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Iraner hoffen auf bessere Zeiten

Präsident Ruhani will das Land weiter verändern. Aber nur so viel, wie es die Hardliner und die Staatsordnung zulassen.

Von Karl Grobe

Die Doppel-Wahl vom Februar hat Iran verändert; aber ein politisches Erdbeben war es nicht. Die Freude über den Erfolg der "Reformer" sollte nicht dazu verführen, auf einen Wandel des Systems zu schließen. Präsident Hassan Ruhani gehört ebenso zum Establishment wie alle anderen Gewählten, dafür hat schon die gründliche Vor-Auswahl durch den - ungewählten - Wächterrat gesorgt. Reformer, die vor acht Jahren kandidieren durften, stehen noch unter Hausarrest, und selbst sie waren im Gegensatz zu den damals sehr optimistischen Veränderungswilligen keineswegs bereit, anders als systemintern zu reformieren. Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi marschierten vielmehr einer Volksbewegung voran, um sie zu bremsen. Sie wurden als deren Vertreter missverstanden. Dafür und für das Vergehen, Wahlen verloren zu haben, wurden sie mit Freiheitsentzug bestraft. In diese Gefahr hat Ruhani sich nicht begeben.

Und doch ist Ruhani Träger so großer Hoffnungen, wie die Staatsordnung zulässt. Hoffnungen, die sich in erster Linie auf wirtschaftlichen Aufschwung beziehen. Die meisten Sanktionen gegen Iran sind seit der Beilegung des Atomkonflikts gefallen, auf den Weltmarkt führen nicht mehr nur Schleichwege, Investoren reisen an, Projekte werden entworfen. Ruhanis Angebot, die Autoindustrie zu privatisieren und auszuweiten, zeigt die von seiner Fraktion gewünschte Richtung. Bis die Vorhaben aus dem Stadium von Powerpoint-Projektionen in die reale Ökonomie hinüberwachsen, dauert es freilich.

Unübersehbar steht da ein Stoppschild mit der Aufschrift "Pasdaran". Die Häupter der Revolutionsgarden - der Pasdaran - haben die tausend größten und wichtigsten Firmen für sich privatisiert unter dem Anschein, staatliche Interessen zu vertreten. Da sie den Staat mittels Militärmacht beherrschen, ist das eine sichere Position. Solange die Pasdaran abschöpfen können, was die - ja nicht uneigennützigen - Investoren aus der Fremde ihnen übrig lassen, werden sie der Verlockung ökonomischer Öffnung nicht widerstehen. Nur so lange. Danach aber bringen allzu große Öffnungen des politisch-ökonomischen Systems ihre gesellschaftliche Macht in Gefahr.

Damit ist das Tempo definiert, in dem der Lebensstandard der Mehrheit sich heben kann. Er wird steigen; das Team um Ruhani kann davon profitieren; auf dieser Aussicht beruhte unter anderem sein Wahlsieg. Wirtschafts-Öffnung ist die leichtere Übung. Auf dem langen Marsch zur politischen Veränderung aber hilft ein "linker" Wahlsieg für sich allein nicht weiter. Erstens rüttelt nichts und niemand daran, dass der Oberste Rechtsgelehrte - oder wie auch immer Ali Khamenei betitelt wird - das letzte Wort behält. Nicht als Person, wohl aber als Inhaber einer Funktion, auf deren institutionalisierte Weisheit sich die erlaubten Reformer ebenso beziehen müssen wie die Pasdaran; und gerade die (ideologisch: die Hardliner) genießen seine Gunst. Theologie ist in Iran ein Machtinstrument, was denn sonst?

Selbst hier keimt Hoffnung. Khamenei ist krank. Seine Position verteidigt er noch; mit dem Aufruf an die Gewählten, sich dem Einfluss von Außenseitern entgegenzustellen, hat er nochmals das Revier markiert. Doch es wird nicht mehr lange dauern, bis der Expertenrat den Nachfolger küren muss. Dann erst wird es sich auswirken, dass die Hardliner bei der Doppelwahl ganz erheblich abgestraft wurden.

Was übrigens nicht überall geschehen ist. Nur in Teheran und im Umkreis der Hauptstadt, wo ein Viertel aller Iraner lebt, haben die "Reformer" die Wahlen eindeutig gewonnen. In der zweitgrößten Stadt, Isfahan, siegten die Hardliner ebenso eindeutig. Quer durchs Land haben viele auf die Wahrnehmung ihres Wahlrechts verzichtet, weil ihnen die Aussicht auf echten Wechsel allzu vage schien. All dies gehört zu den demokratischen Aspekten, die in der iranischen Theokratie erlaubt sind; wie die Verdoppelung der Mandatszahl für Frauen (von 9 auf 14 von 450), wie die Bestätigung der Sitze für religiöse Minderheiten, darunter Juden und Christen.

Das sind deutliche Belege für das Bestehen einer aufgeklärten, dynamischen Zivilgesellschaft, wie es sie ringsum weder in der arabischen und in der nachsowjetischen Region in solchem Ausmaß gibt. Iraner nehmen sich mehr persönliche Freiheiten, als in den Nachbarländern vorstellbar sind. Demokratie ist das längst noch nicht. Vielleicht ist es ein Weg dahin; es ist allerdings gar nicht ausgemachte Sache, dass Iran erst dann modern sei, wenn sein politisches System etwa dem von Westminster auf Augenhöhe begegnet. Iran - Persien - kann aus seiner 2500 Jahre alten kulturellen und sozialen Eigenentwicklung ganz andere Lösungen für die Gegenwartsprobleme ableiten. Ungefähr dafür steht die Entwicklung, die Ruhanis Wahlerfolg möglich gemacht hat.

Was sich allerdings gar nicht ändert, sind die außenpolitischen Voraussetzungen. Die Gegensätze zwischen Iran und den arabischen Öl-Despotien sind und bleiben eine Konstante; die Frontstellungen gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat ist ebenso konstant und bleibt es, solange besagte Ölstaaten dieses Konglomerat von Jihadisten weiter fördern. Wie sich die Beziehungen mit den USA entwickeln - über die pragmatische Zusammenarbeit beispielsweise in Afghanistan oder gegen den IS hinaus zu einer gewissen Partnerschaft oder eben nicht -, hängt von einem Vorgang ab, den Teheraner Politiker am allerwenigsten beeinflussen können: der Präsidentenwahl in den USA. Präsident Trump? In dem Fall dürfte sogar Ruhani bereuen, den Atomvertrag unterzeichnet zu haben.

Karl Grobe ist freier Autor. Er war langjähriger außenpolitischer Redakteur der Frankfurter Rundschau.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 02.03.2016. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

03. März 2016

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