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Situation in Syrien: Stellvertreterkrieg beenden

Viele Staaten mischen im Bürgerkrieg mit - und halten den Konflikt damit am Laufen. Der größte Nutznießer ist die Terrormiliz Islamischer Staat.

Von Andreas Zumach - Kommentar

Der US-Außenminister John Kerry äußerte sich unmissverständlich. Vor dem Treffen am Freitag in Wien mit seinen Amtskollegen aus Russland, der Türkei und Saudi-Arabien fand er klare Worte: "Im Syrienkonflikt kann es keine militärische Lösung geben. Auch Russland und der Iran stimmen dieser Einschätzung zu. Wir sind uns alle bei einem Grundsatz einig: dass Syrien vereint, säkular, pluralistisch sein sollte."

Doch an diesen - so oder ähnlich auch von der deutschen Bundesregierung zu hörenden - Worten sind erhebliche Zweifel angebracht. Alle genannten Länder führen seit vier Jahren einen Stellvertreterkrieg in Syrien: sei es durch die Lieferung von Waffen, Geld oder die Entsendung von Söldnern an die eine oder andere innersyrische Bürgerkriegspartei, durch Luftangriffe zu (Un-)Gunsten der einen oder anderen Seite oder durch logistische Unterstützung und die militärische Ausbildung von Kämpfern.

Auch Deutschland, dessen Außenminister Frank-Walter Steinmeier sich vorgeblich "intensiv um eine diplomatische Lösung des Syrienkonflikts" bemüht, ist zumindest indirekt an diesem Stellvertreterkrieg beteiligt - durch die erneut gesteigerten Rüstungsexporte an Saudi-Arabien. Das Königreich ist der "Hauptsponsor des Dschihadismus mit großer Nähe zum Islamischen Staat", wie Navid Kermani, der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, zu Recht festgestellt hat.

Keiner der genannten Akteure zeigt bislang die Bereitschaft, seine direkte oder indirekte Beteiligung am Syrienkrieg zu beenden. Im Gegenteil: Nach der jüngsten Eskalation durch die russischen Luftangriffe, die den Bodentruppen des Assad-Regimes Geländegewinne ermöglichen, erwägen die USA nun die Lieferung panzerbrechender Waffen an die verbündeten Oppositionsmilizen. Das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Russland und den Vereinigten Staaten wächst, trotz der diese Woche vereinbarten Sicherheitsmaßnahmen im Luftraum über Syrien.

Kalküle sind nicht aufgegangen

Im besseren Fall verfolgen die Regierungen in Moskau und Washington mit ihrer Kriegsbeteiligung nicht das Ziel einer "militärischen Lösung" durch den Sieg ihrer jeweiligen Bündnispartner in Syrien, sondern lediglich das Kalkül, die Ausgangsposition dieser Bündnispartner bei den geplanten Verhandlungen über die Zukunft Syriens zu verbessern.

Doch derartige Kalküle sind bei ähnlichen Gewaltkonflikten in der Vergangenheit zumeist nicht aufgegangen. Denn fortgesetzte militärische Unterstützung von außen für innerstaatliche Kriegsparteien schürt bei diesen die Illusion, sie könnten doch noch militärisch gewinnen, und ermutigt sie, weiterzukämpfen. Ganz abgesehen davon ist es für die durch den Krieg geschundene syrische Zivilbevölkerung völlig gleichgültig, mit welchem Ziel oder Kalkül der Krieg weitergeführt wird.

Heraushalten

Es ist auch eine weitverbreitete Illusion, der sogenannte Islamische Staat (IS) ließe sich militärisch besiegen. Selbst wenn Russland in Syrien in enger Kooperation mit den Vereinigten Staaten nur die IS-Milizen bombardieren und die Luftangriffe auch auf IS-Stellungen im Irak ausweiten würde, wie jetzt einige Oppositionsparteien in Bagdad fordern, würde dies nicht gelingen. Man sollte meinen, Russland sowie die USA und ihre Nato-Verbündeten hätten diese Lektion aus ihren verlorenen asymmetrischen Kriegen und Besatzungen in Afghanistan von 1979 bis 1988 und von 2001 bis 2011 sowie im Irak von 2003 bis 2011 begriffen.

Der wichtigste Nährboden für den IS ist der fortgesetzte Krieg in Syrien. Der Islamische Staat wird sich nur eindämmen lassen, wenn dieser Krieg beendet wird. Doch das wird nur gelingen, wenn alle, in welcher Form auch immer, direkt und indirekt an diesem Krieg beteiligten äußeren Akteure sich zukünftig heraushalten. Wenn das nicht sehr bald passiert, gibt es keine Chance mehr für ein "vereintes, säkulares und pluralistisches Syrien".

Andreas Zumach. Seit 1988 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan… geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung. Bücher: Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995)

Quelle: taz - 24.10.2015. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

28. Oktober 2015

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