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Normen für globalen Waffenhandel

Vertragsunterzeichnung ab 3. Juni am UNO-Hauptsitz / Gegner machen auch gegen den Kompromiss mobil

Von Wolfgang Kötter

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat am 3. Juni am New Yorker Hauptsitz der Vereinten Nationen den Weltvertrag zur Begrenzung der internationalen Waffentransfers (Arms Trade Treaty - ATT) für die Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufgelegt.

Ein steiniger Weg zum Ziel

Nach fast siebenjährigen streckenweise äußerst kontroversen Verhandlungen hatte die UN-Vollversammlung den Vertrag am 2. April mit einer Mehrheit von 155 Staaten angenommen. 22 Staaten enthielten sich - darunter die beiden führenden Rüstungsexporteure Russland und China, aber auch Ägypten, Indien, Indonesien Oman, Saudi Arabien und Weißrussland. Iran, Nordkorea und Syrien stimmten mit Nein. Eine Vertragskonferenz, die nach dem Konsensprinzip gearbeitet hatte, war zuvor zwei Mal erfolglos geblieben. Im vergangenen Sommer verhinderten die USA, Russland, China, Ägypten, Iran, Kuba, Nordkorea, Syrien und Venezuela die Zustimmung und ein zweiter Anlauf scheiterte im Frühjahr an den Gegenstimmen des Iran, Nordkoreas und Syriens. Daraufhin brachte eine Gruppe von über 100 Staaten das Dokument in die UN-Vollversammlung ein, wo eine einfache Stimmenmehrheit zur Annahme genügt.

Das Abkommen setzt erstmals in der Geschichte globale Normen für den weltweiten Handel mit konventionellen Waffen, dessen jährliches Volumen auf 70 Milliarden Dollar geschätzt wird. Es verbietet Waffenlieferungen, wenn diese zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beitragen. Der Vertrag regelt den Handel mit Großwaffensystemen wie Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen, schweren Artilleriegeschützen, Kampfflugzeugen und -hubschraubern, Kriegsschiffen, Raketen beziehungsweise Raketenwerfern. Außerdem werden Kleinwaffen wie etwa Mörser und Minen, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Revolver und Handgranaten erfasst. Von den Mitgliedstaaten werden ebenfalls nationale Bestimmungen für den Handel mit Munition und Ersatzteilen verlangt.

Licht und Schatten

Zu Recht würdigen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Oxfam den Vertrag als einen historischen Erfolg. Ein großes Verdienst an seinem Zustandekommen gebührt gerade diesen beiden humanitären Hilfsorganisationen. Nicht zuletzt durch ihr Engagement sind die internationalen Bemühungen gegen den ungebremsten Waffenhandel bis zu einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag gelangt. Das Projekt eines globalen Waffenhandelsvertrages begann, als sich im Jahre 2003 Amnesty International, Oxfam und das Internationale Aktionsnetzwerk gegen Kleinwaffen IANSA zur Kampagne "Waffen unter Kontrolle!" zusammenschlossen. Sie mobilisierten mit vielfältigen weltweiten Aktionen die Zivilgesellschaft und trugen maßgeblich dazu bei, dass die UN-Vollversammlung im Dezember 2006, beschloss, die Machbarkeit, den Umfang und die Regeln eines Abkommens für den internationalen Handel mit konventionellen Waffen von Experten untersuchen zu lassen. Darauf aufbauend folgte dann im Jahre 2009 die Entscheidung, Verhandlungen zur Ausarbeitung eines entsprechenden Vertrages aufzunehmen. "Das ist ein historischer Moment. Endlich haben die meisten Staaten nun einem Abkommen zugestimmt, das unverantwortliche Rüstungstransfers verhindern soll", lobt Verena Haan, Rüstungsexpertin von Amnesty International in Deutschland. "Angesichts der ökonomischen Interessen und der politischen Macht der Waffenproduzenten ist der Abschluss dieses Abkommens ein großer Erfolg für die Zivilgesellschaft, die seit Jahren für das Abkommen gekämpft hat, sowie für die Regierungen, die diese Forderung unterstützt haben", meint auch Amnesty-Rüstungsexperte Mathias John.

Trotz der verständlichen Freude über den Erfolg räumen aber gerade die Verfechter eines starken und wasserdichten Vertrages ein, dass es sich um einen Kompromiss mit Licht und Schatten handelt. Darum kritisieren sie die zahlreichen Defizite, Ausnahmeregeln und rechtlich unverbindlichen Kann-Bestimmungen des Abkommens. Diese Schwächen betreffen vor allem die Artikel zum Geltungsbereich des Vertrages, die Kriterien für die Genehmigung bzw. das Verbot von Rüstungsexporten, sowie die Vorschriften zur Umsetzung und Überwachung der Vertragsbestimmungen wie auch fehlende Sanktionsmöglichkeiten. "Das Problem, was wir insgesamt sehen, ist der Interpretationsspielraum", bemängelt Friedensforscher Jan Grebe vom Bonner Konversionszentrum BICC. "Es obliegt den Nationalstaaten, auszulegen, wann eine Kriegswaffe potenziell für die Verletzung von Menschenrechten missbraucht werden könnte. Von den Auslegungsmöglichkeiten werden die Exporteure Gebrauch machen."

Das Abkommen ist also alles andere als perfekt. Aber es ist ein Anfang um das weltweite Geschäft mit Tötungsinstrumenten völkerrechtlich zu regulieren, Völkermord und Kriegsverbrechen entgegenzuwirken, Menschenrechten größeres Gewicht zu verschaffen sowie Kriegstreibern wie auch Terroristen den Waffenzugang zu erschweren. Das bedeutet zwar noch keine reale Rüstungsreduzierung, könnte aber in bewaffneten Auseinandersetzungen und täglicher Gewalt Hunderttausenden Menschen Leben und Gesundheit erhalten, aber auch Schmerzen und Leid lindern.

Das Abkommen tritt 90 Tage nachdem es von 50 Staaten ratifiziert worden ist in Kraft. Nun wird es darauf ankommen, dass möglichst viele Staaten dem Vertrag schnellstmöglich beitreten, seinen Inhalt mit Leben erfüllen und sich für seine konsequente Auslegung und gewissenhafte Einhaltung einsetzen. Den politischen Willen vorausgesetzt, könnte die Konferenz der Mitgliedstaaten in der Folgezeit Schwachstellen nachbessern, Defizite beseitigen und eine strikte Vertragseinhaltung einfordern.

Kampf um die Ratifizierung

Die Waffenlobby hat den Kampf gegen die Ratifizierung des Vertrages bereits begonnen. In den USA macht die mächtige, über 5 Millionenen Mitglieder zählende, Organisation "National Rifle Association" (NRA) lautstark Front gegen die Vereinbarung zur Begrenzung des internationalen Waffenhandels. Geschäftsführer Wayne LaPierre droht unmissverständlich: "Ohne jede Entschuldigung, die NRA will keinen Vertrag, der das kostbare Recht gesetzestreuer Amerikaner beeinträchtigt, Waffen zu besitzen und zu tragen. Es sollte keine Unklarheit darüber geben, dass jeder Vertrag, der den Besitz ziviler Feuerwaffen beinhaltet, auf die stärkste Opposition der NRA treffen wird." Die Organisation stützt ihren Kampf vor allem auf den sogenannten zweiten Verfassungszusatz, der das Recht der Amerikaner auf Waffentragen festschreibt. Doch in ihrer ideologischen Verblendung scheuen die Waffennarren auch vor offensichtlichen Unwahrheiten nicht zurück. "Sie versuchen ihre Mitglieder damit zu schrecken", so entlarvt der Chef der rüstungskritischen Arms Control Association Daryl Kimball die Demagogie der NRA, "dass dieser Vertrag ein Problem des innerstaatlichen Waffenbesitzes sei, was aber nicht der Fall ist." Mit der gleichen Demagogie verhinderte die NRA kürzlich im US-Senat die Annahme jeglicher Gesetze über schärfere Bestimmungen zum persönlichen Waffenbesitz. Nach dem Amoklauf in einer Grundschule der Kleinstadt Newtown im US-Bundesstaat Connecticut, bei dem im vergangenen Dezember zwanzig Kinder und sechs Erwachsene ihr Leben verloren, hatte die Regierung ein schärferes Waffenrecht wie beispielsweise die Überprüfung von potentiellen Waffenkäufern angestrebt, um zu verhindern, dass Geisteskranke und Kriminelle an Waffen gelangen. Doch der Gesetzesentwurf scheiterte im Senat. Präsident Obama beklagte nach der Abstimmung, es sei "ein beschämender Tag für Washington" und fand drastische Worte: "Die Waffenlobby und ihre Verbündeten lügen absichtlich über das Gesetz. Sie behaupten, dass es eine Art ‚big brother’-Registrierung bedeute, obwohl es genau das Gegenteil ist… und leider dient diese Art der Verbreitung von Unwahrheiten einem Ziel. Denn die Lügen putschen eine starke Minderheit von Waffenbesitzern auf und diese schüchtern ihrerseits eine große Zahl von Senatoren ein." Nun steht zu befürchten, dass die gleiche Taktik ebenfalls bei der Ratifizierung des Waffenhandelsvertrages angewendet wird. Bekanntlich braucht es dafür die Zustimmung von Zwei Dritteln der 100 Senatoren im US-Kongress.

Die größten Waffenexporteure 2007 - 2011

Land globaler Anteil in % Hauptempfänger
USA 30 Südkorea, Australien, Vereinigte. Arab. Emirate
Russland 24 Indien, China, Algerien
Deutschland 9 Griechenland, Südkorea, Südafrika
Frankreich 8 Singapur, Griechenland, Marokko
Großbritannien 4 Saudi-Arabien, USA, Indien

 
Die größten Waffenimporteure 2007 - 2011

Land globaler Anteil in % Hauptlieferanten
Indien 10 Russland, Großbritannien, Israel                    
Südkorea        6 USA, Deutschland, Frankreich
Pakistan 5 China, USA, Schweden
China 5 Russland, Frankreich, Schweiz
Singapur 4 USA, Frankreich, Deutschland

Quelle: SIPRI-Jahrbuch 2012
http://books.sipri.org/product_info?c_product_id=443

"Da eine wohl organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika

Veröffentlicht am

05. Juni 2013

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