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Adenauer lügt für Atomwaffen

Lügengeschichte des Monats Dezember 2014

Von Andreas Buro

Nach der Kapitulation des "Dritten Reiches" im April 1945 verbreitete sich in der Bevölkerung die Formel "Nie wieder Krieg!" Im Grundgesetz der Bundesrepublik vom Mai 1949 war das Recht auf Kriegsdienstverweigerung festgeschrieben. Viele sprachen von einer nun pazifistischen Republik. Doch schon bald trat eine Tendenz zur Remilitarisierung der BRD auf. Seit 1948 wurde auch in den USA im Zusammenhang mit dem Brüsseler Pakt zwischen Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Ländern über eine mögliche Einbeziehung deutscher Streitkräfte gegen die Sowjetunion nachgedacht.Ich beziehe mich weitgehend auf das Buch von Hans Karl Rupp: Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer. Der Kampf gegen die Atombewaffnung in den fünfziger Jahren, Köln 1970. In dieser Zeit lehnte Adenauer zwar eine deutsche Wiederbewaffnung ab, es sei denn, sie sei ein deutscher Beitrag innerhalb einer Europäischen Föderation. Militärische Stärke war für ihn in Wirklichkeit "Kraft" ohne die "unser Wort nicht beachtet wird." Damit war der Bann "Nie wieder Krieg" von Seiten der Regierung gebrochen.

Dem folgten nach Zwischenschritten die Bemühungen des Westens, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu gründen. Mit ihr war ein Vertrag gekoppelt, zur Ablösung des Besatzungsstatuts. Die BRD sollte die volle Macht über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten erhalten. Das war ein wichtiges Ziel der Adenauer-Regierung. Der EVG-Vertrag scheiterte jedoch am 30. August 1954 am Widerstand der kommunistischen Fraktion im französischen Parlament.

Sogleich danach erhielt die BRD die Einladung zum Beitritt in die NATO. Die Verträge wurden bereits im Oktober 1954 unterzeichnet und traten am 5. Mai 1955 in Kraft. Die Souveränität - mit Einschränkungen - für die BRD wurde erreicht. Eine wichtige Einschränkung war das Recht der westlichen Alliierten, weiterhin nach ihrem Ermessen auf dem Territorium der BRD Streitkräfte zu stationieren. Die BRD musste sich ferner verpflichten, auf ihrem Territorium keine Atomwaffen herzustellen.

Der NATO-Beitritt plus Souveränitätsgewinn plus Marshallplan (1948-1952) beeindruckte große Teile der Bevölkerung. Hatte Deutschland im Zweiten Weltkrieg nicht gegen den richtigen Feind, die kommunistische UDSSR, gekämpft? Hatten die Amis dies endlich begriffen? Sie brauchten jetzt nicht nur unsere ehemaligen Geheimdienstleute, sondern auch unsere ost-erfahrenen Generäle und SS-Leute. "Nie wieder Krieg" wurde von vielen klammheimlich beiseite gelegt, außer bei den anti-militaristischen und pazifistischen Protestgrupperungen dieser Zeit.

Die Aufnahme der Bundesrepublik in die "Völkerfamilie" bedeutete wohl für viele, dass die zukünftige Bewaffnung der Bundeswehr möglichst derjenigen der anderen Vertragsstaaten entsprechen müsse. England und Frankreich waren anerkannte Atommächte. Sollte die BRD als Frontstaat gegen den sowjetischen Warschauer Pakt nicht auch in geeigneter Form über Atomwaffen verfügen können? Es war ja nur verboten, A-Waffen auf deutschem Boden herzustellen. Könnte man sie nicht gemeinsam mit den Franzosen, also auf fremdem Territorium produzieren? Der Versuch scheiterte jedoch am französischen Widerstand unter De Gaulle.

Vorschlägen für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa, wie sie von Moskau in Kombination mit einer Neutralisierung Deutschlands angeboten wurden, stand Bonn ablehnend gegenüber, denn dadurch würde ja eine atomare Teilhabe der BRD ausgeschlossen.

Im März 1958 beschlossen die Koalitionsfraktionen im Bundestag, die Streitkräfte der Bundeswehr mit den modernsten Waffen auszurüsten. Einen Tag danach erhielt Bonn das NATO-Dokument MC 70, das einen genauen Plan für die Aufnahme von Träger- bzw. Abschussmitteln für Atomsprengkörper (Raketen, Flugzeuge und Artillerie) für die Bundeswehr enthielt. Die Bundesregierung konnte so eine Teilhabe an der westlichen nuklearen Abschreckungsmacht erreichen Die Atomsprengköpfe blieben unter US-Verschluss und sollten nur im Kriegsfall der Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden (Nukleare Teilhabe).

Seit 1956 wurde in den Medien ab und zu über die Frage des Zugangs der Bundeswehr zu Atomwaffen geschrieben. Am 2. April 1957 brachte die SPD eine große Anfrage im Bundestag ein. Alles dies führte nicht zu großer Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.

Achtzehn renommierte, deutsche Physiker waren allerdings sehr beunruhigt. 14 von ihnen gehörten seit 1956 verschiedenen Atomkommissionen des Bundes und der Länder sowie internationalen Gremien an. Sie wandten sich in einem Brief an Verteidigungsminister Franz-Joseph Strauß und forderten die Berücksichtigung ihrer ernsten Bedenken gegen eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr. Es kam zu einem Treffen am 29.1.1957, das zu keiner Einigung führte, zumal Strauß eine große atomare Aufrüstung der europäischen NATO befürwortete.

Während die Göttinger 18 noch zögerten, mit ihren Bedenken an die Öffentlichkeit zu treten, versuchte Adenauer vorbeugend die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, indem er auf seiner Pressekonferenz am 4. April 1957 behauptete, taktische Atomwaffen seien nichts weiter als die Fortentwicklung der Artillerie. Damit belog er die deutsche Bevölkerung schamlos, um seine atomaren Ziele durchzusetzen.

Viele der in Deutschland in dieser Zeit stationierten Atomwaffensysteme der westlichen Alliierten hatten nur eine geringe Reichweite. Im Kriegsfall wären die Atomwaffen in Mitteleuropa, ja sogar in Westdeutschland explodiert, Außerdem war mit Sicherheit zu erwarten, dass sie ein Angriffsziel der UdSSR sein würden. Ein Schreckenszenario!

Erfreulicherweise führte Adenauers Lüge zu einem Eigentor. Die berühmten Physiker - die meisten gehörten der CDU an oder standen ihr nahe - waren so schockiert, dass sie beschlossen, ihre Bedenken am 11. April 1957 auf einer Tagung des Fachausschusses Kernphysik und kosmische Strahlung im Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften zu veröffentlichen. Das geschah am folgenden Tag durch Prof. Hahn und ging als Göttinger Erklärung in die deutsche Geschichte ein. Sie brachte den Protest gegen Atomwaffen in die Öffentlichkeit der ganzen Bundesrepublik.

Die für diese Zeit typische Reaktion des Verteidigungsministers Strauß: Dies sei ein leichtfertiges Experiment. Die Bundesregierung sei durch die begeisterte Zustimmung der kommunistischen Presse (zur Göttinger Erklärung A.B.) in ihrer Auffassung bestätigt worden.

Quelle:  Projekt Münchhausen - Dezember 2014. 

Fußnoten

Veröffentlicht am

28. Dezember 2014

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