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Neue Deutsche U-Boot-Klasse für Singapur

Von Otfried Nassauer

Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) hat erneut ein Milliardengeschäft mit U-Booten abgeschlossen. Und was für eins. Der Stadtstaat Singapur hat am 29.11.2013 zwei neue U-Boote der TKMS-Tochter HDW bestellt, die ab 2020 ausgeliefert werden sollen. Zwei weitere könnten später folgen. Die Boote und das zugehörige Ausbildungs- und Logistikpaket haben einen Wert von etwa 1,6 Milliarden Euro. Sie sind damit etwa doppelt so teuer wie die modernen Brennstoffzellen-U-Boote der Klasse 214, die TKMS normalerweise verkauft. Deutlich teurer auch als die Dolphin-Boote, die derzeit für Israel gefertigt werden. Das Ausfuhrgeschäft wird von deutschen Hermesbürgschaften im Gesamtwert von rund 1,7 Milliarden Euro begleitet.

Rätselraten löste zunächst die Bezeichnung der bestellten Boote aus. Sie werden als Klasse 218SG tituliert, eine Bezeichnung, die HDW bislang nicht öffentlich verwendet hat. Die Exportversionen der neuen U-Boot-Generation von HDW werden als Klasse 214 bezeichnet. Zudem existiert auf dem Papier das Konzept für ein etwa doppelt so großes U-Boot der 4.000 Tonnen-Kategorie unter Bezeichnung Klasse 216. Eine Klasse 218 dagegen existierte bislang nicht.

HDW selbst beschreibt die Singapur-Boote als dem Kundenwunsch angepasste Boote. Das signalisiert, dass ein vorhandenes U-Boot-Design als Grundlage benutzt wurde. U-Boote werden in aller Regel nicht von der Stange, sondern als Maßanfertigungen ver- und gekauft. Der Kunde äußert seine Wünsche an Auslegung, Ausstattung und Fähigkeiten des Bootes und darüberhinaus wird dieses an die besonderen Bedingungen des künftigen Einsatzgebietes angepasst.

Die Boote für Singapur sollen nach Herstellerangaben Ausrüstung für zusätzliche Aufgaben an Bord nehmen, einen außenluftunabhängigen Antrieb haben und ein neues, hochentwickeltes Führungs-, Missionsplanungs- und Gefechtsführungssystem bekommen. Dieses soll von der Atlas Elektronik GmbH in Bremen und Singapore Technologies Engineering (STE) gemeinsam entwickelt werden. Die Beteiligung von STE spricht dafür, dass ein Teil der Leistungen für die neuen U-Boote in Singapur erbracht werden soll und der Preis der beiden Boote sogar noch höher sein könnte, als der für jene Leistungen, die durch die Ausfuhrbürgschaften Deutschlands abgesichert wurden.

Da die aktuellen Export-U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb bei HDW einen Preis von etwa 400-450 Millionen Euro pro Stück aufwiesen, kann spekuliert werden, ob Singapur deutlich größere Boote mit zusätzlichen Technologie- und System-Einbauten bestellt hat: Zum Beispiel mit einer Zusatzsektion gleich hinter dem Turm, die eine druckfeste vertikale Großschleuse enthält, aus der wahlweise und multifunktional Aufklärungsdrohnen, Flugkörper oder Kampfschwimmer zu ihren Einsätzen starten können. Eine solche Option bietet HDW in seinem Konzept für die größere Klasse 216 an. Auch bezüglich der Antriebssystem könnte Singapur zukunftsträchtige, aber teure Weiterentwicklungen gewünscht haben: HDW offeriert für die Zukunft Boote, die den Wasserstoff für ihre Brennstoffzelle mittels eines Methanolreformers an Bord herstellen und ihren Strom in leichten, platzsparenden Lithium-Ionen-Batterien speichern. Die Seeausdauer eines so ausgerüsteten Bootes kann auf über 80 Tage gesteigert werden und das Boot kann zudem bis zu vier Wochen ununterbrochen tauchen - wesentliche Vorteile in den Weiten des Pazifiks. Angesichts des sehr hohen Preises der Boote wäre das durchaus denkbar.

Für HDW, das sich um Aufträge Australiens, Kanadas, Südkoreas und Indiens bemühen will, die alle künftig deutlich größere Boote wünschen als HDW sie in der Vergangenheit hergestellt hat, könnte ein Bau-Auftrag für hochseegeeignete Boote mit einer Größe von mehr als 3.000 Tonnen ein willkommener Einstieg in ein neues Marktsegment darstellen, für den man bislang kein Referenzprojekt vorzuweisen hat. Dafür wäre Singapur dann Erstkunde. Und zudem ein Glücksfall: Denn Singapur ist ein finanziell potenter Kunde und lässt zumindest die ersten beiden Boote in Kiel bauen. Da sich bei dem ersten Boot einer neuen Klasse, dem Typboot, oft auch dessen Kinderkrankheiten zeigen, ist es von Vorteil, wenn TKMS dieses Boot auf seiner heimatlichen Hauptwerft in Kiel bauen kann.

Ein schwerer Schlag dürfte die Auftragsvergabe an die Kieler HDW jedoch für eine andere TKMS-Tochter sein. Der schwedische U-Boot-Bauer Kockums hatte lange gehofft, mit Schweden und Singapur gleich zwei finanziell potente Erstkunden für sein neues U-Boot des Typs A26 anwerben zu können. Schließlich hatte der Stadtstaat in der Vergangenheit bereits zwei Mal gebrauchte, intensiv modernisierte Kockums-U-Boote der schwedischen Marine gekauft und damit seine U-Boot-Flotte aufgebaut. Die älteren vier Boote der Challenger-Klasse will Singapur nun schrittweise ersetzen. Deshalb darf es als wahrscheinlich gelten, dass Singapur sich eine Option auf ein 2. Los von zwei weiteren Booten vertraglich gesichert hat.

Für Kockums stellt die Entscheidung für die Klasse 218 dagegen einen schweren Rückschlag dar. Die traditionsreiche Firma muss nun schauen, ob sie genug Geld allein aus dem schwedischen Verteidigungshaushalt einwerben kann, um das Vorhaben A26 nicht nur zu entwerfen, sondern auch zu bauen. TKMS dagegen hat sich offenbar entschieden, das HDW-Angebot für Singapur konzernintern zu favorisieren, weil es für weitere Exportgeschäfte mit größeren U-Booten im Pazifik-Raum eine wichtige Türöffner-Funktion haben kann. Dies gilt vor allem mit Blick auf Australien, einen weiteren Altkunden von Kockums. Australien plant im Rahmen des Projektes SEA 1000 bis 2030 12 bis zu 4.500 Tonnen große U-Boote zu beschaffen, in die es nach Medienangaben bis zu 30 Mrd. Australische Dollar, also rund 20 Mrd. Euro investieren will. TKMS favorisiert offenbar, dass HDW erfolgreich um diesen Auftrag mitbietet; die schwedische Tochter Kockums wird dagegen offenbar nur als 2. Wahl betrachtet.

Medienberichten zufolge hat TKMS Kockums bereits in Singapur so stark benachteiligt, dass in Schweden eine Diskussion aufkam, ob TKMS beabsichtige, seine schwedische Tochter als potentiellen Wettbewerber seiner deutschen Konzerntochter auszuschalten. Dafür könnte auch sprechen, dass Kockums jüngst in TKMS AB umbenannt wurde. Der traditionsreiche Markenname wird also nur noch als Produktname weiterleben. Kockums könnte schweren Zeiten entgegen, wenn die schwedische Regierung nicht bald neue U-Boote bestellt.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

Quelle: BITS - 30.12.2013. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer.

Veröffentlicht am

08. Januar 2014

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