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Munition für Konfliktgebiete

Die Ausfuhr deutscher Rüstungsgüter in Krisenregionen ist mittlerweile der Regelfall

Von Claudia Haydt

Bei den deutschen Rüstungsexporten sind offensichtlich alle Dämme gebrochen. Am 30. November 2016 wurde bekannt, dass der Bundessicherheitsrat in seiner letzten Sitzung Rüstungsexporte in Krisengebiete in Milliardenhöhe genehmigt hatte. Allein nach Algerien wurde ein umfangreiches Arsenal genehmigt: eine weitere Fregatte, 4 Bordhubschrauber, 234 Waffenstationen für schon zuvor geliefert Fuchspanzer sowie 474 Militär-LKW. Dazu kommen hunderte von Maschinengewehren an Indonesien, mit im Paket: eine halbe Million Patronen. Es wurde Lieferungen an diverse Golfstaaten genehmigt, dazu gehören 41,644 "Artilleriemultifunktionszünder" die dann in Frankreich zum fertigen "Produkt" zusammengebaut und von dort exportiert werden. Diese Zusammenarbeit mehrerer europäischer Staaten bei der Rüstungsproduktion und beim Export senkt offensichtlich die Hürden in der Genehmigungspraxis deutlich.

Die Rüstungsunternehmen, deren Börsenkurse bereits nach der Wahl von Donald Trump nach oben schnellten, können sich auf kräftige Gewinne freuen. Zu den jüngsten Profiteuren gehören unter anderem ThyssenKrupp Marine Systems, Heckler&Koch und Rheinmetall Defence.

Diese jüngste Entscheidung ist Teil einer schon länger anhaltenden Entwicklung in Richtung steigender Waffenproduktion und steigender Exporte. Bereits im Oktober 2016 legte das Bundeskabinett den Bericht über die Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2016 vor. Wieder einmal verantwortet die deutsche Regierung dabei neue unrühmliche Rekorde. Im Vorjahr wurden im selben Zeitraum bereits Ausfuhrgenehmigungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro erteilt, nun stieg der Umfang auf 4,03 Milliarden.

Der einzige Lichtblick in dieser aktuellen Bilanz, der Verkauf von etwas weniger Kleinwaffen, wird vollständig überschattet davon, dass zehnmal mehr Munitionsverkäufe für die bereits zuvor exportierten Waffen genehmigt wurden. Die Nachfrage nach neuer Munition kommt - wenig überraschend - insbesondere aus aktuellen Krisenregionen. So kletterte die Türkei in der Rangliste der Abnehmerländer für Munition im ersten Halbjahr 2016 von Platz 25 auf Platz 8. Angesichts des Bürgerkrieges, den die türkische Armee gegen kurdische Bevölkerungsgruppen im eigenen Land führt, und der Interventionen in Syrien und dem Irak ist zwar verständlich, warum in der Türkei die Munition knapp wird; es ist aber vollständig inakzeptabel, dass die Bundesregierung mit Munitionslieferungen die Konflikte in der Region noch befeuert.

Die rechtlichen Vorgaben für Rüstungsexporte aus Deutschland sind restriktiv, zumindest dem Wortlaut der relevanten Gesetze nach. Rüstungsexporte in Spannungsgebiete sind nicht zulässig - es sei denn, die Bundesregierung beschließt explizit eine Ausnahme, weil es in ihrem "sicherheitspolitischen Interesse" liegt. Welche Abwägungen hierbei genau getroffen werden, erläutert die Bundesregierung nie, denn das zuständige Gremium, der Bundessicherheitsrat, tagt unter absoluter Geheimhaltung. Vieles spricht dafür, dass es der Bundesregierung bei den Exportentscheidungen um geostrategische Erwägungen geht, also um den Versuch Verbündete unabhängig davon, wie reaktionär oder antidemokratisch sie sind, zu stärken und darüber Einfluss in wichtigen Regionen zu gewinnen.

Fakt ist jedoch, dass aus dieser "Ausnahme" in der Zwischenzeit längst die Regel geworden ist. Aktuell stehen zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate auf Platz 7 der Empfängerländer (86 Mio.). Auf Platz 4 befindet sich Südkorea, das zusammen mit USA und Japan in der Pazifikregion die Aufrüstungsspirale massiv weiterdreht. Die Lieferung von Bauteilen für U-Boote, Kampfpanzer und Kampfschiffe im Wert von 200 Millionen trägt sicher nicht zur Deeskalation auf der koreanischen Halbinsel bei und befeuert das Wettrüsten und die Spannungen mit dem Norden weiter. Die Lieferungen an das drittplatzierte Saudi-Arabien (knapp eine halbe Milliarde) besteht unter anderem aus Hubschraubern und diversem militärischen Bodengerät. Saudi-Arabien führt mit aller Härte Krieg gegen den Jemen, destabilisiert durch die Weitergabe von Waffen an unterschiedliche Gruppen von Milizen die ganze Region und setzte Waffen wiederholt gegen demokratische Proteste im eigenen Land und in Nachbarländern ein. Den Spitzenplatz unter den Abnehmern nimmt Algerien ein, das für über eine Milliarde Euro Rüstungsgüter kaufte. Dazu gehören eine Fregatte, Flugabwehrsysteme und Torpedos.

Auch wenn Lieferungen an EU- und NATO-Partner formal kein Genehmigungsproblem sind, fällt es doch schwer, die Lieferungen an die USA für knapp eine Milliarde (Platz 2) als unbedenklich einzustufen.

Eines ist klar: Das Versprechen einer deutlich restriktiven Exportpolitik, mit dem die SPD vor drei Jahren in den Wahlkampf gezogen ist, wurde auf ganzer Linie gebrochen. Die deutsche Rüstungsexportpolitik ist aktive globale Destabilisierungspolitik. Lediglich die Tatsache, dass wir nun früher über diese Missstände informiert sind, kann als kleiner Fortschritt betrachtet werden. Den bitteren Beigeschmack dieses "Fortschritts" werden wir wohl nur dann los, wenn wir den Fokus nicht mehr auf Exportkontrolle, sondern auf den Ausstieg aus der Rüstungsproduktion legen. Solange die Waffen produziert werden, finden sie offensichtlich früher oder später immer ihren Weg in die nächsten Kriege.

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - IMI-Standpunkt 2017/002 - in: ak Nr. 622 (Dezember 2016).

Veröffentlicht am

16. Januar 2017

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