Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Sauerländische Friedensboten

Ein neues Buch stellt Frauen und Männer vor, die die sich für Menschenrechte und Frieden eingesetzt haben. - Das regionale Geschichtsprojekt "Friedenslandschaft" wird fortgesetzt

Von Peter Bürger

Das inflationäre Gerede von "regionaler Identität" arbeitet den Rechten zu und ist genau besehen fast immer inhaltsleer. Bisweilen drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass ein Anschluss an "Heimatparolen" der völkischen Stammesideologen gesucht wird. Dagegen kann man nur jene regionalen Überlieferungen, Bewegungen und Vorbilder anführen, die einer "Heimat für Menschen" ohne jede Ausgrenzung verpflichtet waren. Diesen Versuch unternimmt das 2014 begonnene regionale Geschichtsprojekt "Friedenslandschaft Sauerland", das besonders die heimatlichen Pazifisten wieder in Erinnerung rufen soll.

Mit einem vierten Band unter dem Titel "Sauerländische Friedensboten" ist die Buchreihe zu diesem Projekt jetzt fortgeführt worden. Dokumentiert wird darin die Geschichte der 1924/25 vom Heimatbund erbauten Friedenskapelle auf dem Borberg zwischen Olsberg und Brilon. Die weiteren Kapitel erschließen über 20 Biographien von Frauen und Männern, die sich für Menschenrechte und Frieden eingesetzt haben. Die Botschaft der nahen Vorbilder lautete: "Versagt euch den völkischen Hetzern und der Kriegsmaschinerie! Sagt NEIN!"

Der katholische Sozialist, Friedensaktivist und Heimatforscher Josef Rüther (1881-1972) aus Brilon gehörte in der Weimarer Republik zu den frühesten Warnrufern. Er wurde lange vor 1933 von den Nazis ebenso gehasst wie der Hüstener Bürgermeister Dr. Rudolf Gunst (1883-1965), der den Friedensbund der Katholiken (FdK) in Deutschland leitete. Beide Männer verloren ihre berufliche Grundlage und gehören zu den Verfolgten des deutschen Faschismus. Der Quickborner Hubert Tigges (1895-1971) aus Grevenbrück verlor als Pazifist und DFG-Mitglied schon Ende der Weimarer Republik Aufträge bei der Volkshochschule und verwirklichte seine europäische Friedensidee als sehr erfolgreicher Reiseunternehmer.

Der Journalist Franz Geuecke (1887-1942) aus Schmallenberg-Bracht warnte bereits 1928 in der sauerländischen Heimatbundzeitung vor dem neuen Kriegerkult und kam als Regimegegner im KZ Groß-Rosen ums Leben. Egon Matzhäuser (1876-1947) aus Altenhundem, Mitglied der deutschen Friedensgesellschaft (DFG), wurde kurz nach Beginn des 2. Weltkrieges inhaftiert, weil er den Überfall auf Polen als Aggressionskrieg benannte. Drei couragierte Rechtsanwälte aus den Kreisen Meschede und Olpe sowie andere "Ausnahmegestalten" mussten die hasserfüllte Hetze der braunen Bewegung ertragen, weil sie jüdische Mitbürger verteidigten. Junge Katholiken, darunter Anhänger der pazifistisch ausgerichteten "Kreuzfahrer", verweigerten die Anpassung und gerieten in die Hände der Gestapo. Der Bauer Josef Hufnagel (1903-1944) aus Dünschede wurde wegen "Hören von Feindsendern" denunziert und hingerichtet. Pfarrer Peter Grebe (1896-1962) aus dem Kreis Olpe bekam wegen seiner Kritik am Krieg vom sogenannten Volksgerichtshof ein Todesurteil. Seine Überzeugung lautete: "Diesen Krieg haben verursacht die Partei, der Militarismus und ein großer Teil der Industriellen."

Der Esloher Fabrikant Eberhard Koenig (1908-1981) galt während des 2. Weltkrieges und auch noch nach 1945 als ein "Freund der Russen". Franz Stock (1904-1948), in Neheim geborener Priester, stand in Paris hunderten Todeskandidaten aus dem französischen Widerstand als "Engel in der Hölle" bei. Die Franzosen benannten später unweit des nationalen Denkmals für die Opfer der Resistance einen Platz nach diesem Deutschen!

Auch für die Zeit nach Kriegsende werden Biographien erschlossen. Der in Meschede lebende katholische Publizist Georg D. Heidingsfelder (1899-1967) wurde z.B. wegen seiner Ablehnung der Wiederbewaffnung in der Adenauer-Republik zum brotlosen Nonkonformisten.

All diese Geschichten von Mut und Menschlichkeit handeln mehrheitlich von "katholischen Lebenswegen". Der Umschlag zeigt jedoch den jüdischen Friedensarbeiter Gabriel Stern (1913-1983). Er ist in Attendorn aufgewachsen, lebte ab 1936 in Israel und wurde im "Brit Shalom" Mitarbeiter des bedeutenden Philosophen Martin Buber. Sterns Einsatz galt der Versöhnung von jüdischen Israelis und Arabern. Den nationalistischen Ideologien setzte er das universale Menschenrecht entgegen.

Die Sammlung vereinigt Arbeiten von Peter Bürger, Dr. Ilse Eberhardt, Karl Föster (1915-2010), Paul Lauerwald, Werner Neuhaus, Dr. Wolfgang Regeniter, Dr. Erika Richter, Werner Saure, Dr. Reinhard J. Voß und Joachim Wrede ofm cap. In mehreren Kapiteln werden außerdem historische Quellentexte dokumentiert:

Bürger, P. (Hg.): Sauerländische Friedensboten. (= Friedensarbeiter, Antifaschisten und Märtyrer des kurkölnischen Sauerlandes: Erster Band). Norderstedt 2016. (ISBN: 978-3-7431-2852-1; Seitenzahl: 524; € 15,99)

Der neue Band ist überall im Buchhandel erhältlich, ebenso die bislang erschienenen Buchbeiträge zum Projekt "Friedenslandschaft Sauerland":

rger, Peter / Hahnwald, Jens / Heidingsfelder, Georg D.: Sühnekreuz Meschede. Die Massenmorde an sowjetischen und polnischen Zwangsarbeitern im Sauerland während der Endphase des 2. Weltkrieges und die Geschichte eines schwierigen Gedenkens. Norderstedt 2016. [ISBN: 978-3-7431-0267-5; Seitenzahl: 440; € 14,90]

Bürger, P. (Hg.): Irmgard Rode (1911-1989). Dokumentation über eine Linkskatholikin und Pazifistin des Sauerlandes. Norderstedt 2016. [ISBN  978-3-7386-5576-6; Seitenzahl: 230; € 9,90]

Bürger, Peter: Friedenslandschaft Sauerland. Antimilitarismus und Pazifismus in einer katholischen Region. Ein Überblick - Geschichte und Geschichten. Zweite, veränderte Auflage. Norderstedt 2016. [ISBN  978-3-7392-3848-7; Seitenzahl: 204 Seiten; € 12,00]

Veröffentlicht am

19. Januar 2017

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von