Rote Karte dem Geschäft mit dem TodRedebeitrag für den Ostermarsch 2013 in Stuttgart am 30. MärzVon Dietrich Becker-Hinrichs Liebe Friedensfreundinnen und - freunde, Schluss mit der Kriegspolitik, das sagen wir heute vereint beim Ostermarsch in Stuttgart. Schluss mit der Kriegspolitik in Afghanistan, in Syrien und in Mali! Und: Stoppt die Rüstungsexporte, die den Tod frei Haus aus Deutschland in alle Welt liefern! 1. Waffen sind ethisch nicht neutral - Waffen bringen den TodWir Christen feiern in diesen Tagen Ostern. Wir denken an den Tod und die Auferstehung Jesu. Jesus war ein Realist. Er wehrte sich gegen jede Form von Gewalt. Als ein übereifriger Jünger ihn bei seiner Gefangennahme mit seinem Kurzschwert verteidigen wollte und einem römischen Soldaten das Ohr abschnitt, fiel Jesus ihm in den Arm und sagte: "Stecke dein Schwert weg, denn wer zum Schwert greift, der soll durch das Schwert umkommen." Jesus hat damit den Einsatz von Waffen verboten, mit einer ganz klaren Aussage. Wer zu den Waffen greift, wird durch sie umkommen. Er hat nicht gesagt, was die Politiker und Rüstungslobbyisten unserer Tage so formulieren: "Waffen sind ethisch betrachtet zunächst mal neutral. Es kommt ganz darauf an, wozu man einsetzt." Er hat auch nicht gesagt: "Waffen und begleitende Schulung sind Hilfe zur Selbsthilfe" wie unsere Bundeskanzlerin in einer Rede vor Soldaten in Strausberg im Oktober 2012. Hilfe zur Selbsthilfe - das war mal in den Siebziger Jahren ein Slogan, der die Ziele der Entwicklungshilfe beschreiben sollte. Heute sieht Hilfe zur Selbsthilfe offensichtlich so aus, dass wir in alle Welt Waffen exportieren. Hilfe zur Selbsthilfe. Keine schlechte Idee, wenn es um die Förderung demokratischer Prozesse und ziviler Strukturen geht. Aber diese Idee wird doch in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man sie auf die Lieferung von Waffen bezieht. Sind Waffenlieferungen nach Saudi Arabien, nach Katar oder Indonesien Hilfe zur Selbsthilfe? Wobei helfen wir diesen autoritären Staaten? Wir helfen Ihnen doch bei der Unterdrückung ihrer eigenen Bevölkerung, Wir gießen Öl in lodernde Feuer und bezeichnen das als Hilfe zur Selbsthilfe. Waffenlieferungen sind keine Hilfe zur Selbsthilfe, sondern vermehren das Leiden auf dieser Welt. Darum sagen wir Nein zu Rüstungsexporten, nein zu Waffen made in Germany! Waffen sind ethisch nicht neutral - Waffen bringen den Tod! 2. Drohnen - die neuen KillermaschinenDrohnen will die Bundeswehr zukünftig bei ihren Auslandseinsätzen verwenden. Bundesverteidigungsminister De Maiziere hält Drohnen für ethisch in Ordnung. Ethisch sei eine Waffe stets als neutral zu betrachten. Schon wieder diese ethische Verharmlosung der Instrumente des Todes.
wir sprechen doch nicht hier im abstrakten Raum über den Einsatz von Drohnen. Wir haben doch die Erfahrungen der Einsätze der letzten Jahre vor Augen. Tausende von Menschen sind in den letzten Jahren den Drohnenangriffen der USA zum Opfer gefallen, in Pakistan, in Afghanistan, im Jemen. Und immer wieder treffen diese angeblich zielgenauen Hightechwaffen unbeteiligte Zivilisten. Natürlich setzen Drohnen die Hemmschwelle herab, gegnerische Soldaten zu töten. Man kann dabei bequem in einem gut beheizten Gefechtsstand sitzen, Hunderte von Kilometern vom Kampfgebiet entfernt und drückt einfach auf den Knopf. Man sieht kein Blut mehr, man hört keine Explosion, man ist ein unbeteiligter abgestumpfter Killer geworden. Wollen wir, dass aus unseren Soldaten auf diesem Wege Mörder werden? Einer der großen Theoretiker des Krieges, General von Clausewitz würde sich im Grab herumdrehen, wenn er mitbekäme, wie sich die Kriegsführung heute verändert hat. Krieg war in der Vergangenheit immer auch eine Art Kampf unter Gleichen mit den gleichen Waffen. Und der Kampf wurde so lange geführt, bis einer der beiden die Waffen niederstreckte. Der Gegner musste in einem Krieg immer auch die Möglichkeit haben, zu kapitulieren. Genau diese Möglichkeit gibt es nicht mehr, wenn Drohnen eingesetzt werden. Auch völkerrechtlich ist die Kriegsführung mit Drohnen höchst umstritten, da es sich um Hinrichtungen auf Verdacht hin ohne Gerichtsurteile handelt. Rechtswissenschaftler der Stanford University kommen in ihrer kürzlich veröffentlichten Studie "living under drones" zu dem Urteil, dass die präventive Tötung durch Drohnen die terroristische Bedrohung nicht verringert. Seit dem Einsatz der Drohnen sei sie sogar erhöht, weil dieser Einsatz Rache und Hass schüre. Die am Himmel kreisenden Drohnen würden die ganze Bevölkerung, die ganze Region terrorisieren. Mit dem Einsatz von Kampfdrohnen werden also immer wieder neue Terroristen gezüchtet. Darum sagen wir heute ein ganz klares Nein zur Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Dabei wissen wir übrigens sogar den evangelischen Militärbischof Dutzmann auf unserer Seite. 3. Die syrische TragödieWaffen sind ethisch nicht neutral - Waffen bringen den Tod! Das hat sich in den letzten zwei Jahren leider auch in Syrien gezeigt. Was für eine tragische Rolle der Einsatz von Waffen im Syrischen Bürgerkrieg spielt, möchte ich anhand einer Geschichte wiedergeben, die jüngst in der Badischen Zeitung in Freiburg zu lesen war. Der Aufstand in Syrien begann ja vor zwei Jahren mit großen gewaltfreien Protesten aus der Mitte des Volkes. Obwohl Präsident Assad auf unbewaffnete Demonstranten schießen ließ, leisteten diese zunächst keine Gegenwehr. Die Demonstranten wussten, dass Gewaltfreiheit die stärkste Waffe gegen ein Gewaltregime ist. Die syrische Journalistin Mona Sarkis beschreibt, wie dann aus einem gewaltfreien Aufstand ein blutiger Bürgerkrieg wurde. Als das Assad Regime erkannte, wie stark die "Waffe der Gewaltfreiheit" ist, habe der Geheimdienst einige Lastwagen mit Waffen am Straßenrand stehen lassen, um den Aufstand zu militarisieren: "Als Einladung zur Selbstbedienung". So sei es dem Regime gelungen, den friedlichen Widerstand zu radikalisieren. Wenn ein Widerstand militant werde, schrieb der spätere Vorsitzende des syrischen Nationalrates, Bourhan Gallioun, 2011 auf Facebook, gebe die Zivilbevölkerung ihren "Aufstand der Würde" aus der Hand: in die Hände jener Bewaffneten, die jetzt den Bürgerkrieg in Syrien dominieren. Das ist eine ganz tragische Entwicklung, die zweierlei zeigt: Der gewaltfreie Aufstand wäre die erfolgreichere Protestform gewesen. Für einen Diktator ist der gewaltfreie Aufstand die weitaus gefährlichere Variante. Er verliert vor der ganzen Weltöffentlichkeit und auch gegenüber der eigenen Bevölkerung sein Gesicht, wenn er auf unbewaffnete Demonstranten schießen lässt. Aber sobald aus den Reihen der Aufständischen Schüsse fallen, hat der Diktator wieder das Heft des Handelns in der Hand. Weil er dann mit vollem Recht vor aller Öffentlichkeit sein gesamtes Waffenarsenal einsetzen kann. Und genau dies ist in Syrien passiert. Ich möchte dem syrischen Volk damit keinen Vorwurf machen, dass es den gewaltfreien Weg verlassen hat. Ich klage vielmehr diejenigen an, die dieses Land mit Waffen vollgepumpt haben, und ihre Interessensgegensätze auf dem Rücken des syrischen Volkes austragen. Es gibt jetzt keine leichte Lösung für ein Ende des Bürgerkrieges. Es kann nur eine Lösung auf dem Verhandlungsweg geben. Aber jetzt weitere Waffen in dieses Land hinein zu schicken, wäre auf jeden Fall der falsche Weg. 4. Die evangelische Kirche streitet über die richtigen Wege zum FriedenIch möchte an dieser Stelle als Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Baden auch betonen, dass ich mich in diesem Jahr an vielen Punkten von den leitenden Geistlichen der EKD unterstützt fühle. Die Kritik des Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider an möglichen Waffenlieferungen nach Syrien und die Stellungnahme des Friedensbeauftragten der EKD, Renke Brahms, gegen die Intervention in Mali, machen deutlich, dass die Evangelische Kirche in Deutschland wieder auf dem Weg ist, klare Worte gegen den Krieg zu finden. Auch von katholischer Seite gibt es immer wieder sehr gute Stellungnahmen von Bischof Algermissen von Pax Christi. Und ich bin sehr froh, dass es zur Zeit in unserer badischen Landeskirche einen sehr lebendigen Diskussionsprozess gibt über die friedensethische Ausrichtung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Christen von der Basis fordern, dass die Kirche den Krieg als Mittel der Politik ein für allemal ächtet und die Stärke gewaltfreier Lösungen betont. Sie fordern ein Umdenken in der Außenpolitik hin zu einer klaren Politik der zivilen Konfliktbearbeitung. Seit Wochen diskutieren wir in allen Kirchenbezirken, vom Bodensee bis nach Wertheim über diese Fragen. Natürlich sind die Debatten in den Kirchenbezirken kontrovers. Aber es ist ein Aufwachen nach langem Schweigen, denn 15 Jahre lang haben wir in unserer Landeskirche überhaupt nicht mehr über Friedenspolitik diskutiert. Und wir können gespannt sein darauf, was unsere Landessynode dann im Herbst für einen Beschluss fassen wird. Es gibt ein großes Interesse auch in der württembergischen Landeskirche und bei unseren katholischen Geschwistern, sich an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen. Ein Vorwurf gegenüber der pazifistischen Position, die ich vertrete, ist bei den Diskussionen in den kirchlichen Gremien oft der, dass man doch das Militär brauche, um in humanitären Krisen zu intervenieren. Bei Völkermord müsse man doch militärisch eingreifen können. Früher haben mich diese Argumente immer sehr beeindruckt. Man will doch als guter Christ nicht zulassen, dass irgendwo ein Völkermord passiert. Ich frage mittlerweile zurück, frage die Offiziere und Militärpfarrer, mit denen ich diskutiere, ob es denn ein einziges Beispiel gibt, wo der Einsatz von Militär in den letzten Jahren einen Völkermord verhindert habe. Wo der Einsatz von Militär friedensstiftend gewirkt habe. Und sie bleiben mir die Antwort schuldig. Es gibt in der Tat kein einziges erfolgreiches Beispiel aus den militärischen Interventionen der letzten Jahre, bei dem der Einsatz militärischer Gewalt einen Völkermord verhindert oder Menschenleben gerettet hätte. In der Regel wurde durch die militärischen Interventionen und Kriege vom Kosovo bis Mali sogar noch mehr Schaden angerichtet. Es ist daher dringend an der Zeit, dass nicht nur die Kirchen, sondern auch die Grünen und die SPD, die früher einmal teilweise zur Friedensbewegung gehört haben, und auch die CDU und FDP ihre Position zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr anhand der konkreten Ergebnisse der Interventionen der letzten Jahre kritisch überprüfen. Da gibt es sehr viel aufzuarbeiten. Und beginnen müssen wir dabei mit dem Desaster des Kosovokrieges und des Afghanistankrieges. Mischen wir uns also ein, in den Kirchen, in den Gewerkschaften, in den politischen Parteien. Streiten wir miteinander über die richtigen Wege zum Frieden. Und zeigen wir dem Geschäft mit dem Tod die rote Karte. Schluss mit der Kriegspolitik - Zukunft braucht Frieden! Dietrich Becker-Hinrichs ist Pfarrer der Ev. Landeskirche in Baden, Vorsitzender des Trägervereins der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion in Baden (WfGA) und Mitglied im Leitungskreis des Forums Friedensethik in der Badischen Landeskirche.
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