Die Bomben bleiben explosivKonferenz in Sambia prüft Wirkung des Verbots von Streumunition / Waffenproduzenten suchen LückenVon Wolfgang Kötter Eine Streubombe besteht aus vielen Bomben. Die töten und verstümmeln wahllos und unberechenbar - eine unmenschliche, geächtete Waffe. Es gibt sie aber weiterhin. In Sambias Hauptstadt Lusaka hat Außenminister Effron Lungu am Montag die vierte Staatenkonferenz zur Konvention über die Ächtung von Streumunition eröffnet. Drei Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages am 1. August 2010 werden die erreichten Fortschritte bei der Umsetzung des Verbots eingeschätzt und weitere Aufgaben beraten. Das Hauptaugenmerk soll in nächster Zeit auf die Erreichung der universellen Mitgliedschaft des Abkommens gerichtet sein. Bisher haben 112 Staaten das Abkommen unterschrieben. In Kraft getreten ist es nach der Ratifizierung für 83 von ihnen. Es fehlen allerdings einige der größten Produzenten von Streumunition wie Ägypten, Brasilien, China, Indien, Israel, Südkorea, Russland und die USA. Weitgehende VertragsverpflichtungenDer Vertrag verpflichtet die Mitgliedstaaten, Streumunition nicht einzusetzen, zu entwickeln, zu produzieren, anzuschaffen, weiterzugeben oder zu lagern. Sämtliche vorhandenen Bestände müssen innerhalb von 8 Jahren zerstört werden, Blindgänger sollten nach 10 Jahren geräumt und vernichtet sein. Notfalls können die Frist aber auch verlängert werden. Weitgehende Bestimmungen regeln Räumpflichten, Unterstützung der betroffenen Länder und die Opferhilfe sowohl für die betroffenen Einzelpersonen als auch ihre Angehörigen und Familien. Die Vertragsstaaten müssen medizinische Versorgung, physische Rehabilitation, finanzielle, soziale und psychologische Unterstützung der Leidtragenden gewähren. Darüber hinaus enthält der Text eine detaillierte Liste mit konkreten Aktionen, um den Opfern zu helfen. Oftmals unschuldige Opfer der heimtückischen WaffenStreumunition besteht aus bis zu Tausenden kleinen Sprengkörpern. Sie wird von Flugzeugen abgeworfen, kann aber auch mit Raketen oder Geschützen verschossen werden. Die mit Submunition gefüllten Mantelprojektile öffnen sich noch in der Luft und verbreiten bis zu 200 "Bomblets", deren Füllung wiederum aus Splittergeschossen oder Minen bestehen kann. Streumunition, verteilt innerhalb kurzer Zeit enorme Mengen an Sprengkörpern über Flächen, die sich von der Größe einiger Fußballfelder bis zu mehreren Hundert Hektar erstrecken können. Manche explodieren beim Aufprall auf gegnerische Panzer, Fahrzeuge oder auf den Erdboden, oft jedoch bleibt dies durch eine dichte Vegetation oder weichen Untergrund zunächst aus. Bei einer Blindgängerquote von bis zu 40 Prozent verwandelt sich Cluster-Munition dann zu Landminen, die ganze Landstriche verseuchen und willkürlich Menschen töten oder verstümmeln, die in den betroffenen Gebieten leben oder arbeiten. Über 40 Länder und Territorien sind von Streumunition betroffen. Zu den Opfern gehören immer wieder viele Zivilisten, Frauen und Kinder. Zuletzt wurden Streubomben im Libanonkrieg Israels vom Sommer 2006, im Kaukasuskonflikt 2008 und 2010 in Jemen eingesetzt. Auch im gegenwärtigen Bürgerkrieg in Syrien wird Informationen der Organisation "Human Rights Watch" zufolge Streumunition angewendet. Die Streubomben wurden in dicht bevölkerten Gebieten eingesetzt. 165 syrische Streubomben-Opfer wurden allein 2012 erfasst, dies sind fast 90 Prozent der weltweit in diesem Zeitraum identifizierten Opfer. Die Hilfsorganisation "Handicap International" ist seit dem Sommer 2012 im Libanon, in Jordanien und seit Anfang dieses Jahres auch in Syrien selbst für die Opfer des syrischen Konfliktes im Einsatz. Die Organisation hat zahlreiche Risikoaufklärungsaktivitäten durchgeführt, um die syrischen Flüchtlinge über die Gefahren von Streubomben und nicht explodierten Kriegsresten zu sensibilisieren. Ein erfolgreicher VertragDas Abkommen ist der jüngste multilaterale Abrüstungsvertrag und einer der größten Erfolge für die Internationale Kampagne gegen Streumunition (Cluster Munition Coalition - CMC). Angesichts der durch die Lobby von Bombenproduzenten, Waffenhändlern und Militärs betriebenen Verschleppungstaktik in den traditionellen Verhandlungsgremien verbündete sich die Koalition mit abrüstungswilligen Staaten. Gemeinsam mit Norwegen, Neuseeland, Österreich, Peru und Mexiko begannen sie im Februar 2007 den "Oslo-Prozess". Nach der norwegischen Hauptstadt folgten weitere Treffen in Lima, Wien, Wellington und die abschließenden Vertragsverhandlungen in Dublin. Im Dezember 2008 wurde der Vertrag dann in Oslo unterzeichnet. Ebenso wie der Ottawa-Vertrag zum Verbot von Anti-Personen-Minen von 1997 ist das Verbot von Streumunition nicht zuletzt den engagierten Aktivitäten der Zivilgesellschaft in der ganzen Welt zu verdanken. Besonders durch die Hilfsorganisationen, die seit jeher argumentieren, dass die überwiegende Mehrheit der Opfer Zivilisten sind und über deren Leiden informieren, kam dieses Abkommen so schnell zustande. Es bleibt noch viel zu tun!Zu Recht würdigt die Leiterin der Anti-Streumunitions-Kampagne Sarah Blakemore den Vertrag als großen Erfolg, zumal die weltweite Unterstützung für das Verbot maßgeblich gefestigt worden sei. Doch bleibe noch viel zu tun: "Jeder Staat kann und sollte dem Übereinkommen über Streumunition beitreten." Aber noch ist es bis zur universellen Mitgliedschaft ein weiter Weg. 29 der Unterzeichnerstaaten haben den Vertrag noch nicht ratifiziert und in letzter Zeit ist es kaum gelungen, weitere Vertragsmitglieder zu gewinnen. Die Umsetzung der Vertragsbestimmungen verläuft mit Licht und Schatten. Ermutigend ist, dass sich die Vertragsstaaten offensichtlich an das Verbot halten, denn seit Inkrafttreten des Übereinkommens hat keiner von ihnen Streubomben eingesetzt. Bei der Zerstörung von vorhandenen Beständen, der Räumung betroffener Gebiete und der Unterstützung der Opfer konnten bedeutende Erfolge erzielt werden. Mit der Vernichtung ihrer Arsenale haben laut Konferenzbericht 32 der 34 gemeldeten Staaten begonnen und 15 von ihnen konnten sie sogar bereits beenden. Zehn Staaten sind dabei, ihre munitionsverseuchten Gebiete zu säubern und drei weitere sind bereits wieder völlig frei von Blindgängern. Im Jahr 2012 wurden 78 km² Land geräumt, 40 Prozent mehr als im Jahr 2011. Nach Angaben des "Cluster Munition Monitor 2013" wurden bisher rund 120 Mio. Stück Submunition vernichtet, das sind etwa 70 Prozent der gemeldeten Bestände. Insgesamt hat sich die Anzahl der Unfälle mit Blindgängern aus Streumunition in den vergangenen Jahren deutlich verringert. Der Handel mit Streumunition ist weltweit zurückgegangen. Doch die jetzt bekannt gewordenen Pläne der USA, 1.300 Streubomben im Wert von 641 Millionen Dollar an Saudi-Arabien zu verkaufen, treffen auf den energischen Protest von rüstungskritischen Organisationen. "Mehr als die Hälfte der Staaten hat Streumunition geächtet. Damit stößt jeder Transfer dieser Waffen auf internationale Ablehnung", kritisiert CMC-Chefin Blakemore: "Die US-Entscheidung, Streubomben nach Saudi-Arabien zu exportieren, enttäuscht uns sehr, zumal beide Staaten die negativen Folgen dieser Waffen auf die Menschen anerkannt haben. Die USA sollten das Abkommen über das Verbot von Streumunitionsexporten akzeptieren und die Kriterien für ihr Exportmoratorium überdenken." Waffenlobby sucht SchlupflöcherDie Waffenproduzenten fürchten seit dem Verbot um Ihre Profite und versuchen, Schwachstellen des Verbots auszunutzen. Auch deutsche Unternehmen wie Diehl oder Rheinmetall machen mit Waffenverkauf und -export große Profite. Recherchen von Nichtregierungsorganisationen belegen, dass Banken in Deutschland wie z.B. die Bayerische Landesbank, die Commerzbank und die Deutsche Bank in Produzenten von Streumunition investieren, an diese Kredite vergeben bzw. deren Vermögensmanagement betreiben. Der Oslo-Vertrag verbietet derartige Investments in Hersteller von Streumunition und fordert nationale Gesetze, die ein solches Verbot festschreiben. Trotz des Verbots bleibt sogenannte intelligente Streumunition weiterhin erlaubt. Das trifft wie auch einige andere inkonsequente Regelungen zu Recht auf Kritik. So sind bestimmte Arten von High-Tech-Munition vom Verbot ausgenommen, z.B. sensorengesteuerte Punktzielmunition, mit elektronischen Selbstzerstörungs- und Deaktivierungseinrichtungen ausgerüstete Streuminen wie auch Dispenserwaffen, mit denen Streumunition verschossen werden kann. Ebenso ist die Entwicklung und Produktion neuer Bombentypen nicht ausgeschlossen. Die größte Schwachstelle des Vertrages aber verbirgt sich im Artikel 21. Er erlaubt den Mitgliedsstaaten, an gemeinsamen Militäraktionen mit Nicht-Vertragsstaaten teilzunehmen, also beispielsweise an NATO-Einsätzen mit den USA, selbst wenn diese Streumunition einsetzen. Auch sollen US-amerikanische Bomben weiterhin in Stützpunkten der NATO-Partner gelagert werden dürfen. Die Gegner von Streumunition fordern deshalb von der Bundesregierung, dass sie auch bei ihren internationalen Partner und Verbündeten aktiv für eine Einhaltung des Verbots dringt und den Abzug der auf deutschem Boden gelagerten US-amerikanischer Streumunition verlangt. Aus dem Bericht der internationalen Streubombenkampagne - Cluster Munition Monitor 2013
Quelle: Handicap International 5 große Produzentenstaaten haben den Vertag nicht unterzeichnetDie USA haben erklärt, dass sie die bisher bestehenden juristischen Instrumente als ausreichend empfänden, um die Frage von Streumunition zu klären, und dass sie den Oslo-Prozess über ein Verbot dieser Waffen als unnütz betrachten. Indien erklärte, dass Streumunition legitime und legale Waffen darstellten und von militärischem Interesse seien. Russland erklärte, dass es kein juristisches Instrument unterstützen werde, das seine Verteidigungsmacht schwächen könnte. Die Volksrepublik China erklärte, dass das Protokoll der UN-Waffenkontrollverhandlungen von 1980 zur Räumung aller explosiven Überreste des Krieges das einzig angemessene Instrument sei, um die Frage von Streumunition zu klären. Brasilien erklärte, dass es sich eindeutig gegen ein Verbot von Streumunition ausspreche. Quelle: Handicap International Deutschland Einsätze von Streumunition im 21. Jahrhundert
Quellen: Human Rights Watch, Amnesty International Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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