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Völkerrecht in Syrien: It’s real politics, stupid

Die syrische Armee verstößt mit Angriffen gegen das humanitäre Völkerrecht. Doch ein Verfahren gegen sie wird es wohl nicht geben.

Von Andreas Zumach - Kommentar

Die gezielten Angriffe auf Krankenhäuser im Syrienkrieg sowie das Aushungern der Bevölkerung belagerter Städte sind Kriegsverbrechen und schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgt und bestraft werden sollten. Daran hat der stellvertretende UNO-Generalsekretär Feltman in seiner Rede vor dem Sicherheitsrat mit aller Deutlichkeit erinnert.

Richtig ist auch die Gewichtung, die Feltman vorgenommen hat: Der Hauptanteil dieser Verbrechen wurde und wird von syrischen Regierungsstreitkräften verübt, in deutlich geringerem Ausmaß auch von diversen Rebellenmilizen sowie vom "Islamischen Staat" und von dem Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front.

Diese Gewichtung ist bestens belegt. Nicht nur durch die umfangreichen Zeugenaussagen, die die Syrien-Untersuchungskommission des UNO-Menschenrechtsrates seit 2012 gesammelt hat, sondern auch durch die vielen Tausend Dokumente der syrischen Regierung, die eine private Ermittlergruppe in den letzten drei Jahren mithilfe von Insidern aus dem inneren Machtzirkel um Präsident Assad sichergestellt hat.

Darunter befinden sich Hunderte von Assad persönlich unterzeichnete Anweisungen und Befehle nicht nur zur Kriegführung seiner Streitkräfte, sondern auch für das Vorgehen der staatlichen Sicherheitsorgane und der Polizei gegen (vermeintliche) Oppositionelle durch willkürliche Inhaftierung und Verschwindenlassen, Folter, Ermordung und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen. In sehr viel geringerem Umfang sind auch Verbrechen diverser Rebellengruppen an Gefangenen und Dissidenten dokumentiert.

Die Beweislage ist so umfangreich, dass der Sicherheitsrat den Strafgerichtshof schon morgen mit der Eröffnung der ersten Verfahren beauftragen könnte. Doch das werden die fünf Vetomächte aus "realpolitischen Gründen" jetzt und wahrscheinlich auch in Zukunft nicht zulassen.

Andreas Zumach. Seit 1988 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan… geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung. Bücher: Globales Chaos - machtlose UNO (2015),  Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995)

Quelle: taz - 06.05.2016. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

07. Mai 2016

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