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50 Jahre Nobelpreis für Martin Luther King: “Die neue Richtung unseres Zeitalters” - Kampf gegen Rassismus, Armut und Krieg

Von Georg Meusel

Der völlig erschöpfte Martin Luther King lag im St.- Joseph-Krankenhaus in Atlanta, als ihn an einem Oktobermorgen des Jahres 1964 in höchster Aufregung seine Frau Coretta anrief: Associetad Press habe gerade berichtet, er hätte den Friedensnobelpreis "gewonnen".

King war gerade erst von einer ungeheuer dicht mit Terminen gefüllten Europareise zurückgekehrt. Nach dem Besuch des Baptistischen Weltkongresses in Amsterdam, der Rede auf der Waldbühne in West-Berlin und zum Gedenken an den ein Jahr zuvor ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy in der Philharmonie, dem spektakulären Abstecher ohne Pass und Visum nach Ost-Berlin, wo er vor 3.000 DDR-Bürgern predigte, dem Zwischenstopp in München hatte der afroamerikanische Bürgerrechtskämpfer eine Privataudienz bei Papst Paul VI. All das hatte sich innerhalb weniger Tage im September 1964 ereignet und etwas Atemloses.

Nachdem King in St. Joseph Atem geschöpft hatte, warteten schon wieder enorme Aufgaben auf ihn, z.B. der indirekte Wahlkampf für Präsident Lyndon B. Johnson:
"Ich werde euch sagen, wen ihr n i c h t wählen sollt", nämlich den republikanischen Hardliner Barry Morris Goldwater, der die Bürgerrechtsgesetze rückgängig machen und "eine Atombombe in die Herrentoilette des Kreml werfen" wollte.

Ein Segen von einem Fremdgänger und dem "notorischsten Lügner des Landes"

Protestbriefe amerikanischer Südstaatler überfluteten das Nobelpreiskomitee. FBI-Direktor J. Edgar Hoover nannte King den "notorischsten Lügner dieses Landes", warf ihm "Kommunismus" vor und die Veruntreuung von Geldern. Er kolportierte Abhör-Tonbandaufzeichnungen aus Hotelzimmern, wo Martin Luther King sich mit Frauen getroffen hatte, an die Presse. Doch selbst segregierte Südstaatenzeitungen lehnten es ab, solchen "Schmutz" zu veröffentlichen.

King jedoch war verunsichert. Die Sache mit dem Geld erwies sich als gegenstandslos. Dem nicht zum ersten Mal vorgebrachten Kommunismus-Vorwurf begegnete King, indem er sich weiter von Leuten in der Bewegung trennte, die eine ideologische oder organisatorische Nähe zum Kommunismus hatten.

In Bezug auf sein Privatleben jedoch befürchtete King zu Recht, es könnte "einige peinliche Enthüllungen" geben. Mitstreiter rieten King zu "trotzigem Widerstand": "Lass doch Hoover seine verdammten Bänder veröffentlichen". Sie würden mehr ihm als King schaden. Doch kurz vor der Entgegennahme des Preises wurde King vom FBI schließlich zum Selbstmord aufgefordert. "King, du bist fertig. Es gibt nur noch einen Ausweg für dich. Den schlägst du am besten selbst ein, ehe dein abscheuliches, abnormes und betrügerisches Wesen vor der Nation ausgebreitet wird." Begleitgeschenk zu diesem Brief war eine Tonbandaufnahme aus einem Hotelzimmer.

Der weiße Erzbischof von Atlanta, Paul Halliman, gratulierte dem Preisträger persönlich im Krankenhaus, überbrachte seinen Segen und überraschte King, indem er vor ihm niederkniete und dessen Segen für sich erbat. Im November war der Bürgerrechtler wieder zu Hause, hatte wie immer viel zu tun und gab zudem, im Beisein seiner Frau und seiner Kinder, der Zeitschrift "Playboy" ein ausführliches Interview.

Reisezirkus mit einem Knastbruder im Ensemble und ein Toast auf den "Mann über den Wolken"

Am 4. Dezember machte sich Martin Luther King mit einem beachtlichen Gefolge von 26 Personen, bestehend aus seiner Frau Coretta, seinen Eltern, schwarzen und weißen Mitstreitern, auf den Weg nach Oslo zur Nobelpreisverleihung. Kings Berater Bayard Rustin spottete über die fröhliche Schar: "Es war ein Zirkus - einfach ein Zirkus".

In London predigte der Baptistenpfarrer als erster Nicht-Anglikaner in deren 291-jährigen Geschichte in der St. Paul’s Cathedral. In der britischen Hauptstatt traf King auch mit dem indischen Premier Lal Bahadur Shastri zusammen. Die Landung in Oslo, wo ihn eine Gruppe Offizieller trotz dichtem Nebel und Regen begeistert empfing, erfolgte am 8. Dezember.

Am Abend, als die Kings eine Geburtstagsfeier für einen Freund gaben und den Champagner entkorkt hatten, bremste "Daddy" Martin Luther King Senior:
"Wir sollten den Mann nicht vergessen, der uns hierhergebracht hat, und deshalb will ich einen Toast auf Gott aussprechen". "Sie sprachen einen Toast auf Gott aus und der Champagner blieb einfach stehen", erinnert sich ein Freund. In einer Pressekonferenz stellte King seinen engsten Freund und Mitstreiter Reverend Ralph Abernathy zur Erheiterung der Reporter als seinen "ständigen Knastbruder" vor.

Am 10. Dezember sollte King im Beisein von König Olaf V. der Friedensnobelpreis verliehen werden. "Wir hatten unsere liebe Not, ihm beim Anziehen zu helfen", beschrieb Coretta die Aufregung ihres Mannes, der schwor, nie wieder so eine Ascot-Krawatte mit Überbreite zu tragen.

"Heute ehren wir einen Mann, der mehr als dreißig Mal im Gefängnis war, auf dessen Haus Bomben geworfen wurden…", erklärte Gunnar Jahn, der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees in seinem Grußwort. Mit fünfunddreißig Jahren war der Baptistenpfarrer und "Apostel der Gewaltlosigkeit" der jüngste Nobelpreisträger aller Zeiten. Nur zwei Schwarze, der US-amerikanische Diplomat und Bürgerrechtler Ralph Bunche (1950) und der südafrikanische Stammesführer und Politiker Albert Luthuli (1960) hatten vor King diese Auszeichnung erhalten. Die mit dem Nobelpreis verbundene Geldsumme von 54.000 Dollar spendete King in voller Höhe der Bürgerbewegung. Was die volle Höhe betraf, beklagte sich Coretta, die seinerzeit eine lukrative Künstlerkarriere für ihren "Negerpastor" aufgegeben hatte, bei ihrem Mann. Die Familie lebte in sicheren Verhältnissen, doch auf wirklichen Wohlstand musste sie verzichten.

Die neue Richtung unseres Zeitalters - Kampf gegen Rassismus, Armut und Krieg

In seiner Nobelpreisrede sprach KingDie Rede von Martin Luther King anlässlich der Entgegennahme des Friedensnobelpreises am 10. Dezember 1964 ist hier in deutscher Übersetzung zu finden: Wir werden überwinden . von einem umfassenden Problem "des geistigen und moralischen Rückstandes, aus dem sich das Hauptdilemma des modernen Menschen" ergebe. "Verbesserte Mittel zu einem unverbesserten Zweck", zitierte er den Haupttheoretiker Gandhis, seinen amerikanischen Landsmann Henry David Thoreau, dessen "Essay über den zivilen Ungehorsam" King selbst erst durch seine Beschäftigung mit Gandhi kennengelernt hatte.

"Wenn wir heute überleben wollen, müssen wir unseren moralischen und geistigen ‚Rückstand’ aufholen… Wir haben gelernt, die Luft zu durchfliegen wie die Vögel und das Meer zu durchschwimmen wie die Fische, aber nicht die einfache Kunst, als Brüder zusammen zu leben". Dieses "Hauptdilemma", meinte King, komme in den Einzelproblemen Rassendiskriminierung, Armut und Krieg zum Ausdruck.

Es war weltweit einzig der UNION Verlag der DDR-CDU, dem das Verdienst zukommt, unter dem Titel "Die neue Richtung unseres Zeitalters" Martin Luther Kings Nobelpreisrede in Deutsch und Englisch ungekürzt als Buchveröffentlichung herausgegeben zu haben.

King schilderte die lange Nacht des Rassismus in den USA und benannte das Unabhängigwerden von bisherigen Kolonien als Hoffnungsschimmer für seine schwarzen Landsleute:
"Glücklicherweise sind einige bedeutsame Fortschritte im Kampf um die Beendigung der langen Nacht der Rassendiskriminierung erzielt worden… Vor dreißig Jahren gab es nur drei unabhängige Staaten in ganz Afrika, aber heute haben sich fünfunddreißig afrikanische Nationen aus kolonialer Knechtschaft befreit."

Auf die sich lockernde Rassendiskriminierung in seinem Land bezogen, würdigte King Entscheidungen des Obersten Gerichts und Bürgerrechtsgesetze zu Gunsten der Schwarzen als Zeichen der Hoffnung. Er hob als den Geist und die Form, die die Auseinandersetzungen um die Rassendiskriminierung in den USA charakterisieren, die Gewaltlosigkeit im Bürgerrechtskampf hervor:
"Sie bedeutet Nichtbefolgen von Gewohnheiten und Gesetzen, die institutionelle Seiten eines Regimes der Diskriminierung und Versklavungen darstellen. Sie bedeutet direkte Teilnahme der Massen am Protest". "Teilnahme der Massen" - King genoss selbstbewusst seine Führungsrolle. Doch hier teilte er den Ruhm mit den vielen Namenlosen, die die Bürgerbewegung an der Basis trugen.

Keine Angst mehr haben und keine Angst erwecken - gemeinsame Sicherheit

We are not afraid,
We are not afraid,
We are not afraid, TODAY!

King zitierte quasi diese Strophe aus dem Protestsong "We shall overcome", den Pete Seeger und andere, Schwarze wie Weiße, Anfang der 1950er Jahre in der "Highlander Folk School" am Fuße der Smoky Mountains aus einem im Jahr 1945 von streikenden Tabakarbeiterinnen umgetexteten Gospelsong des Pfarrers Pfarrer Charles Albert Tindley von 1903 den Protestsong "We shall overcome" zusammengebastelt hatten. Martin Luther King erklärte in seiner Nobelpreisrede: "… dass wir keine Furcht mehr haben und in anderen oder in der Gesellschaft, von der wir ein Teil sind, keine Furcht erwecken".

Mit ersterem zitierte er quasi die oben genannte Strophe "We are not afraid" aus dem zur "Hymne der Bewegung" gewordenen Song. Mit "keine Furcht erwecken" brachte er einen neuen Gedanken ins Spiel, der viel später, in den 1980er Jahren, mitten im Kalten Krieg, vom schwedischen Ministerpräsidenten Olof-Palme für die große Politik und bald in der großen Politik aufgegriffen wurde: Ich bin nur so sicher, wie sich mein Gegner sicher fühlen kann. Nicht Sicherheit vor dem Anderen, sondern Sicherheit mit dem Anderen, Sicherheitspartnerschaft, Gemeinsame Sicherheit. Das war es, was Martin Luther King schon seit dem Busboykott von Montgomery 1955/1956 propagierte und was seine Schwarzen nur langsam, die Weißen aber mit ihren Bomben auf Kings Wohnhaus und schwarze Kirchen noch viel langsamer kapierten.

Gewaltfreiheit zweckmäßig, vernünftig und moralisch vortrefflich

Mit seiner Nobelpreisrede hielt King ein Plädoyer für die Gewaltfreiheit: "… Gewalt führt nicht zu dauerhaftem Frieden. Sie löst kein soziales Problem, sie erzeugt nur neue, kompliziertere. … Gewaltlosigkeit sucht moralische Ziele durch moralische Mittel zu erreichen".

Viele Jahre später wurde in der Friedens- und Konfliktforschung und in der Friedensbewegung der Begriff "Gewaltlosigkeit" durch "Gewaltfreiheit" ersetzt: Nicht ohne Gewalt, weil man keine Waffen besitzt, sondern frei von Gewalt, auch wenn man das Instrumentarium zur Gewaltanwendung hätte. Noch einen Schritt weitergehend, gibt es im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahren den Versuch, Gandhis "Satyagraha" - "Kraft durch Wahrheit und Liebe" und Kings "Nonviolence" - "Nichtgewalt" mit dem Begriff "Gütekraft" zu übersetzen, also die umständliche Übertragung aus Hindi in einem Wort zusammenzufassen und die Negation in eine Position umzumünzen.

King blieb in seiner Ansprache weiter bei seinem Idol aus Indien: "Dieser Weg, dem Problem der Rassendiskriminierung beizukommen, ist nicht ohne erfolgreiches Vorbild". Hier bekam er nochmals die Kurve zu dem Mann hin, dessen Porträt zu Hause über seinem Schreibtisch hing: "Ihn beschritt auf glänzende Weise Mohandas K. Gandhi mit dem Ziel, die Macht des britischen Imperiums herauszufordern und sein Volk von der politischen Herrschaft und wirtschaftlichen Ausbeutung zu befreien…".

King fasste seine Ausführungen über den Rassismus zusammen und ergänzte sein Plädoyer:
"Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Gewaltfreiheit der zweckmäßigste, vernünftigste und moralisch vortrefflichste Weg ist, das jahrhundertealte Problem der Rassendiskriminierung ernsthaft in Angriff zu nehmen".

Die Idee eines "Welthauses", lange bevor die Philosophie einer "Weltinnenpolitik" entwickelt wurde

"Ein zweites Übel, das die moderne Welt quält, ist das der Armut… Wir sind die reichste Nation der Welt geworden … Jedoch mindestens ein Fünftel unserer Mitbürger - einige zehn Millionen Familien, das sind über 40 Millionen Menschen - sind zu einem elenden Leben in Armut gezwungen."

Dann deutete sich Kings Idee eines "Welthauses für alle Menschen" an, als er den im 16. Jahrhundert lebenden metaphysischen englischen Dichter und Schriftsteller John Donne zitierte,
"Niemand ist eine Insel, … jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents… Wenn eine Scholle ins Meer gespült wird, wird Europa weniger, genauso als wenn’s … ein Landgut deines Freundes oder dein eigenes wäre. Jedes Menschen Tod ist mein Verlust, denn ich bin Teil der Menschheit; und darum verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt; sie schlägt dir selbst."

"Das dritte große Unheil, das unsere Welt bedroht, ist das des Krieges … Die Tatsache, dass die Menschen die Wahrheit über das Wesen und die Gefahr eines Atomkrieges die meiste Zeit aus ihren Hirnen verbannen, … ändert das Wesen und die Gefahr eines solchen Krieges nicht", fuhr King fort. … Die Weisheit, die aus Erfahrung geboren ist, sollte uns lehren, dass der Krieg überholt ist".

Im Schlussteil seiner Nobelpreisrede wurde King konkreter. Er zitiert einen Romancier, der "vor einigen Jahren starb", Scott F. Fitzgerald. King kannte anscheinend dessen Namen nicht oder er fiel ihm gerade nicht ein. Sonst hätte er, der "publicity" immer genoss, sich wohl gern in diesem Wissen gesonnt:
" ‘Eine weit voneinander getrennte Familie erbt ein Haus, in dem sie zusammen wohnen muss’ … Dies ist das gewaltige neue Problem der Menschheit. Wir haben ein stattliches Haus geerbt, ein großes "Welthaus’, in dem wir zusammen leben müssen - Schwarze und Weiße, Menschen aus dem Osten und dem Westen, Heiden und Juden, Katholiken und Protestanten, Moslems und Hindus, eine Familie, die in ihren Ideen, ihrer Kultur und ihren Interessen übermäßig verschieden ist und die - weil wir nie mehr ohne einander leben können - irgendwie lernen muss, in dieser großen Welt miteinander zu leben".

King verbreitete seine Idee eines großen "Welthauses" lange bevor Carl Friedrich von Weizsäcker und Jürgen Habermas praktisch-philosophische Ansätze einer "Weltinnenpolitik" entwickelten. Während aber Weizsäcker sich einen Atombunker in seinen Garten bauen ließ, setzte King sich und seine Familie Bombenanschlägen auf sein Haus aus. Er bewies letztlich mehr Gottvertrauen und entgegen Weizsäckers Sicherheitsdenken mehr Chancendenken als dieser.

In seiner letzten Weihnachtspredigt, 1967 in seiner Heimatkirche in Atlanta/Georgia, plädierte King dafür, "dass wir eine Weltperspektive entwickeln müssen. Kein Einzelner kann allein leben; kein Land kann allein leben, und je länger wir es versuchen, desto mehr werden wir in dieser Welt Krieg haben".

Mit seinem "Welthaus", seiner "Weltperspektive", knüpfte King gedanklich auch an das von seinem weißen Landsmann, dem Bomberpiloten Garry Davis, propagierte "Weltbürgertum" an. Der Pilot der US Air Force, der 1944 über Peenemünde abgeschossen, in Gefangenschaft genommen wurde, aber fliehen konnte, wurde zu einem Mann der Friedensbewegung. Er gab 1948 öffentlich seine US-Staatsbürgerschaft auf, erklärte sich zum "Weltbürger" und lebte fortan als "staatenlos" in seinem eigenen Land.

Erstaunlich, dass der US-Botschafter in Deutschland (2009-2013), Philipp D. Murphy, für den Martin Luther King unter vielen amerikanischen Helden "der größte Held" war, ausgerechnet dieses Charakteristikum Kings aufgriff. Er erklärte im Jahr 2012 gegenüber Berliner Schülern an der Sonnenallee 79: "Martin Luther King Jr. war ein Weltbürger. Ihr, die Schüler von ‚Ernst Abbe’, seid ebenfalls Weltbürger".

Todesdrohung, erschreckende Aktualität und Hoffnungszeichen

Zurück zu Kings Nobelpreisrede, in der er, vielleicht in dunkler Vorahnung, weiter ausführte:
"Zugegeben, dass, diejenigen, die in dem Kampf für Frieden und Freiheit vorangehen, weiterhin unbequemen Gefängnisstrafen und schrecklichen Todesdrohungen ins Auge sehen müssen … Aber jede Krise birgt ihre Gefahren wie auch ihre Chancen. Sie kann Rettung oder Verderben bedeuten."

"Schreckliche Todesdrohungen" - King hatte diesen Todesdrohungen ins Auge gesehen: "Ich weiß, dass sie auf mich zielen - aber wie wollen sie meinen Traum treffen".

Der Baptistenprediger, der auch als Bürgerrechtskämpfer, Friedensapostel und untreuer Ehemann mit Leib und Seele Pastor geblieben ist, fand vor dem hohen Auditorium einen frommen Schluss: "Möge trotzdem, in einer dunklen, verworrenen Welt, das Reich Gottes in den Herzen der Menschen herrschen".

50 Jahre Friedensnobelpreis für Martin Luther King. "Kampf gegen Rassismus, Armut und Krieg", waren seine zentralen Themen. Das ökologische Weltproblem war zu Kings Zeit noch nicht im Blick. Der Club of Rome wurde erst 1968, im Jahr von Kings Ermordung, gegründet. Erst nach nochmals vier Jahren, 1972, trat er mit seinem Bericht "Die Grenzen des Wachstums" an die Öffentlichkeit. So fehlt ins Kings Ausführungen noch das dritte Kapitel der Prämissen des späteren "konziliaren Prozesses" für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, wie es die Ökumenischen Versammlungen 1988 und 1989 in der DDR, der BRD, dann ganz Europa und bald auch global propagierten.

Rassismus - Armut - Krieg

Vieles in den USA ist selbstverständlich geworden im verbesserten Umgang zwischen Schwarz und Weiß. Seien es Wahlrecht und Wahlpraxis, gemeinsamer Schul- und Universitätsbesuch, Parks und Bibliotheken gemeinsam zu nutzen oder Partnerbeziehungen zwischen Schwarzen und Weißen. Die deutlichste und selbstgewählte Segregation besteht beschämender Weise in den Kirchen, was in den Gottesdienstbesuchen besonders augenfällig wird.

Anderes hat sich seit King verschärft: das Reich-Arm-Gefälle, die Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt, Ungleichbehandlung durch Polizei und Justiz. Protestwellen dagegen erschüttern das Land.

Weltweit ist die Kluft zwischen Reich und Arm noch größer geworden. Flüchtlingsströme sind die Quittung dafür. Einer Periode der Hoffnung auf Weltfrieden nach Ende der Blockkonfrontation im Jahr 1990 sind Jahre von Kriegen auf dem europäischen und anderen Kontinenten gefolgt. USA und Nato einerseits und Russland auf der anderen Seite missachten die Vereinbarungen der OSZE, umgehen deren Konfliktlösungsmechanismen und spielen gefährlich mit dem Feuer.

All dies lässt vieles aus Martin Luther Kings Nobelpreisrede schrecklich aktuell bleiben.

Der Friedensnobelpreis für Barack Obama im Jahr 2009, der behauptete, "auf Martin Luther Kings Schultern zu stehen" und außer Absichtserklärungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel vorzuweisen hatte, was den Preis gerechtfertigt hätte, hat auch heute noch nicht viel vorzuweisen, was ihn rechtfertigen würde.

Im Jahr 2014 erhielten zwei Kinderrechtsaktivisten den Friedensnobelpreis. Beide, der 60 Jahre alte Hindu Kailash Satyarthi aus Indien und die erst 17jährige Muslimin Malala Yousafzai aus dem mit Indien verfeindeten Pakistan, würdigten in ihren Dankesreden in Oslo, zwei Wochen vor Weihnachten, den Christen Martin Luther King.

50 Jahre Friedensnobelpreis für Martin Luther King, 25 Jahre friedliche Revolutionen in Mittelosteuropa - "Keine Gewalt!"

In seiner der letzten Weihnachtspredigt 1967 sagte Martin Luther King in seiner Heimatkirche in Atlanta/Georgia:
"Ich träume auch heute noch davon, dass eines Tages der Krieg ein Ende nehmen wird, dass die Männer ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Lanzenspitzen zu Sicheln machen, dass kein Volk wider das andere das Schwert aufheben und nicht mehr kriegen lernen wird".

Die Skulptur des sowjetischen Bildhauers Jewgeni Wutschetitsch, der diese alttestamentliche Prophetie von Micha und Jesaja im Jahr 1958 für die Weltausstellung in Brüssel in Bronze gegossen hatte, steht seit 1959 vor dem UNO-Hauptgebäude in New York und in Kopie vor der Tretjakow-Galerie in Moskau. Beide könnten sie vor Augen haben, wenn sie nur wollten: Barack Obama und Wladimir Putin. Zu Weihnachten 2014.

Georg Meusel war 1998 Gründungsinitiator des Martin-Luther-King-Zentrums für Gewaltfreiheit und Zivilcourage e.V. Werdau/Sachsen, neben Atlanta, Havanna und Lausanne eines von vier King-Zentren weltweit. Bis 2011 war er Vorstandsvorsitzender und ist seitdem Ehrenvorsitzender. Seine Tradition liegt in der DDR-Bürger- und Friedensbewegung. Er hat sich schon seit den 1960er Jahren intensiv mit King beschäftigt und sein Gedankengut über Ausstellungen, Vorträge und in der kirchlichen Presse unter die Leute gebracht. Seit Anfang 1990 arbeitet er freiberuflich als Journalist, u.a. für Kirchenzeitungen und für die Freie Presse Werdau/Zwickauer Land/Chemnitz und gelegentlich für andere Zeitungen und Zeitschriften.

 

Fußnoten

Veröffentlicht am

22. Dezember 2014

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