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Tisa-Verhandlungen: Droht “Fracking für alle”?

In Genf wird die "Liberalisierung" der globalen Energiemärkte verhandelt. Das TISA-Abkommen lässt nichts Gutes erahnen.

Von Andreas Zumach - Kommentar

Nach dem Ausstieg aus der Atomenergie tritt die Bundesregierung jetzt bei der Pariser Klimakonferenz auch mit relativ ehrgeizigen Zeitplänen für das Ende der klimaschädlichen Kohlenutzung und den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien auf - zumindest im internationalen Vergleich.

Zugleich verhandelt die Regierung - vertreten durch die EU, deren gewichtigstes Mitglied Deutschland ist - jedoch seit drei Jahren in Genf hinter verschlossenen Türen über die vollständige "Liberalisierung" der globalen Energiemärkte zum Vorteil der großen fossilen Energiekonzerne und ihrer umweltzerstörenden Methoden wie Fracking.

Wie geht das zusammen? Diese Frage muss die Bundesregierung endlich beantworten. Der norwegisch-isländische Entwurf für das Energiekapitel des in Genf verhandelten Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (TISA) bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Er läuft hinaus auf "Fracking for all".

Würde dieser Entwurf Vertragswirklichkeit, wären nationale Weichenstellungen für eine Wende weg von atomaren und klimaschädlichen fossilen hin zu sauberen und erneuerbaren Energieressourcen kaum mehr möglich sein. Regierungen könnten den Energiesektor ihres Landes kaum mehr durch umwelt-, gesundheits-, verbraucher- oder sicherheitspolitische Maßnahmen regulieren. Kommunale und besonders bürgernahe genossenschaftliche Energieversorgungsunternehmen hätten keine Chance mehr gegenüber großen ausländischen Konzernen.

Welche Position hat die Bundesregierung zu all diesen Fragen? Gibt es überhaupt eine gemeinsame EU-Position? Im Juni letzten Jahres erklärte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, es sei nicht Ziel oder Inhalt der TISA-Verhandlungen, den Gesundheitssektor oder andere öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren.

Diese glatte Lüge der Bundesregierung wurde durch inzwischen öffentlich gewordene Vorschläge der Türkei und anderer TISA-Verhandlungsstaaten für die Vertragskapitel zum Gesundheitssektor und anderen öffentlichen Dienstleistungen widerlegt. Die Abgeordneten aller Parteien sollten sich die Missachtung des Parlaments und Verhöhnung der Demokratie nicht länger bieten lassen und verlangen, dass die Bundesregierung dem Bundestag endlich ausnahmslos sämtliche Dokumente vorlegt, die die EU bei den TISA-Verhandlungen zum Energiekapitel und allen anderen Teilen des geplanten Abkommens eingebracht hat.

Andreas Zumach. Seit 1988 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz, Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan… geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung. Bücher: Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995)

Quelle: taz - 04.12.2015. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

06. Dezember 2015

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