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“Menschen auf der Flucht - Asyl in Deutschland?”

Ein Abend mit Ullrich Hahn, Fachanwalt für Ausländerrecht

Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 89, Juni 2016 Der gesamte Rundbrief Nr. 89 kann hier heruntergeladen werden:  PDF-Datei , 714 KB)

Guten Zuspruch fand die von Lebenshaus Schwäbische Alb gemeinsam mit dem Weltladen Gammertingen am 16. März 2016 organisierte Veranstaltung mit Ullrich Hahn im evangelischen Gemeindehaus in Gammertingen.

Seit Ende der 1980er Jahre berät und unterstützt Ullrich Hahn  im Rahmen des Rechtsberaternetzes des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR Flüchtlinge und Asylsuchende. Seit kurzem wird er dabei von seinem Sohn Oskar, der inzwischen ebenfalls Rechtsanwalt ist, in der Kanzlei in Villingen-Schwenningen unterstützt. Zudem ist Ullrich Hahn Präsident des Deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungsbundes. Über viele Jahrzehnte war er auch in verschiedenen Gremien der evangelischen Landeskirche Baden tätig. Übrigens gehört er zu den uns inspirierenden Menschen, die vor 23 Jahren auch zur Gründung unseres Vereins entscheidend beigetragen haben und ist uns ein guter Freund.

Bei der Veranstaltung ging Ullrich Hahn zunächst auf die vielfältigen Fluchtgründe ein: Es gebe Menschen, die z.B. aus politischen, religiösen oder rassistischen Gründen verfolgt seien. Andere Menschen wollten dem Krieg entkommen. Wieder andere fliehen wegen Folter oder drohender Todesstrafe. Und es gebe wirtschaftliche Gründe, weil Menschen ihre Lebensgrundlage entzogen werde. Solche Gründe würden meistens nicht in Reinform vorkommen. Und: Diese Fluchtgründe hätten aber auch mit uns zu tun, mit unserer Wirtschaft, unseren Rüstungsexporten, etc.

Der Referent führte im Weiteren aus, dass das Flüchtlingsrecht noch nicht sehr alt sei. Unser modernes Asylrecht sei nach 1945 entstanden. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe es eine Zäsur gegeben, deren Hintergrund die Millionen von Flüchtlingen in Deutschland und Europa gewesen seien. 1948 sei von den Vereinten Nationen die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" verabschiedet und verkündet worden. Und 1951 sei auf einer UN-Sonderkonferenz die "Genfer Flüchtlingskonvention" beschlossen worden. Mit dieser neuen Menschenrechtspolitik sei die Überzeugung verbunden, alle Menschen seien Teil der Menschheit, also Teil von uns.

In Deutschland sei 1993 das in Artikel 16 im Grundgesetz verankerte individuelle Recht auf Schutz und Asyl in Artikel 16a geändert und damit faktisch abgeschafft worden. Damals seien alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Norwegen und die Schweiz als "sichere Drittstaaten" definiert worden und Deutschland sei somit nun  "sicheren Drittstaaten" umgeben. Das habe zur Folge, dass Menschen, die über "sichere Drittstaaten" eingereist seien, sich in der Regel nicht auf das Asylrecht nach Art. 16a Grundgesetz berufen konnten, da nach dem Willen des Gesetzgebers schon in dem sicheren Drittstaat die Möglichkeit bestanden habe, Asyl zu beantragen. Aus dieser Sicht sei keine Notwendigkeit einer Asylbeantragung in Deutschland mehr gegeben.

Diese Einstellung sei gültig und festgelegt im Grundgesetz, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie beinhalte das Recht jedes Flüchtlings, seine Verfolgungsgeschichte auf deutschem beziehungsweise europäischem Boden darlegen zu können und vor deren Prüfung bestehe ein Rückführungsverbot. "Insofern ist der Begriff einer Obergrenze für Flüchtlinge mit den Menschenrechten nicht in Einklang zu bringen", so seine Zusammenfassung zur gegenwärtigen Diskussion.

Die Gesetzgebung in Deutschland offenbart laut Ullrich Hahn ein Doppelgesicht. Einerseits ließen die im Grundgesetz, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschriebenen Menschenrechte keine Obergrenze an Flüchtlingen zu. Denn jeder einzelne Mensch habe seine eigenen Menschenrechte, unabhängig von der Zahl der Menschen. Andererseits sei Deutschland geprägt von einer hektischen Asylgesetzgebung, kritisierte der Referent. Ganz aktuell trete nun das Asylpaket 2 in Kraft. Darin werde die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" weiter verlängert. Dies geschehe unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen in den jeweiligen Staaten. Es gehe darum, in beschleunigten Verfahren Menschen wieder los zu werden. Eine Beschleunigung der Verfahren wäre zwar grundsätzlich wünschenswert, weil viele Flüchtlinge über ein Jahr warten müssten, bis sie überhaupt einen Asylantrag stellen könnten. Was wir jetzt aber über das Asylpaket 2 bekämen, sei ein beschleunigtes Verfahren gegenüber jenen Menschen, die wir nicht wollen. Ebenfalls solle durch das Asylpaket 2 Abschiebung erleichtert und der Familiennachzug eingeschränkt werden.

Am Ende seines Vortrags betonte Ullrich Hahn, Flüchtlinge, die zu uns kämen zeigten uns, wo es brenne. Einerseits in ihren Herkunftsländern, andererseits zeigten sie auch, wo Probleme in unserer Gesellschaft sind, z.B. die riesige Kluft zwischen arm und reich.

Dass derzeit zahlreiche Menschen Flüchtlingen behilflich seien, zeige auch die Stärke der Zivilgesellschaft. Und es werde sichtbar, dass etwas vom Geist der Menschenrechte in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei.

Fußnoten

Veröffentlicht am

10. Juni 2016

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