Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Wir trauern um Ulli Thiel - Sein Vermächtnis: “Frieden schaffen ohne Waffen”

Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 81 vom Juni 2014 Der gesamte Rundbrief Nr. 81 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 1.181 KB.

Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.
Diese sind unentbehrlich.

(Bertolt Brecht)

Die Sätze von Bertolt Brecht sind mir wieder in den Sinn gekommen, als ich vom Tod unseres Freundes und Lebenshaus-Mitglieds Ulli Thiel am 10. April hörte. In seiner mitmenschlichen Art und mit seinem fast sein ganzes Leben andauernden unermüdlichen Einsatz für eine gerechte und friedliche Welt ohne Waffen und Gewalt, mit seiner Sanftmut und seiner Kreativität war Ulli ein unentbehrlicher Weggefährte. Und dennoch müssen wir ihn nun entbehren.

Noch im Dezember hatte ich anlässlich seines runden Geburtstags in meinem Artikel "Ideengeber und engagierter Friedensaktivist: Ulli Thiel wird 70 Jahre alt" den Wunsch zum Ausdruck gebracht, " dass er sich noch viele weitere Jahre für Frieden und Gerechtigkeit engagieren kann." Dieser Wunsch ist leider nicht in Erfüllung gegangen. Dass Ulli bereits vier Monate nach seinem 70. Geburtstag sterben würde, das ahnte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht. Vermutlich nicht einmal er selber. Jedenfalls hatte ich diesen Eindruck, als er mich noch im Dezember anrief und seine Freude über seine Würdigung in unserem Rundbrief zum Ausdruck brachte. Und immerhin hatte er doch schon mehr als ein Vierteljahrhundert einer heimtückischen Erkrankung widerstanden - warum sollte das nicht noch länger weitergehen? Warum sollte er sich nicht weitere Jahre so für Frieden und Gerechtigkeit engagieren können und dürfen, wie die Jahre und Jahrzehnte zuvor?

In den frühen 1970er Jahren bin ich ziemlich unbedarft als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr gelandet. Geschockt darüber, wie das geschehen ist, habe ich mich auf die Suche nach neuer Orientierung gemacht. Nach und nach sind dabei der Pazifismus und die Gewaltfreiheit in mein Blickfeld gekommen. Und ich bin auf pazifistische Organisationen wie den Internationalen Versöhnungsbund und die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) gestoßen, von deren Ausrichtung ich mich so angezogen fühlte, dass ich jeweils Mitglied wurde. Ulli Thiel als damaliger Landesgeschäftsführer der DFG-VK Baden-Württemberg gehörte deshalb für mich von Beginn meiner pazifistischen Orientierung an zu jenen Menschen, welche solchen Organisationen ein Gesicht verleihen. Und die für eine bestimmte Ausrichtung stehen. "Frieden schaffen ohne Waffen", dieses von Ulli geschaffene berühmt gewordene Motto der Friedensbewegung brachte für mich treffend auf den Punkt, um was es ging.

Als ich dann ab 1983 für rund acht Jahre dem Landesvorstand der baden-württembergischen DFG-VK angehörte, ist eine Freundschaft mit Ulli entstanden. Aber auch später, als ich als Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe des Versöhnungsbundes einmal jährlich eine Landestagung zu organisieren hatte, genügte eine Anfrage an Ulli und schon übernahm er die Organisation vor Ort in Karlsruhe und brachte sich dann immer sehr konstruktiv in den Ablauf einer solchen Veranstaltung ein.

Über die fruchtbare Zusammenarbeit hinaus ist Ulli Thiel für mich in den vergangenen mehr als dreieinhalb Jahrzehnten immer eines geblieben: ein leuchtendes Vorbild in Sachen Engagement für Frieden und Gerechtigkeit. Er blieb seiner Sache treu und bot mir wichtige Orientierung. Etwa als 1999 reihenweise Menschen aus der Friedensbewegung und von den Grünen zu Bellizisten mutierten und nun plötzlich für Krieg gegen Serbien eintraten. Ulli gehörte zu denjenigen, die unbeirrt am Pazifismus und an der Überzeugung festhielten, dass Frieden nur ohne Waffen zu schaffen sei.

Auch wenn es nicht stimmt was jetzt anlässlich seines Todes Presseberichten zu entnehmen war, Ulli sei Gründungsmitglied beim Lebenshaus Schwäbische Alb gewesen, so ist er doch zu unserer großen Freude schon sehr früh Mitglied in unserem Verein geworden. Dabei war es aufgrund der räumlichen Entfernung klar, dass er zwar unser Engagement mit seiner Mitgliedschaft unterstützen wollte, andere Organisationen aber den Handlungsrahmen für seine eigenen Aktivitäten bildeten. Ganz zentral lag ihm die DFG-VK am Herzen, wo er sich im Laufe der Jahrzehnte auf Gruppen-, Landes- und Bundesebene engagierte. In anderen Organisationen wie etwa der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden, im Friedensbündnis Karlsruhe und im Beirat der Arbeitsstelle Frieden der Evangelischen Landeskirche Baden hat er sich ebenfalls für Frieden und Gerechtigkeit engagiert.

Als Lebenshaus sind wir sehr dankbar dafür, dass Ulli Thiel uns durch seine jahrelange Mitgliedschaft und freundschaftliche Verbundenheit unterstützt hat. In einem Brief zum 15-jährigen Jubiläum des Lebenshauses 2008 hat er seinen Bezug zu unserem Verein einmal beschrieben, weshalb wir ihn hier dokumentieren wollen (siehe Kasten unten).

"Frieden schaffen ohne Waffen" - an dieser Ausrichtung hat Ulli Thiel bis zuletzt festgehalten und es war ihm noch in seinen letzten Tagen wichtig, dass wir uns weiter dafür engagieren. Dieses Vermächtnis wird uns Ansporn für unser weiteres Engagement sein. Und über seinen Tod hinaus wird uns Ulli mit seinem Leben und seinem Engagement weiter Vorbild und Ermutiger bleiben.

Brief von Ulli Thiel zum 15-jährigen Lebenshaus-Jubiläum 2008

… Mit dem Lebenshaus Schwäbische Alb und seiner Arbeit fühlte ich mich - trotz räumlicher Distanz - gleich von Anfang an sehr verbunden. Bald nach der Gründung bin ich dann auch Mitglied geworden. Ein Grund für diesen engen Kontakt liegt sicherlich auch in der Freundschaft, die mich mit dir, Michael, seit Anfang der 1980-er Jahre in der gemeinsamen Friedensarbeit auf Landesebene in der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und im Versöhnungsbund verbindet. Vieles haben wir zusammen in den zurückliegenden drei Jahrzehnten initiiert und organisiert - und dabei vielleicht auch einige Anstöße zu einer positiveren Entwicklung gegeben.

Auch wenn ich die Arbeit des Lebenshauses fast ausschließlich nur durch die Lektüre des Rundbriefes und durch Gespräche mitverfolgt habe, so ist bei mir dennoch ein sehr klares Lebenshaus-"Bild" entstanden: ein sehr beeindruckendes Bild. Dieses Bild zeigt so viele positive Züge auf, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Ich will mich deshalb auf einige Qualitäten eurer Arbeit beschränken, die euch "Lebenshäusler" - in meinen Augen - besonders auszeichnen und euch von anderen vergleichbaren Initiativen unterscheiden:

  • Ich kenne keine andere Gruppe in Baden-Württemberg, der es so - wie euch - gelungen ist, das Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung so eng miteinander zu verknüpfen und dabei in allen drei Bereichen eine so nachhaltige Wirkung zu erreichen.
  • Die Verzahnung von ganz konkreter praktischer Arbeit mit inhaltlichen, theoretischen und spirituellen Reflektionen ist sicherlich auch nur selten bei anderen "Vereinen" in der Intensität und Qualität anzutreffen, wie dies beim Lebenshaus der Fall ist.
  • Für mich und viele andere Aktive in sozialen Bewegungen ist der Lebenshaus-Newsletter eine ganz wichtige, unverzichtbare Informationsquelle in der politischen Arbeit. Nirgendwo sonst habe ich bisher einen so aktuellen und professionell gemachten Infodienst gefunden.
  • Ich bin auch schon sehr lange in der Friedensbewegung aktiv. Manches wurde sicherlich dadurch erleichtert, weil es sich in der Großstadt abgespielt hat. - Ob ich auch so lange durchgehalten hätte, wenn ich - wie ihr - in einer sehr ländlichen und politisch konservativen Gegend gewohnt hätte, weiß ich nicht.

Euch vom Lebenshaus-Vorstand und -Aktivenkreis gehört deshalb für euer bisheriges 15-jähriges Wirken meine ganz große Anerkennung und Bewunderung. Ich hoffe darauf, euch weiterhin - leider nur aus der Ferne - noch viele Jahre bei eurer Arbeit begleiten und unterstützen zu können.

In freundschaftlicher Verbundenheit gratuliere ich euch zum 15. Geburtstag!

Ich wünsche euch ein schönes Jubiläumsfest und grüße herzlich

Ulli Thiel, Karlsruhe

Vorschlag für den Stuttgarter Friedenspreis 2014: Ulli und Sonnhild Thiel, Pazifisten und baden-württembergische Friedensaktivisten

Jedes Jahr werden durch das BürgerInnenprojekt Die AnStifter Menschen mit dem "Stuttgarter Friedenspreis" ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für „Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität” einsetzen. Von Friedensfreunden und aus dem Umfeld der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) wurden Anfang Februar die Pazifisten Ulli und Sonnhild Thiel aus Karlsruhe für den diesjährigen Preis vorgeschlagen. Dieser Vorschlag erreichte Ulli Thiel Mitte März, nachdem er als "austherapiert" aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen wurde. Er hat sich sehr darüber gefreut. Auch wenn Ulli inzwischen leider verstorben ist, verdient die gemeinsame Lebensleistung von ihm und Sonnhild Respekt, Dank und Anerkennung. Deshalb, so der nachträglich modifizierte Vorschlag, soll Sonnhild Thiel den Stuttgarter Friedenspreises 2014 erhalten.

Die Begründung für diesen Vorschlag findet sich hier:

Fußnoten

Veröffentlicht am

21. Juni 2014

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