“100 Jahre Erster Weltkrieg – 125 Jahre ‘Die Waffen nieder’”Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 81 vom Juni 2014Der gesamte Rundbrief Nr. 81 kann hier heruntergeladen werden: PDF-Datei , 1.181 KB.) Liebe Freundinnen und Freunde, in diesen Wochen erlebe ich wieder einmal, wie das Grün aus den Bäumen sprießt, Blumen blühen, Vögel am frühen Morgen ihre Melodien zwitschern - einfach wunderbar, wie die Natur nach jedem Winter wieder zu neuem Leben erwacht. Allerdings weiß ich, dass die unermesslichen Naturkräfte nicht unerschöpflich sind. Raubbau durch Menschen zum Beispiel kann Lebenskräfte in der Natur unwiederbringlich zerstören. Leider haben auch die Lebenskräfte unseres lieben Freundes und Lebenshaus-Mitglieds Ulli Thiel nicht mehr ausgereicht, um einer langjährigen Erkrankung weiter zu widerstehen. Mit großer Betroffenheit und Trauer haben wir die Mitteilung erhalten, dass er am 10. April 2014 in seiner Heimatstadt Karlsruhe verstorben ist. "Frieden schaffen ohne Waffen" - dieses Vermächtnis von Ulli wird uns Ansporn für unser weiteres Engagement bleiben. Wir werden uns dabei an vieles von ihm immer wieder erinnern. Eine ausführliche Würdigung findet sich in diesem Rundbrief.Siehe ebenfalls: Wir trauern um Ulli Thiel - Sein Vermächtnis: "Frieden schaffen ohne Waffen" . 100 Jahre Erster Weltkrieg - 125 Jahre "Die Waffen nieder!"Vor 100 Jahren wurde der Erste Weltkrieg begonnen, an dem sich schließlich 40 Staaten beteiligten. Insgesamt standen rund 70 Millionen Menschen unter Waffen. Der Krieg entwickelte sich zu einem industriellen Massenmord, einem regelrechten "Menschenschlachthaus", der rund 17 Millionen Menschenleben forderte. Jahre und Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg gab es bereits Menschen, Organisationen und Institutionen, die sich gegen die vorherrschenden Ansichten bezüglich Krieg und Frieden engagiert hatten und die erreichen wollten, dass Krieg kein akzeptables Instrument zur Lösung von Konflikten zwischen Staaten mehr sein sollte. Die österreichische Baronin Bertha von Suttner wurde nach Erscheinen ihres Bestseller-Romans "Die Waffen nieder!" im Jahr 1889 - also vor 125 Jahren - zur unangefochtenen Führerin der bürgerlichen pazifistischen Bewegung. 1892 gründete sie gemeinsam mit Alfred Hermann Fried die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG), die dann bis 1914 immerhin 10.000 Mitglieder hatte. Doch solche und andere pazifistischen und antimilitaristischen Kräfte, die über die Gefahren und Leiden des Kriegs aufzuklären und die Vorteile und Möglichkeiten des Friedens vor Augen zu führen versuchten, waren zu schwach, um die Katastrophe des Ersten Weltkriegs abwenden zu können. Bertha von Suttner ist am 21. Juni 1914, eine Woche vor den Schüssen in Sarajevo, verstorben. 100 Jahre Internationaler VersöhnungsbundIm August 2014 feiert der Internationale Versöhnungsbund in Konstanz seinen 100. Geburtstag. Ullrich Hahn geht mit seinem Artikel "Pazifistinnen und Pazifisten organisieren sich" ausführlicher auf diese Entstehungsgeschichte ein.Siehe "Pazifistinnen und Pazifisten organisieren sich. Die Gründung des Versöhnungsbundes 1914" . Warum aber ausgerechnet der Versöhnungsbund so ausführlich im Lebenshaus-Rundbrief? Zunächst einmal, weil die Entstehungsgeschichte einer solch traditionellen pazifistischen Organisation auf breiteres Interesse stoßen könnte. Und dann gibt es gewisse Verbindungen zwischen Lebenshaus und Versöhnungsbund. So wurde das erste Lebenshaus in Trossingen aus der Regionalgruppe des Versöhnungsbundes Schwarzwald-Baar heraus gegründet. Dadurch bekamen wir die maßgeblichen Impulse und Ermutigung, um das Lebenshaus Schwäbische Alb zu gründen. Willi Haller und Ullrich Hahn seien hier besonders hervorgehoben. Auch später war die Unterstützung für uns von großer Bedeutung, ganz besonders in schwierigen Zeiten. Durch unsere langjährige Mitgliedschaft beim Versöhnungsbund sind wir damals auf das Lebenshaus Trossingen gestoßen. Unter den heutigen Mitgliedern, Unterstützerinnen und Unterstützern unseres Lebenshauses befinden sich eine ganze Reihe Mitglieder des Versöhnungsbundes. Für unsere inhaltliche Ausrichtung ist der Versöhnungsbund ebenfalls von Bedeutung. Wie dessen Mitglieder fühlen wir uns als Lebenshaus dem Grundanliegen der aktiven Gewaltfreiheit verpflichtet. Dahinter steckt die Überzeugung, dass es angesichts von Unrecht und Gewalt einen dritten Weg zwischen Nichtstun und Gegengewalt gibt: den der Einmischung aus der Kraft der Wahrheit und der Liebe. Wir sind überzeugt, dass Gewaltfreiheit ein Weg der persönlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderung ist und deshalb Hoffnung für die Welt bedeutet. Kalter Krieg II ?Leider ist es auch hundert Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs nicht gelungen, Krieg als Mittel der Konfliktaustragung abzuschaffen. Dies zeigt sich zum Beispiel an den aktuell etwa 30 Kriegen und an zahlreichen weiteren Gewaltkonflikten, die weltweit ausgetragen werden. Und die Situation in der Ukraine ist mehr als kritisch. Dort scheint eine Dynamik hin zu Krieg in Gang geraten zu sein und es kann nur gehofft werden, dass doch noch die Vernunft einkehrt. Die verschärfte Tonlage zwischen Russland und dem Westen in der Ukraine-Krise hat in Europa unter anderem eine Debatte über höhere Rüstungsausgaben ausgelöst. So kündigte etwa die schwedische Regierung mit Hinweis auf eine russische Bedrohung an, den Rüstungsetat steigern zu wollen, um mehr Kampfflugzeuge und U-Boote anzuschaffen. In Deutschland fordern auch CDU-Politiker eine Steigerung der Militärausgaben. Der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verlangt ohnehin seit längerer Zeit, die Mitgliedsstaaten sollten ihre Ausgaben für das Militär steigern. Und selbst in der als alternative Zeitung gegründeten taz vertritt deren Osteuroparedakteur Klaus-Helge Donath offen eine bellizistische Position. Allen Ernstes schreibt er, alle "EU-Staaten sollten gemeinsam beschließen, den Verteidigungshaushalt um mindestens ein Drittel anzuheben, parallel zum Aufstocken konventioneller Streitkräfte und technologischer Innovationen." (taz, 29.4.2014) Dem würde Putin nur wenig entgegensetzen können, habe er doch die heimische industrielle Basis eigenhändig demontiert. "Der Westen würde nur wiederholen, was US-Präsident Ronald Reagan in den 1980ern vorexerzierte. Totrüsten ohne Tote." Wie bitte, zurück in den Kalten Krieg in seiner übelsten und gefährlichsten Ausprägung?! Angesichts dieses Irrsinns muss für uns das Engagement für weltweite Abrüstung und Überwindung von Militär und Militarismus weiter auf der Tagesordnung bleiben. Verbot von Rüstungsproduktion und Rüstungsexporten, Zivile Konfliktbearbeitung, "Frieden schaffen ohne Waffen" und aktive Gewaltfreiheit sind weiter aktuell wie eh und je! RüstungsausgabenDie USA haben 2013 trotz einer Kürzung ihrer Militärausgaben immerhin 37 Prozent der weltweit gigantischen Rüstungsausgaben von 1,75 Billionen US-Dollar zu verantworten und damit mehr als siebenmal so viel wie Russland für ihr Militär ausgaben. Und mit 267 Milliarden US-Dollar übertrafen die EU-Staaten die russischen Militärausgaben immerhin um über das dreifache. Umgerechnet werden für jeden Erdenbürger über 260 Dollar im Jahr für Rüstung ausgegeben. 20 Dollar würden reichen, um die Armut zu halbieren. "Aufrüstung tötet auch ohne Krieg", hat Dorothee Sölle festgestellt. Alle Mittel für die Rüstung seien die größte vorstellbare Beraubung der Armen. Die Mittel für die Rüstung fehlen ebenfalls bei der Lösung der Klimakrise und beim Umweltschutz. Rüstung tötet ebenso, indem den ärmsten Ländern Waffen verkauft werden und dann dort die Ressourcen für dringende humane Zwecke fehlen. Schließlich tötet die Rüstung überall dort, wo sie direkt eingesetzt wird. "Wählt das Leben"Leben ist nicht nur durch Rüstung bedroht. Finanzkrise, Klimakatastrophe, Sterben der Arten, Ressourcenverknappung, Energiekrise, über 40 Millionen Tote als Folge von Hunger etc. weisen auf die grundlegende Gefährdung zukünftigen Lebens hin. Mit Ulrich Duchrow meine ich, dass alle diese Krisen eine zentrale Ursache haben: "Es ist die Zivilisation des Kapitalismus. Denn alle Bereiche des Lebens, Denkens und Fühlens sind inzwischen unter die Herrschaft des Geldes in der Form des Kapitals geraten. Und dieses hat nur ein Ziel: zu wachsen - ohne Rücksicht auf die Folgen." (Ulrich Duchrow: Das gierige Geld, in: Publik-Forum, Nr. 3/2014, S. 27ff.) "Wählt das Leben" - dieser biblische Imperativ war für Dorothee Sölle nicht nur der Titel eines ihrer Bücher, sondern die Herausforderung, allen verneinenden und tödlichen Kräften in der Gesellschaft, aber auch in der eigenen Seele entgegenzutreten. Wenn wir "das Leben wählen" dann sollten wir alle Anstrengungen stärken und unterstützen, Widerstand gegen unser aktuelles Zivilisationsmodell zu leisten und Alternativen zu entwickeln. Eine neue Kultur des Lebens ist dringend erforderlich. Wir dokumentieren in diesem Rundbrief die sehr eindrückliche "Mainzer Botschaft der Ökumenischen Versammlung 2014". Darin werden in knapper Form Aspekte von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung heute genannt und aufgezeigt, was Kirchen, Zivilgesellschaft und Einzelne tun können. Hilfreich könnte auch die Selbstverpflichtung sein, mit welcher die "Mainzer Botschaft" abgeschlossen wird.Siehe "Mainzer Botschaft der Ökumenischen Versammlung 2014" . Wichtig scheint mir, nicht gleichgültig zu werden und uns nicht entmutigen zu lassen angesichts der zahlreichen, riesengroßen Herausforderungen der Gegenwart. Deshalb wünsche ich uns allen genügend Kraft, Mut, Hoffnung und langen Atem für das notwendige Engagement. Wir brauchen einen langen Atem! Dabei sind wir alle angewiesen auf Solidarität, Achtsamkeit, Liebe und Mitgefühl. Herzliche Grüße Euer / Ihr Michael Schmid Stärken Sie Lebenshaus Schwäbische Alb für sein weiteres EngagementFür sein gesamtes Engagement ist Lebenshaus Schwäbische Alb fast ausschließlich auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen und Veranstaltungen wie die für diesen Herbst geplante Tagung, die Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen, die Personalkosten für eine 30-Prozent-Teilzeitstelle und einen Minijob sowie möglichst Abbau von Schulden erfordern erhebliche Finanzmittel. Deshalb bitten wir um Ihre/Deine Unterstützung. Im letzten Rundbrief haben wir an dieser Stelle über einen KfW-Kredit in Höhe von 60.000 € für die ökologische Gebäudesanierung aus dem Jahre 2008 berichtet und darüber, wie es zwischenzeitlich durch reguläre und durch Sondertilgungen gelungen ist, die Restschuld auf rund 14.000 € zu verringern und dadurch viele tausend € Zinsen einzusparen. Inzwischen ist es uns durch die Gewährung weiterer zinsloser Darlehen möglich geworden, auch diese Restschuld komplett zu begleichen. Dadurch konnten Zinsen in Höhe von ca. 700 € eingespart werden. Herzlichen Dank allen, die solche wunderbaren Vorgänge erst möglich machen! Jede Spende - groß oder klein - und jede Fördermitgliedschaft hilft! Und zinslose Darlehen sind ebenfalls nützlich. Wir bedanken uns herzlich für alle bisherige und zukünftige Unterstützung!
Der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. ist durch das Finanzamt Sigmaringen als gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken dienende Körperschaft anerkannt (letztmals mit Bescheid vom 29.06.2012). Für Mitgliedsbeiträge und Spenden ab 25 € werden automatisch Spendenbescheinigungen zugestellt, für niedrigere Beträge auf Anforderung (bitte bei Erstspenden Anschrift wegen Spendenbescheinigung angeben). Spendenkonto:Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. Internationale Bankverbindung:
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