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AWACS: Mit unklarem Mandat tritt die NATO in den Syrienkrieg ein

Von Christoph Marischka

Die NATO steigt tiefer in den syrischen Bürgerkrieg ein. Nach Medienberichten begann die NATO bereits am 20.Oktober (erneut) mit Aufklärungsflügen durch die bündniseigenen AWACS-Flugzeuge, die auch als fliegende Leitstellen für den Luftkampf verwendet werden können. Hierfür wurde eines dieser Aufklärungsflugzeuge, dessen Besatzung normalerweise einen Bundeswehr-Anteil hat, zuvor vom deutschen Stützpunkt Geilenkirchen in die Türkei verlegt. Die Flugzeuge sollen zunächst nur in türkischem und internationalem Luftraum operieren und "den Luftraum über Syrien und dem Irak überwachen. Eine direkte Beteiligung an der Steuerung von Angriffen ist dagegen vorerst ausgeschlossen worden", wie Welt.de und zahlreiche andere deutsche Medien berichten. Tatsächlich traf NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf Nachfrage eine entsprechende Aussage: "I can say that the AWACS planes will not be part of combat operations but they will provide information, surveillance and air picture for the coalition forces which is important for them and which increases air safety for the coalition forces."

Angesichts dessen ist befremdlich, dass sich die Bundeswehr bislang noch gar nicht an dem Einsatz beteiligt und die Bundesregierung den Bundestag in der zweiten Novemberhälfte über die deutsche Beteiligung abstimmen lassen will. Wenn eine Einbeziehung in bewaffnete Einsätze nicht vorgesehen war, hielt die Bundesregierung in der Vergangenheit eine Beteiligung des Bundestags nicht für nötig. Im mittlerweile vorliegenden Antrag der Bundesregierung ist eine Beteiligung an der Zielfindung für Luftangriffe der Anti-IS-Koalition auch keineswegs ausgeschlossen. Hier heißt es zum Zweck der AWACS-Einsätze: "Ziel ist, mittels der Aufklärungsflüge und Weitergabe der dabei gewonnen Daten in Echtzeit an die internationale Anti-IS-Koalition zur Verdichtung des Lagebilds beizutragen".

Dass die Bundesregierung damit ein auf den ersten Blick offensiveres Mandat anstrebt, als die NATO, mag zunächst erstaunen. Die deutsche Beteiligung an dem NATO-Einsatz erfolgt jedoch im Rahmen des Mandates "zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS". Diese jedoch verfügt über keine Luftwaffe, weshalb eine Mission, die vermeintlich nur der Überwachung des Luftraumes dient, eher gegen die syrische Armee und Russland gerichtet scheint, wie es auch Sevim Dagdelen als Sprecherin der Partei "die LINKE" bei der ersten Behandlung der Mandatsausweitung im Bundestag vermutete. Sollte der Einsatz auf die Luftraumüberwachung beschränkt sein, könnte er eher als Vorbereitung einer Flugverbotszone verstanden werden, womit die bisherige Koalition der Willigen gegen den IS nun de facto unter NATO-Führung noch eindeutiger auf die Bekämpfung des syrischen Regimes und seines Verbündeten Russland ausgerichtet würde. Dem wurde im Bundestag entgegengehalten, dass die Bundesregierung "in den Beratungen im Vorfeld großen Wert [darauf] gelegt" hätte, dass die NATO durch den AWACS-Einsatz kein "formelles Mitglied der Anti-IS-Koalition" werde. Ein Video , das aktuell auf der Startseite der NATO zu sehen ist, ist jedoch mit dem Text unterschrieben: "NATO AWACS Aircrafts are now providing Air Surveillance Support to the Counter ISIL-Coalition".

Dass der genaue Zweck des AWACS-Einsatzes noch gar nicht klar zu sein scheint, weil sich die "Partner" hinsichtlich ihrer Ziele in Syrien uneins sind, ist geradezu typisch im Umgang mit dem Krieg in Syrien - dass er dennoch stattfindet, ebenso. Dass er vom NATO-Generalsekretär unmittelbar nach den ganz offen gegen Russland gerichteten Maßnahmen zur "Abschreckung und Verteidigung" in Osteuropa angekündigt wurde und zeitgleich mit der von NATO-Seite hysterisch kommentierten Verlegung eines russischen Flugzeugträgerverbandes ins Mittelmeer erfolgt, lässt eine weitere Eskalation des Stellvertreterkonfliktes - nun auch mit offizieller NATO-Beteiligung - erwarten.

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - IMI-Standpunkt 2016/034.

Veröffentlicht am

02. November 2016

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