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Konstantin Wecker: Wie macht man ein friedliebendes Volk kriegslüstern?

Konstantin Wecker über den Journalismus in Zeiten wie diesen: "Bomben, die nie geworfen wurden, können platzen wenn sie gemeldet werden - das sollte als Mahn-Schild auf jedem Schreibtisch in den Redaktionsräumen der Zeitungen und Fernsehstudios prangen! Warum, glaubt ihr, hören wir nichts mehr von diesem Flugzeug, das laut BILD ja Putin persönlich vom Himmel geholt hat?"

Von Konstantin Wecker

Liebe Freunde,

"Wie wird die Welt regiert und in den Krieg geführt? Diplomaten belügen Journalisten und glauben es, wenn sie’s lesen."

Karl Kraus, der die Manipulation der Massen in den Kriegszeiten des ersten Weltkrieges durchschaute und wie kein anderer messerscharf analysierte, verachtete die meisten Journalisten.

Er verabscheute den "Journalismus und die intellektuelle Korruption, die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft".

Ich hielt das lange für übertrieben, zumal ich hervorragende und unbestechliche JournalistInnen kenne und schätze.

Mittlerweile befallen mich Zweifel an meiner Loyalität.

Klar, es gibt sie noch, diese aufrechten Vertreter ihres Fachs. Aber wo dürfen sie noch schreiben?

Die Propagandamaschine läuft bereits und es ist erschreckend, wie ein Großteil der Zunft einem Plan zu folgen scheint, der trotz des Widerspruchs der meisten Leser die Wirklichkeit im Sinne einflussreicher Geldgeber gestaltet.

"Als einer der Pioniere der Medienkritik hatte Karl Kraus erkannt, dass die Medien die Wirklichkeit nicht abbilden, sondern erzeugen, dass Meinungen und Stimmungen nicht einfach entstehen, sondern gemacht werden", schreiben Matthias Bröckers und Paul Schreyer in ihrem lesenswerten Buch "Wir sind die Guten" und sie zitieren noch einmal einen der wichtigsten Sätze von Karl Kraus:

"Ich habe erlebt, wie Krieg gemacht wird, wie Bomben, die nie geworfen wurden, nur dadurch, dass sie gemeldet wurden, zum Platzen kommen."

Bomben, die nie geworfen wurden, können platzen wenn sie gemeldet werden - das sollte als Mahn-Schild auf jedem Schreibtisch in den Redaktionsräumen der Zeitungen und Fernsehstudios prangen!

Warum, glaubt ihr, hören wir nichts mehr von diesem Flugzeug, das laut BILD ja Putin persönlich vom Himmel geholt hat?

Ich habe keine Ahnung, wie ihr auch, ich kann keine Flugschreiber auswerten, bin kein Fachmann und war nicht vor Ort - aber immerhin kann ich eins und eins zusammenzählen. Wem nützte diese Tragödie am meisten? Und warum wird nun nicht mehr darüber berichtet? Und wenn es nun bewiesen wäre, dass es die pro-russischen Separatisten gewesen waren - was für ein Geschrei hätte das gegeben? Bestimmte Zeitungen würden in ihren Kästen auf der Straße zu kokeln beginnen vor lauter selbstgerechter Empörung.

Und ich möchte noch eine ganz persönliche Erfahrung hinzufügen: ich habe in den letzten fast sechs Jahrzehnten in denen ich mich bewusst mit Nachrichten und Zeitungen beschäftige, nicht annähernd eine derartige Propagandaschlacht erlebt.

Es erschreckt mich, wenn ich sehe, wie manche Leitmedien mit zum Teil sehr klugen Leserkommentaren überschüttet werden und sich penetrant weigern, ihre Leser ernst zu nehmen.

Was ist da passiert? Es ist sicher auch dem Internet zu verdanken, dass die Leser zu einem großen Teil gebildeter sind als die Reporter. Aber in diesem Fall ist es einfach auch nur der gesunde Menschenverstand, der uns, wie es zum Teil aussieht, aberzogen werden soll.

Wie macht man ein friedliebendes Volk kriegslüstern? Durch Propaganda, durch Erfindungen, Lügen, durch die Erschaffung eines Feindes.

Man schimpft mich Putinversteher? Ja, gerne, das bin ich.

Aber wer so gern mit Schimpfworten um sich schlägt, sollte sich halt auch in der Semantik etwas auskennen.

Ein Versteher ist kein Liebhaber, kein Bewunderer, kein Fan, kein Verehrer. Es kann auch ein Volltrottel sein den man versteht.

Ein Versteher versucht zu VERSTEHEN! Nicht mehr, nicht weniger.

Wie kann so ein Wort ein Schimpfwort werden?

Und am Ende dieser kleinen Glosse soll Egon Bahr zu Wort kommen, einer der Architekten der Ostverträge Willy Brandts. Eines Mannes, den die SPD, wie es aussieht, völlig vergessen hat. Dabei kann ihm keiner der heutigen Mitläufer das Wasser reichen.

"In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt."

Quelle: Hinter den Schlagzeilen - 08.09.2014.

Veröffentlicht am

09. September 2014

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