USA: Schadenfreude wäre gefährlichDonald Trump zwingt die Republikaner in eine Zerreißprobe. Doch deshalb haben die Demokraten noch lange nicht gewonnenVon Konrad Ege Es tun sich Abgründe auf in den USA. Donald Trump ist eine mediale Kunstfigur, eine Celebrity, die weiße und nationalistische Ressentiments anheizt, doch von Kritikern schwer zu packen ist. Gut zehn Millionen Amerikaner haben bei den bisherigen Vorwahlen ihre Stimmen für diesen Bewerber abgegeben. Eine Minderheit, doch ebenso eine Größenordnung. In sechs Bundesstaaten gehen die Republikaner noch zur Urne. Die linke Ecke könnte Genugtuung empfinden angesichts der Zustände in der Republikanischen Partei. Der entthronte Hochadel der Familie Bush ist so sauer, dass Vater und Söhne angeblich nicht einmal zum Parteikonvent im Juli gehen. Schadenfreude wäre allerdings gefährlich, denn es ist vollkommen unklar, was auferstehen wird aus den Parteiruinen. Viele Experten haben daneben gegriffen bei ihren Prognosen, Trump werde früher oder später zusammenbrechen. Es geht bei diesem Bewerber mehr um Gefühle als Programme, wenn er im Hubschrauber einfliegt und die Jubler begrüßt. Nach Umfragen begeistern sich für ihn besonders Republikaner, die sonst wenig Interesse haben an der Politik. Für einen Trump war offenbar die Zeit reif. Bereits vor acht Jahren hat Senator und Vietnamkriegsheld John McCain der Partei ihre Schwäche vor Augen geführt, als er Sarah Palin (Tea Party) an Bord holte, die Ignoranz zur Tugend erklärte, doch angeblich einen Draht zum "wahren Amerika" hatte. Bei Trumps Sondierungsgesprächen mit führenden Republikanern Mitte Mai ließen die Beteiligten die Türen sperrangelweit offen, es bleibt halt eine Zwangsvermählung. Große Zugeständnisse machten bei den Vorwahlen konservativ orientierte christliche Wähler, die in manchen Staaten mehr als die Hälfte der Urnengänger stellten. Sie warnen vor moralischem Zerfall, stimmen aber für einen Spielcasino-Gründer, der seit Jahren prahlt, wie in seinem Buch Think Big, er sei mit den "schönsten Frauen der Welt" verheiratet und habe mit "Top-Frauen" geschlafen. Aber Trump hat gut abgeschnitten im Bibelgürtel. Es ist nicht das erste Mal, dass Amerikas konservative Christenheit Kompromisse schließt: Ende der 70er Jahre stellten sich viele weiße Evangelikale gegen den Sonntagsschullehrer Jimmy Carter und wählten den Hollywood-Schauspieler Ronald Reagan. Früher lief es so in der Republikanischen Partei: Ökonomische Interessen festigten ihre Macht mit Bekenntnissen zu Sozialkonservativem und Rechtschristlichem. Die Partei vertrete trotz Austeritätspolitik die Interessen des "normalen" Amerikaners gegen den Staat und eine irgendwie liberale Elite, hieß es. Trump verlagert die Themen. Er fordert eine Art radikalen Nationalismus, der so tut, als seien Amerikaner und die USA Opfer. In New York wurde er von einem Rundfunksender nach seiner liebsten Bibelstelle gefragt. "Auge um Auge", entgegnete Trump. Man sehe doch, wie andere Länder "uns verspotten und unsere Jobs wegnehmen, unser Geld und unser Wohlergehen". Der "normale" Amerikaner in Trumps Welt ist weißer Hautfarbe und will die Grenzen dichtmachen, um Einwanderer draußen zu halten. Trump ist nicht der erste Republikaner, der so etwas fordert, er sagt es nur viel platter und lauter. So ist es der Republikanischen Partei außerordentlich schnell gelungen, mit Trumps These von den Mexikanern als Vergewaltigern zurechtzukommen. Auch findet die Hetze gegen Muslime beträchtliche Zustimmung. Chomsky für ClintonInhaltliche Differenzen zwischen Trump und der Parteiführung gibt es beim Freihandel (der Anwärter hält die Abkommen für schlecht ausgehandelt), in der Sicherheitspolitik (Trump stellt bestehende Bündnisse in Frage) und beim Sozialen. Hier widersetzt sich der Bewerber der gängigen republikanischen These, der Staat müsse die Renten und Gesundheitsleistungen für Senioren kürzen - doch legt er für seine Positionen keine konkreten Pläne vor. Jüngst hat Trump volksnah versichert, der Mindestlohn müsse steigen, dann hat er sich binnen Tagen revidiert. Es solle gar keinen nationalen Mindestlohn geben. Auch bei den Demokraten reift die Entscheidung heran. Es gefalle ihm, wie "der verrückte Bernie" die "korrupte Hillary" kritisiere, ließ Trump kürzlich wissen. Angesichts des demografischen Wandels hin zu mehr Afroamerikanern und Latinos, prozentual weniger Weißen, und des Entsetzens, das Donald Trump bei vielen Menschen auslöst, haben die Demokraten im November gute Karten. Doch Hillary Clinton kommt mit viel Gepäck aus der Vergangenheit und bei Bernie Sanders’ Anhängern wird intensiv diskutiert, wen man wählen soll, falls ihr Favorit bei den Vorwahlen verliert. Es fallen harte Worte. Es wäre doch eine "Strategie des Bankrotts", wolle man die "Millionen junger Leute, die von Sanders’ Botschaft der sozialen Revolution politisiert worden sind", zur Wahl von Hillary Clinton drängen, sagt Kshama Sawant, Stadträtin von Seattle und bekannt wegen ihres Eintretens für 15 Dollar Mindestlohn pro Stunde. Trump mache ihr Angst, doch um ihm die Arbeiterschicht streitig zu machen, müsse die Linke eine wirkliche Alternative anbieten, so Sawant im Hörfunkprogramm Democracy Now. In West Virginia hat Sanders am 10. Mai deutlich gewonnen mit 51 Prozent gegen Clinton (36 Prozent). Aus seiner Sicht der erneute Beweis, dass die Botschaft gegen die "Klasse der Milliardäre" ankommt. West Virginia, 1,8 Millionen Einwohner, einst wirtschaftlich von der Kohle bestimmt, hat heute Walmart als größten Arbeitgeber. Das sei ein "Arbeiterklasse-Staat", so Sanders, und Arbeitern gehe es schlecht, daher hätten sie für ihn gestimmt. Doch Klassenbewusstsein allein war das nicht. 93 Prozent der Bewohner sind weiß, und in West Virginia verspürt man eine heftige Abneigung gegen Barack Obama und gegen die Frau, die sein Erbe antreten möchte. Unmöglich zu sagen, wie viele Sanders-Anhänger ihr individuelles Reinheitsgebot einhalten und im November nicht für Clinton stimmen werden. Es kandidiert 2016 auch Jill Stein für die Grüne Partei. Ihren größten Erfolg erzielten die Grünen 2000 mit dem Verbraucherschützer Ralph Nader, der auf 2,9 Millionen Stimmen kam. Das waren die Wahlen, bei denen der Demokrat Al Gore im entscheidenden Staat Florida 537 Stimmen weniger bekam als George W. Bush, und Nader dort gut 97.000 Stimmen erhielt. Für ihn gebe es angesichts der Bedrohung durch Trump nur eine "rationale Entscheidung" am 8. November, so jüngst der Schriftsteller und Linguistik-Professor Noam Chomsky: Hillary Clinton wählen. Sanders selber betont, er kandidiere, um zu gewinnen, auch wenn der Weg steil sei angesichts seines Delegiertenrückstandes. Er wäre "der bessere Kandidat gegen Trump". Manches deutet auf Kooperation hin. Kürzlich hat Sanders Enthusiasten kritisiert, die Clintons Wahlmeetings gestört hatten. Vor den Versammlungslokalen demonstrieren, sei natürlich gut, meinte er, doch im Saal die Reden unterbrechen, das sei nicht sein Stil. Er werde im Hauptwahlkampf alles in seiner Kraft Stehende tun, um sicher zu stellen, "dass so jemand wie Donald Trump nicht Präsident wird". Quelle: der FREITAG vom 19.05.2016. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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