Ausbildungsmission im Irak - Immer mehr Bundeswehr-Einsätze in rechtlicher Grauzone?Von Otfried Nassauer In der vergangenen Woche beschloss der Bundestag das Mandat für einen neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr. Für zunächst ein Jahr sollen bis zu Hundert Soldaten in den Nordirak entsandt werden. Dort sollen sie die Sicherheitskräfte der kurdischen Regionalregierung und die irakischen Streitkräfte ausbilden, damit diese die Kämpfer des Islamischen Staates besser zurückdrängen können. Eine militärische Ausbildungsmission bedarf nicht zwingend der Zustimmung des Bundestags. Sie ist keine bewaffnete Unternehmung, bei der die Soldaten einen Kampfauftrag haben. Trotzdem hat die Bundesregierung die Zustimmung des Bundestages eingeholt. Sicher ist sicher. Denn im Nord-Irak könnten die deutschen Soldaten auch in Kämpfe verwickelt werden. Damit hat die Bundesregierung demonstriert, dass sie im Zweifelsfall bereit ist, die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Schließlich ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Die gute Absicht erwies sich jedoch im konkreten Fall als tückisch. Wie sollte dieser Einsatz verfassungsrechtlich begründet werden? Dafür stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Beide sind in diesem Fall problematisch. Der Rückgriff auf Artikel 87 des Grundgesetzes setzt voraus, dass der Einsatz im Irak zum Verteidigungsauftrag der Bundeswehr gehört. Das wäre zwar der rechtlichen Absicherung des Mandats förderlich, würde aber die Frage nach sich ziehen, für welche anderen militärischen Auslandseinsätze das auch gilt. Die Berufung auf Artikel 24 Grundgesetz bedeutet, dass der Einsatz im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit, zum Beispiel der, unternommen wird. Auch das ist problematisch. Die Rahmenbedingungen eines Einsatzes im Irak erfüllen kaum die strukturellen oder institutionellen Voraussetzungen eines Systems kollektiver Sicherheit. Wer sich auf Artikel 24 beruft, muss also eine erweiterte Definition für Systeme kollektiver Sicherheit verwenden, die es ermöglicht, auch ad hoc gebildete Koalitionen der Willigen als Systeme kollektiver Sicherheit zu betrachten. Ein heikler Weg. Kaum hatte die Bundesregierung im Dezember einen Mandatsentwurf auf Basis des Artikels 24 beschlossen, warfen Juristen und Abgeordnete die Frage auf, ob diese rechtliche Begründung für das Vorhaben mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetz vereinbar sei. Es gab Zweifel an beidem. Die Kritiker saßen in Opposition und Koalition. Das Verteidigungsministerium war anderer Auffassung als das Auswärtige Amt. Die Bundesregierung war sich in dem Ziel einig, Ausbilder in den Irak zu schicken, nicht aber in Bezug auf die richtige Rechtsgrundlage. Trotzdem stimmte eine große Mehrheit der Koalitionsabgeordneten dem Mandat schließlich zu. Die einen, weil politisch nötig sei, was verfassungsrechtlich vielleicht nicht ganz sauber sei. Die anderen, weil sie sich in letzter Minute von einer rechtlichen Stellungnahme aus dem Auswärtigen Amt beruhigen ließen. Doch das ist nicht der einzige heikle Punkt. Es gibt weitere. Das Mandat ist seltsam vage und offen formuliert. Einige Beispiele: Die deutschen Soldaten sollen "die regionalen Sicherheitskräfte und die irakischen Streitkräfte" ausbilden. Gemeint sind natürlich die kurdischen Peshmerga. Ausdrücklich genannt werden sie aber nicht, denn für eine Bitte um internationale Militärhilfe ist die Zentralregierung in Bagdad zuständig und nicht die kurdische Regionalregierung in Erbil. Kritiker im Irak und in Deutschland fürchten, dass die kurdische Seite an der militärischen Hilfe vor allem auch deshalb interessiert ist, um sich später besser aus dem Irak lösen und einen eigenen Staat gründen zu können. Der außenpolitische Sprecher der Linken, Jan van Aken warnt deshalb vor einer Aufspaltung des Iraks : O-Ton van Aken Ungenannt bleiben im Mandat auch die genauen Ausbildungsaufgaben. An welchen Waffen und mit welchem Ziel soll ausgebildet werden? Regeln für den Einsatz der deutschen Soldaten gibt es bislang ebenfalls nicht. Ein Novum. Und zu den Aufgaben der Mission gehört bei Bedarf auch - Zitat - die "Koordination und Durchführung von Lieferungen (…) militärischer Ausrüstung im Nordirak". Seit dem vergangenen Jahr erhalten die Peshmergas Militärhilfe aus Deutschland. Bis zu 16.000 Kämpfer werden vor allem mit Kleinwaffen und Munition aus Bundeswehrbeständen ausgerüstet. Sie bekommen zum Beispiel Sturmgewehre, Panzerfäuste und Panzerabwehrraketen. Die Bundesregierung hat bereits ihre Bereitschaft angedeutet, im März über weitere Waffenlieferungen zu befinden. Gewöhnlich achtet die Bundesregierung sehr penibel darauf, dass der Bundestag bei Rüstungsexporten keinerlei Mitsprache hat. Mit diesem Mandat stimmen die Abgeordneten jedoch der Lieferung militärischer Ausrüstung durch die Bundeswehr indirekt zu - und das ohne genau zu wissen, was demnächst geliefert werden soll. Ein Blankoscheck also. Die Abgeordneten mussten ihn ausstellen, da das Parlamentsbeteiligungsgesetz ihnen nur die Möglichkeit lässt, ein Mandat in Gänze anzunehmen oder abzulehnen. Änderungen darf das Parlament nicht vornehmen. Möglicherweise geht es bei diesem Mandat sogar um noch mehr. Roderich Kiesewetter, ein kluger CDU-Abgeordneter, deutete vor dem Bundestag einen größeren Zusammenhang an. Es gehe darum, wie Deutschland künftig seiner gewachsenen außenpolitischen Verantwortung gerecht werden und wie dies ausgestaltet werden könne: O-Ton Kiesewetter Die Rühe-Kommission soll Vorschläge für eine Überarbeitung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes und die Zukunft der Auslandseinsätze der Bundeswehr unterbreiten. Ein neues Weißbuch soll 2016 die Grundlinien deutscher Außen- und Sicherheitspolitik neu formulieren und der sogenannte Review-Prozess bereitet dies in Form einer teilöffentlichen Debatte vor. Auch die Arbeit an den Mandaten für die Auslandseinsätze der Bundeswehr stellte Kiesewetter in diesen Zusammenhang. O-Ton Kiesewetter Es kann durchaus sein, dass die Bundesregierung dem Bundestag mit dem Mandat für die Mission im Nordirak ein Danaergeschenk gemacht hat. Sie hat ohne Not dessen Zustimmung zu einem Aussbildungseinsatz eingeholt - wohl wissend, dass Verfassungsklagen in diesem Fall praktisch unmöglich sind. Die Zustimmung des Bundestages kann nun für eine ganze Reihe fragwürdiger Positionen in Anspruch genommen werden, die in diesem Mandat enthalten sind und die - wären sie einzeln zur Abstimmung gebracht worden - möglicherweise auf deutlichen Widerstand gestoßen wären. Zum Beispiel
Mit einem solchen Mandat im Rücken erweitert sich der außenpolitische Handlungsspielraum der Bundesregierung erheblich. Das könnte ein wichtiger Grund gewesen sein, den Bundestag um Zustimmung zu bitten. Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS Quelle: BITS - Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer. Originalartikel vom 08.02.2015. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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