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Stadt Frankfurt missachtet das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit

Demonstrationsbeobachtung des Komitees für Grundrechte und Demokratie

Schon wieder beginnt die Stadt Frankfurt, Gefahren für die Stadt, ihre Einwohner und Besucher aufgrund der Proteste von Blockupy gegen die autoritäre Krisenpolitik von Bundesregierung und Troika herbei zu imaginieren (Verfügung des Ordnungsamtes an den Anmelder der Demonstration am 1. Juni 2013). Letztes Jahr gründeten die Verbotsverfügungen auf den vom Konjunktiv geprägten Vorstellungen von Ordnungsamt, Polizei und der dahinter stehenden Politik. Nicht konkrete Tatsachen belegten die Gefahrenprognosen der Stadt, noch nicht einmal auf Tatsachen gestützte Indizien. Unter Gefahrenprognose versteht das Frankfurter Ordnungsamt eine Sammlung von Befürchtungen. Da prinzipiell alles möglich ist, meint es damit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aushebeln zu können.

Letztes Jahr hatte die Stadt Frankfurt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gänzlich auszuhebeln versucht, als sie pauschal alle Versammlungen in der gesamten Stadt für den Zeitraum vom 16. bis 19. Mai 2012 verbot. Dieses Jahr gibt es Hoffnungen, da es ein Gelände für ein Camp gibt.

Die jetzige "Verfügung", die die angemeldete Großdemonstration am 1. Juni 2013 wegen angeblicher "unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" nur mit Auflagen für möglich erachtet, liest sich dennoch so, als sei ein Versammlungsleiter Befehlsempfänger und zugleich Erfüllungsgehilfe der Polizei.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie, das letztes Jahr eine Versammlung zum Schutz des Versammlungsrechts auf dem Paulsplatz angemeldet hatte, die rechtswidriger Weise verboten worden war, wie das Verwaltungsgericht nachträglich feststellte, wird dieses Jahr eine Demonstrationsbeobachtung organisieren.

Die Stadt Frankfurt macht erneut deutlich, dass sie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit missachtet, das unter besonderem Schutz steht, weil es den Bürgern und Bürgerinnen das Recht gibt, sich in die politischen Angelegenheiten einzumischen und an den von ihnen zu wählenden und bestimmenden Orten ihre Sorgen und ihre Kritik vorzubringen. Es ist, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, ein "grundlegendes und unentbehrliches Funktionselement" einer parlamentarischen Demokratie. Demonstrierende müssen auf eine Weise das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen können, die ihren Protest wahrnehmbar werden lässt.

Im Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts heißt es: "Sie (Versammlungen) … enthalten ein Stück ursprünglich ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den öffentlichen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren."

Stattdessen imaginiert die Stadt Frankfurt wieder einmal extreme Gefahren und macht den Versammlungsleiter schon im Vorhinein für jeden möglichen Verstoß gegen Auflagen verantwortlich. Sie erzeugt Druck, will einschüchtern und jede selbstbestimmte Ausdrucksform im Vorhinein unterbinden. Solche Auflagen dienen nur dazu, der Polizei jederzeit das Recht zum Eingreifen in eine Versammlung zu geben. Es wird sich schon jemand finden, der eine Sonnenbrille aufhat und dem man damit Vermummung unterstellen kann. Eine Versammlung darf gemäß der Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur dann aufgelöst werden, wenn von der Versammlung insgesamt Gewalttätigkeiten ausgehen. Gegen einzelne Verstöße und Gewalttätigkeiten hat die Polizei allenfalls gezielt vorzugehen und ansonsten die Versammlung zu ermöglichen. Die Stadt Frankfurt aber will den Versammlungsleiter verpflichten, dafür "Sorge zu tragen", dass "die Auflagen strikt eingehalten und durchgesetzt werden". Schon bei einzelnen Verstößen gegen Auflagen, die noch nicht einmal eine Gefährdung von Sicherheit und Ordnung bedeuten, soll er die Versammlung "unverzüglich für beendet erklären".

Der Großdemonstration werden die für den vorhergehenden Tag angekündigten Blockaden zugerechnet, obwohl diese eigenständige Aktionsformen an einem anderen Tag sind. Obwohl die Verfügung selbst das Bundesverfassungsgericht zitiert, eine Gefahrenprognose müsse "auf erkennbaren Umständen beruhen (…), also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten", werden - wie bereits letztes Jahr - nur Befürchtungen, Möglichkeiten und Vermutungen vorgetragen. Eine Gefahrenprognose hat aber mit der konjunktivischen Möglichkeitsform nichts zu tun.

Zu einer Versammlung gehört es, die "Aufmerksamkeit für das Anliegen zu erhöhen". Daraus ist keine Gefährdung abzuleiten. Soweit für den vorangehenden Tag Blockaden angekündigt sind, sind daraus keine Auflagen für den nächsten Tag der Großdemonstration abzuleiten. Behinderungen, die durch (Groß)demonstrationen entstehen, müssen hingenommen werden.

Entgegen der Behauptung der Stadt, stehen auch Blockaden unter dem Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Bereits 1995 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Blockaden keine nötigende Gewalt nach § 240 StGB darstellen. Von ihnen geht nicht per se eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit" aus.

Wiederum wird nur behauptet, unter die 20.000 erwarteten TeilnehmerInnen mischten sich "500 gewaltentschlossene und bis 1.500 gewaltbereite Aktivisten". Durch nichts werden diese Zahlen belegt. Es wird nicht belegt, wer und welche Straftaten sie beabsichtigen und inwiefern die ganze Versammlung dadurch zu einer Gefährdung der Stadt beiträgt. Dass schon "die Masse der Teilnehmer" die "gesamte Innenstadt" lahmlege, berechtigt nicht zu einer Gefahrenprognose, der mit Auflagen zu begegnen wäre. Was "versammlungstypische Begleitstraftaten" sind, entzieht sich jeder Vorstellung. Es sei denn, man geht davon aus, dass jede Großveranstaltung auch Taschendiebe anzieht.

Die Tatsache, dass BürgerInnen für ihre Anliegen breite Bündnisse bilden, stellt ebenfalls keinen Anhaltspunkt für eine Gefährdung der Sicherheit dar. Die Tatsache, dass ein Anliegen von vielen auch unterschiedlichen Gruppen unterstützt wird, macht es politisch gewichtiger. Dass die "überwiegend antikapitalistisch ausgerichteten Blockupy-Aktionstage" nun durch das "… ums Ganze!"-Bündnis auch noch antirassistisch ergänzt seien, erklärt keine dadurch entstehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Es wird nur behauptet, damit würden gewaltorientierte Aktionsformen einhergehen, belegt wird dies nicht. Die Ereignisse vom 31. März 2012 können nicht für alle Zukunft eine Gefährdung durch Versammlungen in der Stadt begründen, dafür bedürfte es konkreter aktueller Hinweise.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie wird in der Zeit vom 30. Mai (Anreise zum Camp) bis 1. Juni 2013 mit über 20 DemonstrationsbeobachterInnen vor Ort sein und die Geschehnisse beobachten und protokollieren. Wir verstehen uns in dieser Rolle nicht als Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Demonstrationen. Für unsere Demonstrationsbeobachtung ist das Demonstrationsrecht das entscheidende und uns interessierende Grundrecht, für das wir uns mit dieser Form der Aktion einsetzen und das wir zu schützen ausgehen. Bereits 1981 hat das Komitee erste Erfahrungen mit Demonstrationsbeobachtungen gesammelt und seitdem immer wieder die Erfahrung gemacht, wie wichtig eine genaue Wahrnehmung und Beschreibung der Vorgänge vor und während der Demonstrationen sind.

Quelle:  Komitee für Grundrechte und Demokratie - Pressemitteilung vom 21.05.2013.

Veröffentlicht am

22. Mai 2013

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