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Frankreich gegen den IS: Kein Krieg

Frankreich sieht die Anschläge als "Kriegsakt" des IS und will entsprechend reagieren. Doch für Terroristen gilt das Strafrecht.

Von Andreas Zumach

"Was sich gestern ereignet hat, ist ein Kriegsakt, und dem gegenüber muss das Land die angemessenen Entscheidungen treffen", sagte der französische Präsident François Hollande am Samstag. Premierminister Manuel Valls erklärte: "Ja, wir sind im Krieg." Frankreich werde handeln, um diesen Feind zu zerstören.

Noch ist unklar, ob es sich hier nur um markige Rhetorik handelt. Falls die französische Regierung aber auch die völkerrechtliche Lage beschreiben wollte, liegt sie falsch. Völkerrechtlich ist Frankreich nicht "im Krieg" mit dem IS.

Der "Krieg gegen den Terror" wurde zum Leitsatz der US-Regierung nach den Anschlägen von 2001. Dabei sahen sich die USA tatsächlich völkerrechtlich im weltweiten Kriegszustand mit al-Qaida, weshalb ihnen die Tötung von Al-Qaida-Kämpfern generell als gerechtfertigt galt. Europäische Völkerrechtler haben diese Sichtweise stets abgelehnt. Terrororganisationen wie al-Qaida müssten mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden.

Mit Blick auf den Islamischen Staat (IS) stellte sich diese Frage neu. Immerhin führt der IS den Begriff "Staat" im Namen, und er herrscht auch über große Territorien in Syrien und im Irak. Allerdings ist der IS bisher von niemandem als Staat anerkannt worden. Völkerrechtlich handelt es sich nur um eine illegale Aufstandsbewegung, die von den jeweiligen Regierungen auch militärisch bekämpft werden darf.

Eine Aufgabe der Polizei

Nun hatte Frankreich schon Ende September und Anfang Oktober IS-Ausbildungslager in Syrien bombardiert. Frankreich hatte dabei aber weder die Zustimmung der syrischen Regierung noch ein UN-Mandat. Begründet wurden die Militäraktionen als französische "Selbstverteidigung", denn in den Lagern würden auch Attentate in Frankreich vorbereitet. Völkerrechtlich überzeugend ist das nicht. Die Verhinderung von Attentaten in Frankreich ist eine Aufgabe der Polizei. Auch angehende Terroristen dürfen nicht vorsorglich hingerichtet werden, schon gar nicht im Ausland.

Doch selbst wenn man die französischen Luftschläge auf IS-Stellungen als rechtswidrig einstuft, wäre dies keine Rechtfertigung für die IS-Anschläge von Paris. Auf eine Verletzung der syrischen Souveränität kann sich nur Syrien berufen, nicht der IS.

Umgekehrt hatten die Pariser IS-Angriffe auch keine derart militärische Qualität, dass nun von einem bewaffneten Konflikt auf französischem Boden ausgegangen werden kann. Dementsprechend ist auch nach den jüngsten Attentaten völkerrechtlich keine militärische Antwort gegen den IS gerechtfertigt.

Nach den Anschlägen von 2001 hatte die Nato den Bündnisfall ausgerufen. Doch konnten die Terroranschläge damals zumindest auch dem afghanischen Taliban-Staat zugerechnet werden, der al-Qaida unterstützte und gewähren ließ. Ob wegen der IS-Anschläge der Bündnisfall möglich wäre, bleibt offen. Allerdings hat Frankreich bisher die Nato gar nicht um Hilfe gebeten.

Eher Rhetorik

Selbst wenn der Bündnisfall festgestellt würde, könnte jeder Nato-Staat selbst entscheiden, auf welche Weise und in welchem Ausmaß er Frankreich unterstützen würde. Es gäbe keinerlei Automatismus. Ein Einsatz der Bundeswehr müsste zudem vom Bundestag beschlossen werden.

Drohungen aus Paris, den Krieg gegen den IS zu verschärfen, sind wohl eher Rhetorik. Frankreich könnte die Zahl seiner Luftschläge auf IS-Stellungen zwar ausweiten. Mit Luftangriffen können dem IS allerdings nur gewisse Rückschläge zugefügt werden. Militärisch besiegen lässt sich der IS so aber nach Expertenansicht nicht - selbst wenn auch die anderen westlichen und arabischen Staaten ihre Angriffe deutlich steigerten. Schon gar nicht ließe sich der IS aus der im Juni 2014 eroberten, strategisch bedeutsamen Zwei-Millionenstadt Mossul vertreiben. Das gelänge - wenn überhaupt - nur im verlustreichen Straßen- und Häuserkampf mit regulären Bodentruppen. Doch zu deren Entsendung ist die französische Regierung bisher ebenso wenig bereit wie irgendeine andere Regierung.

Bliebe als zusätzliches militärisches Instrument höchstens der Einsatz von Spezialkommandos. Diese könnten - nach dem Vorbild der US-amerikanischen Delta Forces - gezielte Einsätze auf syrischem oder irakischem Territorium durchführen, um führende IS-Mitglieder zu töten oder um kurdische Kämpfer und anderer Gefangenen der IS zu befreien.

Quelle: taz - 15.11.2015. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

16. November 2015

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