Keine Kriegswaffen in den Irak liefern - sofort humanitär helfen, politisch umsteuernWarum der Beschluss zur Lieferung deutscher Kriegswaffen in den Irak fundamental falsch ist und was stattdessen getan werden mussEine Argumentationshilfe von Jürgen Grässlin In diese Argumentationshilfe wurden Anregungen von Friedensfreundinnen und Friedensfreunden aufgenommen - besten Dank für die Unterstützung. Bitte beachten Sie auch die Presseerklärung "Keine Kriegswaffenlieferungen in den Irak - Grenzen für Flüchtlinge öffnen" von Paul Russmann und Jürgen Grässlin für die Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" vom 21.08.2014, siehe https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/008668.html . Bitte diese Argumentationshilfe an Interessierte weiterleiten sowie in Newslettern und auf Homepages veröffentlichen. Sie soll allen Interessierten als Grundlage dienen, sich aktiv in die politische Diskussion einzumischen: mit Leserbriefen und bei Abgeordnetengesprächen, an Informationsständen und bei Podiumsdiskussionen u.v.a.m.
"Der Beschluss, ein Kontingent Waffen zu liefern, Heribert Prantl in seinem Artikel Der Beschluss der Bundesregierung vom 20. August 2014 und die Stellungnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 24. August 2014, kurdische Kämpfer im Norden des Iraks mit deutschen Kriegswaffen hochzurüsten, setzt die Jahrzehnte währende Tradition deutscher Kriegswaffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete ungehemmt fort. Neu ist, dass ein nichtstaatlicher Akteur in einem Krieg beliefert wird. Einmal mehr exportiert Deutschland Kriegswaffen und Rüstungsgüter in das Pulverfass Nahost, eine Region, in der es an vielem mangelt, am allerwenigsten aber an Waffen. Die Behauptung Menschenrechte im Irak und Region des Mittleren Osten schützen zu wollen, ist angesichts der langjährigen Waffenlieferungen an menschenrechtsverletzende Staaten - auch in dieser Region - heuchlerisch und verlogen. Waffenexporte dagegen wirken mittel- und langfristig destabilisierend, sie sind somit äußerst verantwortungslos und im Endeffekt kontraproduktiv. Deutschland muss endlich auf allen Ebenen Verantwortung als Weltfriedensmacht definieren. Diese Zielvorgabe schließt Waffenlieferungen definitiv aus und verlangt stattdessen politische Einflussnahme auf die befreundeten Staaten Türkei, Saudi-Arabien und Katar, die die Terroreinheiten der IS ausrüsten bzw. finanzieren. Und sie verlangt von Deutschland eine Vervielfachung humanitärer Leistungen und der Flüchtlingsaufnahme. Genozide müssen aktiv verhindert werden - genau deshalb bedarf es der Schaffung von Fluchtwegen und der aktiven Fluchthilfe, verbunden mit massiver humanitärer Unterstützung. Gegen Waffenlieferungen in den Irak sind folgende Argumente geltend zu machen: Zentrale Argumente gegen erneute Waffenlieferungen in das Pulverfass Nahost
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) verweist darauf: Nach §69e Abs. 1 AWV, der den Gemeinsamen Standpunkt 2003/495/GASP in nationales Recht umsetzt, sind Verkauf und Ausfuhr von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial, die von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfasst sind, in den Irak verboten. Ausnahmen betreffen Lieferungen für die im Land stationierten multinationalen Streitkräfte." (Siehe www.ausfuhrkontrolle.info/ausfuhrkontrolle/de/embargos/irak/ ) Geplante Waffenlieferungen an nationale irakische Streitkräfte sind rechtlich höchst fraglich, sie verstoßen allemal gegen den Geist des UN-Waffenembargos. Die Bundesregierung unterwandert diese rechtlichen Vorgaben, indem sie beispielsweise gebrauchte Waffen aus Bundeswehrbeständen liefert. Ungeachtet der rechtlichen Fragwürdigkeit ist die Unterwanderung eines Waffenembargos jedoch zutiefst verwerflich und bietet anderen Staaten bei zukünftigen Waffenexporten ein schlechtes Vorbild. Waffenlieferungen an die Peschmerga als nichtstaatliche Empfänger deutscher Kriegswaffen stellen einen Präzedenzfall dar, der als Türöffner für kommende Waffentransfers dienen wird.
Gemäß den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 19.01.2000 gilt: "Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland wird bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen." Zudem gilt: "Genehmigungen für Exporte nach KWKG und/oder AWG kommen nicht in Betracht, wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht, z.B. bei bewaffneten internen Auseinandersetzungen […]. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle." Politische Grundsätze sind politische Vorgaben, sie sind juristisch nicht einklagbar: Aber: Mit der Lieferung von Kriegswaffen an einen Empfänger, der in bewaffneten Auseinandersetzungen steht und Menschenrechte verletzt, bricht die Bundesregierung - einmal mehr - ihre selbst gesetzten Vorgaben politischen Handels. Sie macht sich somit erneut unglaubwürdig.
In den kommenden Wochen wird die Peschmerga mit US-amerikanischen, französischen, britischen, italienischen und nun auch deutschen Waffen hochgerüstet. Sobald die Militärs im Nordirak am Einsatz dieser Kriegswaffen geschult sind, können diese gegen die IS eingesetzt und deren Vormarsch womöglich gestoppt werden - Garantien dafür gibt es nicht. Durchaus realistisch aber ist, dass die nunmehr mit modernen Waffen hochgerüsteten Kurden im Nordirak ihr Ziel weiterverfolgen, einen eigenen Staat zu gründen. Dies wird das Nachbarland Türkei erklärtermaßen nicht hinnehmen. Der kommende Konflikt - womöglich Krieg - ist vorprogrammiert, einmal mehr mit dem Einsatz deutscher Waffen beiderseits der Front. Verantwortungsloser kann deutsche Regierungspolitik nicht sein.
Saudi-Arabien, bekanntermaßen neben Katar der führende Mitfinanzier der IS-Terrormilizen, ist seit Jahren eines der Hauptempfängerländer deutscher Kriegswaffen. Die saudi-arabischen Militärs sind mit deutschen Großwaffensystemen (Eurofighter Typhoon), Kleinwaffen (MP5-Maschinenpistolen und G3- sowie G36-Gewehren in deutscher Lizenzfertigung) und Rüstungsgütern (Militärfahrzeuge, Grenzsicherungsanlagen und Überwachungssysteme) bis an die Zähne hochgerüstet. Diese Waffentransfers genehmigten CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne in Regierungsverantwortung, obwohl das diktatorische Herrscherhaus in Riad Menschenrechte massiv verletzt und religiöse Minderheiten - unter ihnen Christen - verfolgt, foltert und exekutiert. Die Todesstrafe wird vielfach an Andersdenkenden und Andersgläubigen vollzogen (Platz 4 im weltweiten Hinrichtungsranking). Was zählt sind primär Wirtschaftsinteressen Deutschlands, allen voran der Zugang zu den riesigen Ölfeldern in Saudi-Arabien und zukünftig womöglich wieder im Irak.
Exportierte Kriegswaffen sind Jahrzehnte lang brauchbar für den Kampfeinsatz. Mit G3-Schnellfeuergewehren, entwickelt von Heckler & Koch (H&K), beispielsweise wird auch vier Jahrzehnte nach deren Lieferung noch gekämpft. Dies belegen Vor-Ort-Recherchen in Somalia. Wenn Deutschland neue G36-Sturmgewehre von H&K an die irakischen Streitkräfte und/oder an die kurdischen Peschmerga liefert, können diese auch im Jahr 2054 im militärischen Einsatz noch voll funktionsfähig sein. Mit ihnen werden - von einer Bundesregierung gänzlich unkontrollierbar - massenhaft Menschen getötet werden. Zum Beispiel im nächsten Krieg zwischen dem Irak und dem Iran, um nur eine Möglichkeit von vielen im Krisen- und Kriegsgebiet Naher und Mittlerer Osten zu nennen.
Weitere Waffenlieferungen an die irakische Regierung (in der jüngsten Vergangenheit dominiert von schiitischen Regierungsvertretern) garantieren die Eskalation militärischer Konfliktaustragung mittels des Einsatzes eben dieser Waffen. Die neu gelieferten Kriegswaffen können eingesetzt werden bei religiös und politisch motivierten Auseinandersetzungen von Schiiten gegen Sunniten, von Sunniten gegen Kurden usw. Wer Waffen in das Pulverfass Irak liefert, gießt langfristig Öl ins Feuer dieser kriegerischen Auseinandersetzungen.
Bis vor Kurzem noch wurde die IS (vormals ISIS) vom NATO-Mitgliedsland Türkei im Kampf gegen das Assad-Regime in Syrien unterstützt, u.a. mit Ausrüstung und Nachschub. Finanziell unterstützt wird IS weiterhin von Saudi-Arabien und Katar, also führenden Empfängerländern legal gelieferter Kriegswaffen aus Deutschland. Seit den Exekutionen an Christen, Jesiden und Schiiten steht die IS nunmehr auch aus Sicht aller NATO-Staaten auf feindlicher Seite. Während der kriegerischen Auseinandersetzungen gelangten IS-Kämpfer in den Besitz hochmoderner Waffen der irakischen Armee, geliefert aus den USA. Der Endverbleib von Kriegswaffen kann nicht im Mindesten garantiert werden. Im Moment gelten irakische Kurden als "Guten". Wer neue Waffen liefert, riskiert deren Verwendung in falschen Händen, der "Bösen". Doch richtige militärische Hände einer "guten" Seite gibt es im Irak ehedem nicht - schon gar über den Zeitraum mehrerer Jahre.
Gäbe es eine Weltkarte der Waffenimportdichte, wären der Sudan, Somalia, Afghanistan und eben der Irak blutrot eingefärbt. Das einzige, was im Irak im Überfluss existiert, sind Kriegswaffen. Die Menschen leiden seit Jahrzehnten unter der Gewalt dieser Waffen, ganze Landstriche werden verwüstet.
Deutschland ist aufgrund seiner langjährigen politischen Einflussnahme auf die Lage im Irak massiv Mitschuld an der politischen Fehlentwicklung im Land, z.B. durch die Unterstützung des Irak-Kriegs 2003 (der US-Army und "Koalition der Willigen" mittels der Gewährung von Überflugrechten, dem Schutz von US-Militärbasen und US-Kasernen in Deutschland und AWCS-Überwachungsflügen) sowie die umfassenden Waffenlieferungen an die Türkei, Saudi-Arabien und Katar - die ihrerseits die IS unterstützen. Mit den direkten Waffenlieferungen an die kämpfenden irakischen Kurden wird Deutschland direkt zur Kriegspartei - mit unabsehbaren Folgen für die Sicherheitslage in Deutschland. Fazit und Forderungen:
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