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Vorwürfe statt Verhandlungen

Nach Ende des Waffenstillstands machen sich Russland und die USA gegenseitig für das Scheitern von Vereinbarungen verantwortlich

Von Andreas Zumach

Als US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in der Nacht zum 10. September in Genf nach 13-stündigen Verhandlungen ihre Vereinbarung über eine Waffenruhe für Syrien, die Wiederaufnahme von Hilfslieferungen und die geplante militärische Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des "Islamischen Staat" bekannt gaben, keimte weltweit vorsichtige Hoffnung auf. Seit Mai, nach dem Zusammenbruch einer ersten, Ende Februar in Kraft getretenen Waffenruhe, hatten die beiden Außenminister vergeblich verhandelt - und am Rande des G-20-Gipfels in China auch die beiden Präsidenten Barack Obama und Wladimir Putin.

Skeptiker verwiesen hingegen auf nicht geklärte Streitpunkte, insbesondere islamische Milizen, die Washington als gemäßigte, in die Waffenruhe eingebundene Opposition betrachtet - und Moskau als zu bekämpfende Terroristen. Die Befürchtungen der Skeptiker wurden nun sogar negativ übertroffen: Die am Montagabend vergangener Woche in Kraft getretene Waffenruhe wurde bereits nach drei Tagen sowohl von der Opposition als auch von der Regierung verletzt. Nun ist sie - nach US-Luftschlägen auf syrische Truppen sowie dem Angriff auf einen Hilfskonvoi am Montag - völlig zusammengebrochen.

Hilfslieferungen gab es in den vergangenen acht Tagen nur für rund 30.000 der insgesamt 650.000 Menschen in Aleppo sowie 18 weiteren von Regierungstruppen belagerten Städten, weil die Regierung Assad der UNO die ursprünglich zugesagten Durchfahrtsgenehmigungen verweigerte. Damit ist auch eine russisch-amerikanische Militärkooperation zur Bekämpfung des IS, die laut dem Genfer Plan nach sieben Tagen einer anhaltenden Waffenruhe in Syrien hätte beginnen sollen, in weite Ferne gerückt. Stattdessen beharken sich die Regierungen der Präsidenten Obama und Putin sowie ihre Botschafter bei der UNO in New York seit dem Wochenende mit zunehmend schärferen Vorwürfen.

Russland und die USA machen sich gegenseitig für das Scheitern der Genfer Vereinbarung verantwortlich. Washington hat die verbündeten gemäßigten Oppositionsmilizen nicht dazu bewegen können, die Kooperation mit al-Qaida-nahen Gruppen aufzugeben. Und Moskau hat nicht dafür gesorgt, dass die syrischen Luftstreitkräfte ihre Angriffe auf andere Ziele als den IS oder den Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front einstellen, sowie dass die Regierung Assad Hilfslieferungen an die Bevölkerungen zulässt. Auch die einst "gute Chemie" zwischen John und Lawrow, die angeblich bei früheren Verhandlungserfolgen - sei es im Syrienkonflikt oder im Streit über das iranische Nuklearprogramm - beigetragen hat, funktioniert nicht mehr. Das wurde bereits deutlich, als Kerry in Genf und die Sprecher der Obama-Administration in Washington die Vereinbarung über die Waffenruhe verkündeten. Ausdrücklich erklärten sie, die Übereinkunft beruhe "nicht auf Vertrauen gegenüber Russland".

Zuvor hatte sich Lawrow während des 13-stündigen Genfer Verhandlungsmarathons in ebenfalls bislang nicht gekannter Weise vor Journalisten über die Kerry-Delegation lustig gemacht. Diese musste sich wegen Bedenken des Pentagon und der US-Geheimdienste gegen eine militärische Kooperation mit Moskau mehrfach zu telefonischen Beratungen mit Obama in Washington zurückziehen.

Erneute gemeinsame Bemühungen der USA und Russlands für eine Waffenruhe in Syrien, die dann auch die Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen der Regierung Assad und der Opposition über eine politische Konfliktlösung ermöglichen könnten, sind derzeit unwahrscheinlich. In den nächsten Wochen und Monaten dürften eher andere äußere Akteure die weitere Entwicklung in Syrien mitbestimmen - vor allem die Türkei.

Quelle: taz - 21.09.2016. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

22. September 2016

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