwiegend in Fonds mit breiter Streuung, wobei darauf geachtet werden soll, dass zwar weder in Drogen noch in Rüstungsgüter investiert wird, aber die Rendite bei höchstmöglicher Sicherheit möglichst ertragreich ist. 8)Die Kirchen sind mit ihrem Finanzgebaren damit nicht schlechter als die übrige Gesellschaft, wo auch die Pensionsfonds der Ärzte, Rechtsanwälte und andere Berufe, die Lebensversicherungen und Sparkassen ihren Anlegern dynamisch wachsende Renten und Rendite verschaffen wollen, weit unter dem Niveau der Superreichen, aber doch weit über dem Niveau all derer, die weltweit diese arbeitslosen Einkünfte aufzubringen haben. Das gilt nicht anders auch für die zunehmende Zahl von Stiftungen, bei denen der Zwang zum Zinsnehmen geradezu in ihrer Struktur verankert und auch gesetzlich vorgeschrieben ist, da für die beabsichtigten mildtätigen Zwecke der Kapitalstock in der Regel nicht verbraucht werden darf. Dieses Finanzgebaren der Kirchen widerspricht vielleicht weniger der christlichen Botschaft, denn diese zielt ja eigentlich mehr auf eine neue Gemeinschaft statt auf eine christliche Gesellschaft, als vielmehr der Vernunft, die auf die Erhaltung dieser Erde und die gerechte Teilhabe aller Menschen an ihren Gütern gerichtet sein sollte. 9)Konsequenzen sollten sein:
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