Deutsche Friedens- und SicherheitspolitikVon Jürgen Grässlin - Einführung bei einer Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl am 23. Juli 2013 am Goethe-Institut Freiburg
in meiner Einführung zur Problematik der "Deutschen Friedens- und Sicherheitspolitik" will ich mich auf einige zentrale Punkte beschränken - allen voran auf die Militarisierung der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik. Deutschland im Jahr 2013 befindet sich im Krieg. Dieser dramatische Umstand erklärt sich mit dem Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee, eingeleitet Anfang der Neunzigerjahre. Als Vorwand dienten sogenannte "humanitäre Interventionen", wie in Somalia 1993/1994, als die seitens der westlichen Welt gelieferten Waffen wieder eingesammelt wurden. Nach Kambodscha wurden Bundeswehrsoldaten als "Engel von Phnom Penh" geschickt, nach und nach letzte Hürden abgebaut. Was die christlich-liberale Bundesregierung unter Helmut Kohl und Klaus Kinkel begann, wurde von rot-grün unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer vollendet. Seit mehr als zehn Jahren kämpfen und töten Bundeswehrsoldaten in Afghanistan - mit Zustimmung einer übergreifenden Parteienkoalition von CDU/CSU, FDP, SPD und GRÜNEN. Der frühere Verteidigungsminister Peter Struck, SPD, definierte neu: "Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt." Heute ist die Bundeswehr Teil einer weltweiten Militärstrategie von NATO und EU. Zu den Zielen von Bundeswehreinsätzen im Ausland zählt auch die Sicherstellung des eigenen Exports und des ungehinderten Zugangs zu Rohstoffen und Märkten. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler verkündete im Mai 2010 ehrlicherweise, "dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege […] Es wird wieder sozusagen Todesfälle geben. […] Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren." Nicht minder deutlich waren die Worte des amtierenden Verteidigungsministers Thomas de Maizière vom Juli 2011: "Zum Aufgabenspektrum der Bundeswehr gehören heute auch die Auslandseinsätze. Die können gefährlich sein - Töten und Sterben gehören dazu." Krieg ist zum Dauerzustand und damit zur Normaloption deutscher Sicherheitspolitik geworden. Die von der Friedensbewegung und weiten Teilen der Bevölkerung geforderte nichtmilitärische Konfliktlösung steht dieser Politik diametral entgegen. Deutschland im Jahr 2013 befindet sich im Krieg. Als weltweit drittgrößter Rüstungsexporteur ist Deutschland in nahezu alle militärisch ausgetragenen Konflikte involviert. Vielfach werden verfeindete Staaten hochgerüstet, werden menschenrechtsverletzende Regime an der Macht gehalten, kriegsführende Staaten bis an die Zähne bewaffnet. Neu allerdings ist die Merkel-Doktrin, die einen anderen Ansatz in sich birgt als Truppen zu entsenden: Zukünftige Bundeswehreinsätze sollen durch Waffenexporte ersetzt werden. So verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Bundeswehrtagung in Strausberg im Oktober 2012: Es liege "in unserem Interesse, wenn wir Partner dazu befähigen, sich für die Bewahrung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen wirksam ein zu setzen". Auch beim Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung in Berlin hatte sie im September 2011 klare Worte gefunden: Staaten, die bereit seien, sich zu engagieren, müssten dazu befähigt werden. "Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein", so die Kanzlerin. Deutschland im Jahr 2013 befindet sich im Krieg. Kein Wunder also, dass die Blitzlichter vom Sommer 2013 die Sprache des Krieges sprechen:
Waffengewalt löst keine Konflikte. Dementsprechend fordern wir seitens der Friedensbewegung u.a.:
Am 22. September 2013 ist wieder Bundestagswahl. Vor dieser Bundestagswahl versprechen uns Regierungs- wie Oppositionsparteien einmal mehr eine Politik von Frieden und Freiheit, Abrüstung und der Wahrung von Menschenrechte. Nach den letzten Bundestagswahlen sahen wir Bürgerinnen und Bürger uns vielfach getäuscht - letztlich von allen fünf Parteien, die bislang in einer Bundesregierung vertreten waren. Was also passiert bezüglich der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, wenn die CDU/CSU/FDP-geführte Bundesregierung im Amt bleibt? Was ändert sich im Falle eines wie immer gearteten Regierungswechsels? Noch steht die LINKE in ihrer Programmatik den Forderungen der Friedensbewegung nahe. Welche Positionen verrät die Partei im Falle einer Regierungsbeteiligung? Mich interessiert sehr, welche Aussagen die Parteienvertreter heute Abend treffen. Viel mehr aber interessiert mich, welche der Versprechungen nach dem 22. September noch Gültigkeit besitzen. In diesem Sinne wünsche ich uns heute vor allem eine ehrlich geführte Diskussion mit dem Ziel, Friedenspolitik nichtmilitärisch zu definieren. Vielen Dank. Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD), Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.) und der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!". Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale Bestseller. Zuletzt verfasste er das "Schwarzbuch Waffenhandel". Grässlin wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem "Aachener Friedenspreis".
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