Erfolgreiches Gefecht gegen den WaffenhandelInternationaler Vertrag kann in Kraft treten und schafft völkerrechtliche Barriere, lässt aber auch noch LückenVon Wolfgang Kötter Am UN-Hauptsitz in New York haben Argentinien, die Bahamas, Bosnien-Herzegowina, Portugal, St. Lucia, Senegal, Tschechien und Uruguay am 25.09.2014 ihre Ratifikationsurkunden übergeben. Damit sind die Voraussetzungen zum Inkrafttreten des Weltvertrages zur Begrenzung der internationalen Waffentransfers (Arms Trade Treaty - ATT) erfüllt und das Abkommen wird am 24. Dezember völkerrechtlich bindend. "Heute können wir mit Genugtuung dem Tag des Inkrafttretens dieses historischen Vertrages entgegensehen, begrüßte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dieses Ereignis: "Jetzt müssen wir für seine wirksame Erfüllung arbeiten und seine Universalität anstreben, damit die Regelung der Rüstungen - wie in der UN-Charta festgelegt - ein für allemal Realität wird." Breite Unterstützung für die Begrenzung des WaffenhandelsNach fast siebenjährigen streckenweise äußerst kontroversen Verhandlungen hatte die UN-Vollversammlung den Vertrag im April vergangenen Jahres mit einer Mehrheit von 154 Staaten angenommen. 23 Staaten enthielten sich - darunter die beiden führenden Rüstungsexporteure Russland und China, aber auch Ägypten, Indien, Indonesien Oman, Saudi Arabien und Weißrussland. Iran, Nordkorea und Syrien stimmten mit Nein. Eine Vertragskonferenz, die nach dem Konsensprinzip gearbeitet hatte, war zuvor zwei Mal erfolglos geblieben. Die USA, Russland, China, Ägypten, Iran, Kuba, Nordkorea, Syrien und Venezuela hatten zunächst die Zustimmung verweigert und ein zweiter Anlauf scheiterte an den Gegenstimmen des Iran, Nordkoreas und Syriens. Daraufhin brachte eine Gruppe von über 100 Staaten das Dokument in die UN-Vollversammlung ein, wo eine einfache Stimmenmehrheit zur Annahme genügt. Seit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Vertrag am 3. Juni 2013 für die Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufgelegt hat, haben ihn bereits 121 Regierungen unterschrieben. Die ungewöhnlich hohe Zahl in so kurzer Zeit zeugt von der weltweit breiten Zustimmung zu völkerrechtlichen Beschränkungen des internationalen Waffenhandels. Deutschlands Rüstungsexportpolitik unter BeschussDie Bundesrepublik hat den Vertrag am 2. April 2014 ratifiziert. Aber ihre Rüstungsexportpolitik trifft auf harte Kritik und auch innenpolitisch zeigen die kontroversen Debatten über Rüstungsexporte ein zwiespältiges Bild. Umfragen zufolge unterstützen nur etwa ein Drittel der Bundesbürger Waffenlieferungen ins Ausland. Über die Hälfte der Befragten lehnen dies ab. Deutschland liegt in der weltweiten Statistik der Waffenexporte auf Platz drei hinter den USA und Russland. Auf insgesamt 5,846 Mrd. Euro und damit um 24 Prozent hat die Regierung die Ausfuhrgenehmigungen allein bei Großwaffen im vergangenen Jahr gesteigert. Insgesamt erteilte die Bundesregierung 2013 mehr als 17 000 Einzelgenehmigungen für den Export von Rüstungsgütern. Im Jahr zuvor waren es 900 weniger. Mit 3,6 Mrd. Euro ist der Wert der Genehmigungen an sogenannte Drittländer, die weder zur EU noch zur NATO gehören gegenüber 2012 von 55 auf 62 Prozent aller Lieferungen, auf ein Rekordniveau gestiegen. Zu den Empfängerländern zählen unter anderen Ägypten, Algerien, Indonesien, Irak, Katar, Pakistan und Saudi Arabien - Länder, die in Krisenregionen liegen und in denen die Wahrung der Menschenrechte nicht gewährleistet ist. Darüber hinaus erreichte Deutschland laut Rüstungsexportbericht des Wirtschaftsministeriums auch beim Export von Kleinwaffen einen neuen Höchststand. Allein im letzten Jahr hat die Bundesregierung nach Angaben des Wirtschaftsministeriums den Export von Kleinwaffen im Wert von 135 Mio. Euro ermöglicht - eine Steigerung von 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zwar erklärt die Bundesregierung, sie wolle sich "ihrer Verantwortung stellen und eine restriktive Rüstungsexportkontrolle mit großer Sorgfalt unter Einbeziehung aller wichtigen Aspekte sicherstellen". Auch will sie bei Rüstungsexporten den Bundestag künftig rascher informieren, aber dennoch bleibt der Umfang der genehmigten Exporte nach Meinung der Opposition mit dem Anspruch auf eine friedensfördernde und gewaltfreie Außenpolitik unvereinbar. "Die humanitäre Rhetorik von Frieden, Freiheit und Sicherheit wird durch die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung konterkariert", kritisiert der Geschäftsführer der ökumenischen Initiative "Ohne Rüstung Leben" und Sprecher der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" Paul Russmann. "Für die steigenden Rüstungsexporte Deutschlands und anderer EU-Staaten gibt es keine friedenspolitische Rechtfertigung", urteilen ebenfalls die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute in ihrem Jahresgutachten 2014. "Rüstungsexporte in Spannungsgebiete und Lieferungen von Waffen und Überwachungstechnologien an autokratisch regierte Staaten sind ein Skandal." Wichtiger Schritt zur Begrenzung des WaffenhandelsDer Waffenhandelsvertrag setzt erstmals in der Geschichte globale Normen für den weltweiten Handel mit konventionellen Waffen, dessen jährliches Volumen auf 85 Milliarden Dollar geschätzt wird. Es verbietet Waffenlieferungen, wenn diese zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beitragen. Der Vertrag regelt den Handel mit Großwaffensystemen wie Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen, schweren Artilleriegeschützen, Kampfflugzeugen und -hubschraubern, Kriegsschiffen, Raketen beziehungsweise Raketenwerfern. Außerdem werden Kleinwaffen wie etwa Mörser und Minen, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Revolver und Handgranaten erfasst. Von den Mitgliedstaaten werden ebenfalls nationale Bestimmungen für den Handel mit Munition und Ersatzteilen verlangt. Zu Recht würdigen Menschenrechtsorganisationen, denen ein großes Verdienst an seinem Zustandekommen gebührt, den Vertrag als einen historischen Erfolg. Das Projekt eines globalen Waffenhandelsvertrages begann als sich im Jahre 2003 Amnesty International, Oxfam und das Internationale Aktionsnetzwerk gegen Kleinwaffen IANSA zur Kampagne "Waffen unter Kontrolle!" (control arms) zusammenschlossen. Sie mobilisierten mit vielfältigen weltweiten Aktionen die Zivilgesellschaft und trugen maßgeblich zu dem Erfolg bei. Große Herausforderungen bleiben bestehenTrotz der verständlichen Freude über den Erfolg räumen aber gerade die Verfechter eines wirksamen und effektiven Vertrages ein, dass es sich um einen Kompromiss handelt. Darum kritisieren sie die zahlreichen Defizite, Ausnahmeregeln und rechtlich unverbindlichen Kann-Bestimmungen des Abkommens. Diese Schwächen betreffen vor allem die Artikel zum Geltungsbereich des Vertrages, die Kriterien für die Genehmigung bzw. das Verbot von Rüstungsexporten, sowie die Vorschriften zur Umsetzung und Überwachung der Vertragsbestimmungen wie auch fehlende Sanktionsmöglichkeiten. Das Abkommen ist also keineswegs perfekt. Aber es ist ein Anfang um das weltweite Geschäft mit Tötungsinstrumenten völkerrechtlich zu regulieren, Völkermord und Kriegsverbrechen entgegenzuwirken, Menschenrechten größeres Gewicht zu verschaffen sowie Kriegstreibern wie auch Terroristen den Waffenzugang zu erschweren. Das bedeutet zwar noch keine reale Rüstungsreduzierung, könnte aber in bewaffneten Auseinandersetzungen und täglicher Gewalt Hunderttausenden Menschen Leben und Gesundheit erhalten, aber auch Schmerzen und Leid lindern. Nachdem das Abkommen nun rechtsverbindlich ist, wird es darauf ankommen, dass möglichst viele weitere Staaten dem Vertrag beitreten, seinen Inhalt mit Leben erfüllen und sich für seine konsequente Auslegung und gewissenhafte Einhaltung einsetzen. Den politischen Willen vorausgesetzt, könnte die Konferenz der Mitgliedstaaten in der Folgezeit Schwachstellen nachbessern, Defizite beseitigen und eine strikte Vertragseinhaltung einfordern. Die größten Waffenexporteure 2008 - 2012
Die größten Waffenimporteure 2008 - 2012
Quelle: SIPRI-Jahrbuch 2013 Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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