Konstantin Wecker: Wahre Deutsche"Wahre Deutsche" - offiziell gibt es die Partei noch nicht, aber sie hat jetzt schon ihr Zentralorgan: die BILD-Zeitung. Ein wahrer Deutscher unterschiedet sich von einem falschen dadurch, dass er unbarmherzig auf dem griechischen Volk herumhackt, BILD liest, Wolfgang Schäuble verehrt und sich im ganzen meist als Opfer fühlt: nicht des globalen Bankensystems natürlich, sondern von verarmten griechischen Rentnern, Arbeitslosen und Kleinverdienern. Vielleicht ist es angesichts eines solchen, herrisch auftretenden und destruktiven Wahnsystems besser, ein "falscher Deutscher" zu sein - so jedenfalls Konstantin Weckers Meinung. Von Konstantin Wecker Liebe Freunde, einem Medienbericht zufolge lehnt die euroskeptische Partei "Wahre Finnen" ein neues Griechenland-Programm kategorisch ab und droht, die Regierungskoalition platzen zu lassen. Euroskeptiker? Schon wieder so ein Euphemismus. Das sind stramme Rechtsaußen, Gegner von Abtreibung und Homoehe. Ihren Wahlkampf bestritten die "Wahren Finnen" mit Agitation gegen Einwanderer, der Bekämpfung der Europäischen Union und Forderungen nach einer Verschärfung des Ausländerrechts sowie einem Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union. Ist Herr Schäuble vielleicht auch ein "Wahrer Deutscher"? Der Herr Schäuble, der gestern in seinem Statement vor 100 Mikrofonen gesagt hat, dass Ende 2014 alles auf gutem Weg war. Besser kann man die Wahrheit nicht verdrehen. Vielleicht war ja vor allem 1967 bis 1974 in Griechenland alles toll, bis dann diese schlimmen Linken kamen. Der Slowake Peter Kazimir unterstellte den Griechen, sie hätten "eine Zeitreise" gemacht - vor zwei Wochen wären die Vorschläge ausreichend gewesen. Sollte das heißen, jetzt nicht mehr? "Die Botschaft, die Kazimir und andere Finanzminister ihrem griechischen Kollegen damit überbringen wollten: Jetzt gelten neue Regeln und die sind härter als vorher." (Spiegel online) Herr Kazimir, Sie sind wohl ein besonders "Wahrer Slowake", oder haben Sie mit der Vernunft auch jede menschliche Regung verloren? Sind die Regeln jetzt härter, weil Ihnen Ihre Gegner entgegengekommen sind und Sie sich deshalb größer und stärker fühlen? Oder - horribile dictu - war es noch nie auch nur annähernd vorgesehen, DIESER griechischen Regierung auch nur einen Millimeter entgegen zu kommen? Die Finanzminister der 19 Euroländer, die derzeit genüsslich an der Zerschlagung einer demokratischen Regierung arbeiten, sind vor allem eins: "Wahre Lügner". Sie wollen und werden nicht zugeben, was sie antreibt. Welche Angst in ihnen wohnt, dass ihre Heimlichkeiten auffliegen könnten. "2010 war Griechenland pleite. Es war schon damals klar, dass es seine Schulden nicht zurückzahlen kann. Trotzdem haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, 2010 die Weichen dafür gestellt, dass Deutschland und die anderen Euroländer die Haftung für die griechischen Schulden übernommen haben. Sie haben damit Banken und Hedge Fonds vor Milliardenverlusten bewahrt. Für die europäischen Steuerzahler dagegen, die nie gefragt wurden, war diese Entscheidung ein fataler Fehler. Es war von vornherein klar, dass ein großer Teil unseres Geldes verloren sein wird. Zusammen mit anderen Abgeordneten der Linken habe ich Sie damals im Bundestag darauf hingewiesen. Sie wollten das nicht hören." Das schreibt die kluge Sara Wagenknecht in ihrem hervorragenden offenen Brief an die Bundeskanzlerin. (Nachzulesen auf ihrer Website) Man hat zwar bei uns noch eine gewisse Scheu sich so zu nennen, aber es gibt sie wieder, die "Wahren Deutschen". Und sie drohen zu einer biblischen Plage zu werden. Mit dabei wohl der sogenannte Kabarettist Dieter Nuhr. Von dem lese ich heute in der SZ. "Der hatte in Zusammenhang mit griechischen Reparationsforderungen für deutsche Schuld aus dem Zweiten Weltkrieg geäußert: Da könne ja auch Iran Reparationen für den Krieg mit Alexander dem Großen fordern." Selten so gelacht - da klopfen sich Pegida und AfD und alle "Wahren Deutschen" vor Freude aber kräftig auf die braunen Schenkel. Wie schreibt Sahra Wagenknecht am Ende Ihres Briefes an Frau Merkel: "Sie sollten sich erinnern: auch der deutsche Wiederaufbau wurde durch einen großzügigen Schuldenschnitt ermöglicht. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Deutschland zwei Drittel seiner alten Schulden erlassen. Erst dadurch konnte das Wirtschaftswunder durchstarten. Auch bei den Griechen hatten wir damals Schulden, die nie zurückgezahlt wurden. Frau Bundeskanzlerin, ändern Sie Ihre Politik. Bevor es zu spät ist." Es steht zu befürchten, dass die Kanzlerin den Brief nicht liest. Er ist ja auch von keiner "Wahren Deutschen" verfasst. Quelle: Hinter den Schlagzeilen - 15.07.2015. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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