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Analyse zu Nordkorea: Machtverschiebungen innerhalb des Regimes

Das nordkoreanische Säbelrasseln der vergangenen Wochen deutet auf interne Machtverschiebungen innerhalb des Regimes hin.

Von Karl Grobe

Dieser Tage fragte der neue nordkoreanische Botschafter in der Mongolei dort höflich an, ob man in Pjöngjang wohl mit mongolischer Nahrungsmittelhilfe rechnen könne, falls es wieder nordkoreanische Hungersnöte geben sollte. Bisher hatte Nordkorea sich immer auf China verlassen. Doch Peking verliert die Geduld, daher muss Pjöngjang sich ändern, was wiederum neue Leute auf den Plan ruft.

Dazu passt die Personalie des Pak Pong Ju. Der 73-Jährige ist nicht nur zum zweiten Mal ins Amt des Regierungschefs berufen worden; er wird auch als Reformer beschrieben. Als er, noch unter Kim Jong Il zwischen 2002 und 2007 Premier war, gab es erste Reformansätze, die damals umstrittenen "Juli-Dekrete". Dass Pak 2007 abgesetzt und zum Fabrikdirektor degradiert wurde, hatte nichts mit einer Altersgrenze zu tun, sondern mit veränderten Gewichten gewisser Fraktionen innerhalb der Machtelite. Das gilt auch für seine Rückkehr ins Amt. Sein Vorgänger, der erst seit 2010 amtierende Choe Yong Rim, hatte einen hohen militärischen Rang. Pak hat den nicht.

Gleichzeitig mit seiner Bestallung zum Premier rückte er als Vollmitglied ins Politbüro der Arbeiterpartei auf. Dort gab es weitere Wechsel. Drei Generale, darunter der Verteidigungsminister, wurden gleichfalls in das höchste Parteigremium aufgenommen - aber lediglich als Kandidaten, also ohne Stimmrecht.

Die drei Militärs, deren Nachfolger sie wurden, hatten aber volles Stimmrecht. Im Politbüro, das bis Ende März bestand, waren von den 19 Vollmitgliedern acht Militärs und elf Zivile. Das neue Politbüro hat noch 17 Vollmitglieder - fünf Militärs und zwölf Zivile. Diese Verschiebung entspricht den öffentlichen Bekundungen, die nach den Tagungen der Partei- und Staatsführungen erlassen worden sind. Es ist jetzt von Zweigleisigkeit die Rede: "Gleichzeitiger wirtschaftlicher Aufbau und die Weiterentwicklung der Nuklearstreitkräfte". Die Militär-zuerst-Doktrin (Songun) wird ein wenig relativiert.

Ankündigung eines Kurswechsels?

Ist das Aufbau-Versprechen eine Rückzugsposition, um Kim Jong Uns vollmundige Neujahrsdeklaration - das Wohlstandsversprechen noch in diesem Jahr - zu retten, oder doch die Ankündigung eines Kurswechsels? Dass das Regime sich den Status einer Nuklearmacht nicht abhandeln lassen wird, hat es jedenfalls klargemacht, und dieser Status wird durch die jüngsten Analysen atmosphärischer Gase unterstrichen, die bestätigen, dass Nordkorea im Februar tatsächlich einen Nuklearsprengsatz und nicht "nur" eine überdimensionierte konventionelle Sprengladung gezündet hat.

Gegen diesen Test, orakeln südkoreanische Zeitungen, habe sich ein Vollmitglied im Politbüro ausgesprochen, Jang Song Taek. Er gehört seit vier Jahren dem Nationalen Verteidigungsrat an, dem höchsten Gremium, das sowohl das Militär als auch die internen Sicherheitsapparate überwacht. Als Kim Jong Un das Erbe seines Vaters antrat, war Jang der Vertreter der Zivilen, die den jungen Mann begleiten und kontrollieren sollen. Sein militärischer Widerpart, General Ri Yong Ho, ist im Sommer vorigen Jahres in der Versenkung verschwunden.

Die Laufbahn des 67 Jahre alten Jang Song Taek verlief nicht ganz gerade. Als Politökonomie-Student lernte er um 1965 die Schwester des damals noch nicht allmächtigen Kim Jong Il kennen. Das missfiel an höchster Stelle. Man veranlasste die Verbannung Jangs in die Provinz, doch Kims Schwester, Kim Kyong Hui, setzte sich gegen ihn durch und heiratete Jang. Beide stiegen seither stetig in den Parteirängen auf, doch 2004 verschwand Jang für zwei Jahre aus der Öffentlichkeit.

Die Tokioter Zeitung Asahi Shimbun zitierte vor drei Jahren die damalige japanische Oppositionspolitikerin Yuriko Koike mit der Bemerkung, Kim Kyong Hui sei die einzige Person, der Kim Jong Il traue, Verwandtschaftsbeziehungen seien in jenem Land ohnehin der entscheidende Faktor. Vieles spricht dafür, dass hier das wahre Machtzentrum Nordkoreas liegt. Kim Kyong Hui - die heimliche Kaiserin?

Sie gilt als stur, zänkisch, rechthaberisch und trinkfest. Über ihre politischen Grundsätze haben japanische und südkoreanische Analytiker weniger herausgefunden. Jang wiederum wird von diesen Beobachtern als einer betrachtet, dem die überaus starke Rolle der Militärs nie gepasst hat. Eine südkoreanische Zeitung, deren Seriosität allerdings nicht jeden Test bestehen würde, sagte ihm vor Monaten sogar Staatsstreichpläne nach. Die hätte weder er noch Tante Kim nötig, solange Neffe Kim Jong Un, der Jüngste im Familienbunde, anstellig bleibt.

Das kann aber auch bedeuten, dass die sich überschreiende Kriegsrhetorik der vergangenen Wochen und die Nuklear- und Raketen-Manöver eher dazu dienen, die politischen und militärischen Apparate auf die Kim-Familienherrschaft einzustimmen, und erst in zweiter Linie auf Seoul, Washington und Tokio gerichtet waren. Das Befremden, das Peking deswegen äußerte, war eher unerwünscht; aber es zwingt zu Reformen, wenn es demnächst weniger chinesischen Reis geben sollte.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 26.04.2013. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

27. April 2013

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