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Atommüll: Sicherheit vor Sparsamkeit

Die Atomkonzerne wollen sich von sämtlichen Kosten der Zwischen- und Endlagerung freikaufen. Das Jubeln der Politiker über den Deal ist allerdings unangebracht

Von Felix Werdermann

Wenn Atomkraftgegner illustrieren, weshalb nie ein Reaktor hätte in Betrieb gehen dürfen, nutzen sie oft eine Metapher: Ein laufendes Atomkraftwerk ohne Endlager ist wie ein fliegendes Flugzeug ohne Landebahn. Obwohl unklar ist, ob jemals ein halbwegs geeigneter Ort für die Landebahn gefunden werden kann, heben weitere Flugzeuge ab. Der Berg aus Strahlenmüll wächst mit jeder Kilowattstunde Atomstrom. Die Metapher kann man nun ergänzen: Die Flieger wechseln in der Luft ihren Besitzer. Die deutschen Privatjets werden verstaatlicht - nachdem die Airlines ihren Profit gemacht haben. Und die Bürger müssen eine Landebahn bauen, wenn sie einen Absturz verhindern wollen.

Union, SPD und Grüne wollen in dieser Woche ein Gesetz beschließen, mit dem sich die Atomkonzerne für rund 24 Milliarden Euro von sämtlichen Kosten der Zwischen- und Endlagerung freikaufen können. Nach bisheriger Rechtslage müssen sie die Entsorgung ihrer strahlenden Hinterlassenschaften selbst zahlen - egal wie viel es am Ende kostet. Mit der neuen Regelung können am Ende die Steuerzahler mit Milliardenbeträgen zur Kasse gebeten werden. Angesichts der Erfahrungen mit explodierenden Kosten bei Atommüllprojekten ist das ein wahrscheinliches Szenario.

Da fällt kaum ins Gewicht, dass die Konzerne mehrere Klagen und Widersprüche gegen den Staat zurückgezogen haben, unter anderem wegen Zahlungen für die Atommülllager Gorleben und Schacht Konrad. Politiker von Union, SPD und Grünen bejubeln den Schritt, doch das ist unangebracht. Erstens wurden viele Klagen und Widersprüche fallen gelassen, weil das Teil eines Gesamtdeals ist, der zuvor in der Kommission für Atomfinanzen ausgehandelt wurde. Zweitens ist unklar, ob die Konzerne vor den Gerichten überhaupt durchgekommen wären. Und drittens laufen die großen Klagen weiter. Die Unternehmen halten die Brennelementesteuer für rechtswidrig und verlangen sechs Milliarden Euro zurück. Vattenfall verlangt vor einem internationalen Schiedsgericht fast fünf Milliarden Euro wegen des Atomausstiegs. Zum Vergleich: Bei den zurückgezogenen Klagen geht es wohl um weniger als eine Milliarde.

Doch so billig die Konzerne davonkommen: Die Verstaatlichung der atomaren Altlasten hat auch gute Seiten. Wenn die Unternehmen pleitegehen, ist zumindest noch Geld für das Endlager da. Und sobald die Industrie das finanzielle Interesse am Endlagerstandort Gorleben verliert, hört der millionenschwere Lobbyismus auf und der Weg ist frei für eine wirklich ergebnisoffene Suche.

In Gorleben wurde schon viel Geld investiert, Alternativen zu untersuchen kostet zusätzlich. Auch die Politik ist versucht, sich für die Billiglösung zu entscheiden. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs will, dass der Bund schnell ein Endlager baut und keinen "Bohrlochtourismus" betreibt. "Wenn die Politik aber erst alles im Schwarzwald, in der Lüneburger Heide, im Bayerischen Wald oder sonst wo erkunden will, kann es teuer werden."

Dabei gibt es nichts Wichtigeres. Sicherheit muss vor Sparsamkeit gehen. Im Gesetz sollte geregelt werden, dass in Gorleben erst weiter erkundet werden darf, wenn an mindestens zwei anderen potenziellen Standorten genauso viel untersucht wurde. Damit könnte man auch Kritiker einbinden, die Gorleben wegen des "Vorsprungs" von der Suche ausschließen wollen. Die Flugzeuge sind in der Luft. Wenn die Landebahn holprig wird, führt das zur Katastrophe. Und die wird teurer als alles andere.

Quelle: der FREITAG vom 11.01.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

12. Januar 2017

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