Uneinigkeit bei Koblenzer Staatsanwälten zulasten eines AtomwaffenkritikersVon Elke Steven Die strafrechtliche Bewertung eines atomwaffenkritischen Flugblattes führt zu Chaos innerhalb der Staatsanwaltschaft Koblenz: Ein Oberstaatsanwalt verneint einen Anfangsverdacht bezüglich eines atomaffenkritischen Flugblattes, zwei Staatsanwälte aber erheben Anklage. Bei der Staatsanwaltschaft Koblenz führte dies zu strafrechtlichen Ermittlungen von zwei Staatsanwälten und einem Oberstaatsanwalt, die sich im Ergebnis völlig widersprechen. Nach gegensätzlichen Entscheidungen steht nun wieder eine Verhandlung im Februar 2016 an. Staatsanwalt Dumstrey klagte den Atomwaffengegner im Januar 2015 wegen Aufforderung zum Geheimnisverrat an: "Durch die Verteilung des Flugblattes wollte der Angeschuldigte eine möglichst große Anzahl von Bediensteten der Bundeswehr dazu bringen, Tatsachen, die diesen in Ausübung ihrer Tätigkeit anvertraut worden sind und deren Kenntnis nicht über einen begrenzten Personenkreis hinausgeht und die geheimhaltungsbedürftig sind, öffentlich zu machen" (§ 111 StGB, § 353b StGB). Daraufhin wurde Theisen im September 2015 vom Amtsgericht Cochem zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro verurteilt (2090 Js 45215/14). Der Abteilungsleiter von Staatsanwalt Dumstrey, Oberstaatsanwalt Schmengler, kam hingegen im Sommer 2015 zu einer ganz anderen strafrechtlichen Bewertung: "Nach dem vorgetragenen Sachverhalt ist kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten gegeben (§ 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung). Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne dieser gesetzlichen Vorschrift dürfen nur angenommen werden, wenn nach kriminalistischer Erfahrung Anzeichen vorliegen, die es als möglich erscheinen lassen, dass eine strafbare Handlung begangen wurde. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt" (2090 Js 53680/15). Im Januar 2016 kam es dann zu einem Zuständigkeitswechsel innerhalb der Staatsanwaltschaft Koblenz und die nun zuständige Staatsanwältin Lehmler klagte Theisen erneut an: "Durch die Verteilung und Versendung des Flugblattes wollte der Angeschuldigte eine möglichst große Anzahl von Bediensteten der Bundewehr dazu bringen, Tatsachen, die diesen in Ausübung ihrer Tätigkeit anvertraut worden sind und deren Kenntnis nicht über einen begrenzten Personenkreis hinausgeht und die geheimhaltungsbedürftig sind, öffentlich zu machen" (2010 Js 13035/15). Das Amtsgericht Cochem hat diese Anklage inzwischen zugelassen und für den 29.02.2016 zur Hauptverhandlung geladen. Im Zusammenhang mit dieser Anklage wurden auch an Kommunalpolitiker gerichtete Briefe des Atomwaffengegners von der Staatsanwaltschaft Koblenz beschlagnahmt und geöffnet. Auch diese Verletzung des Briefgeheimnisses (Art. 10 GG) ist ein ungeheuerlicher staatlicher Eingriff. Staatsanwältin Lehmler teilte auf den Hinweis, dass Oberstaatsanwalt Schmengler einen Anfangsverdacht verneint hat, mit: "Das Verfahren 2090 Js 53680/15 wurde nicht von mir bearbeitet. Die dortige Entscheidung bindet mich nicht." Theisen empfindet das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Koblenz als Justizwillkür: "Wenn sich ein Oberstaatsanwalt und zwei Staatsanwälte ein und derselben Staatsanwaltschaft bei der strafrechtlichen Bewertung eines atomwaffenkritischen Flugblattes vollkommen widersprechen, so ist das einfach nur kafkaesk. Es wird Zeit, dass hier die juristische Notbremse gezogen wird." Elke Steven (Grundrechtekomitee) stellt angesichts der vielen Prozesse, die oft erst in den höheren Instanzen dem Atomwaffenkritiker recht geben, fest, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit Krieg und seiner Vorbereitung - zumal der nuklearen Aufrüstung - wohl verhindert werden soll. "Die Wahrheit stirbt zuerst, nicht erst im Krieg, sondern auch im Vorkrieg." Quelle: Komitee für Grundrechte und Demokratie - Pressemitteilung vom 29.01.2016. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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