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Syrien: Ein neuer Anlauf

Diese Woche beginnen Verhandlungen unter Schirmherrschaft von Russland, der Türkei und dem Iran. Können sie endlich Frieden bringen?

Von Andreas Zumach

Am 23. Januar beginnen in der kasachischen Hauptstadt Astana neue Syrienverhandlungen unter gemeinsamer Schirmherrschaft von Russland, der Türkei und dem Iran. Was bei diesen Verhandlungen herauskommen soll und kann, ist völlig offen. Die drei Schirmherren gaben bisher keine Verhandlungsziele bekannt.

Für die von der UNO vermittelten und zunächst gescheiterten Genfer Syriengespräche des vergangenen Jahres existierte hingegen ein im November 2015 von allen äußeren Akteuren des Konflikts - Russland, USA, Iran, Saudi-Arabien, Türkei, Katar, Irak sowie der Arabischen Liga und der EU - vereinbarter und vom UNO-Sicherheitsrat abgesegneter Verhandlungsplan mit konkreten Zielen und Fristen: landesweiter Waffenstillstand und ungehinderte humanitäre Versorgung aller notleidenden Menschen, Vereinbarung einer aus Vertretern der Regierung Assad und der Opposition gebildeten Übergangsregierung in Damaskus, Ausarbeitung einer neuen Verfassung und ihre Verabschiedung durch eine Volksabstimmung, und spätestens im Sommer 2017 Neuwahl von Parlament und Präsident. Alle wesentlichen Streitfragen, die zum Misserfolg dieses Verhandlungsansatzes und zur vorläufigen Aussetzung der Genfer UNO-Gespräche führten, sind weiterhin ungelöst.

Wie erst vergangene Woche bekannt wurde, hatte der russische Präsident Wladimir Putin bereits am 30. Dezember auch die Regierung seines zukünftigen US-amerikanischen Amtskollegen Donald Trump nach Astana eingeladen. Putins Einladung an Trump erfolgte an dem Tag, als nach der Rückeroberung der Stadt Aleppo durch syrische Regierungstruppen zumindest in weiten Teilen des Landes eine von Moskau, Ankara und Teheran vermittelte Waffenruhe in Kraft trat. Diese gilt allerdings nicht für den sogenannten Islamischen Staat, den syrischen Al-Kaida-Ableger Fatah-al-Sham sowie für "andere dschihadistische Terrororganisationen".

Zwei Wochen wurde die Waffenruhe weitgehend eingehalten. Seit Mitte Januar nehmen die Gefechte allerdings wieder zu. Insbesondere in der nordwestlich an der Grenze zur Türkei gelegenen Provinz Idlib, in die Ende Dezember die meisten aus Aleppo vertriebenen Rebellenkämpfer zogen, sowie östlich von Damaskus und auch in anderen Gebieten innerhalb des westlichen Drittels Syriens, die weiterhin unter Kontrolle oppositioneller Milizen oder terroristischer Gruppen wie der Fatah-al-Sham sind.

Ohne die Kurden

Zum Teil wurden diese Kämpfe von syrischen Regierungstruppen initiiert, in dem offensichtlichen Bestreben, auch alle anderen noch in feindlicher Hand befindlichen Regionen zurückzuerobern. Dieses Ziel hatte Präsident Assad nach dem militärischen Sieg in Aleppo ausgegeben. Zum Teil ging die militärische Initiative aber auch von oppositionellen Milizen aus, die damit entweder die Verhandlungen in Astana torpedieren oder aber ihre Teilnahme erzwingen wollen. Denn die zentrale Streitfrage ist nach wie vor, welche Akteure auf dem Schlachtfeld Syrien an politischen Verhandlungen über die Zukunft des Landes beteiligt und in Vereinbarungen über eine Waffenruhe eingebunden werden sollen, wer als legitime Opposition gilt und wer als Terrorgruppe, die auch weiterhin militärisch zu bekämpfen ist.

Im Zentrum dieses Streits stehen die beiden militärisch stärksten Rebellengruppen "Islamische Armee" und "Islamische Initiative der freien Männer der Levante", die wegen ihrer engen ideologischen und operativen Verbindungen zum syrischen Al-Kaida-Ableger als "Terroristen" eingestuft werden. Allerdings sehen das nicht alle so: Saudi-Arabien, die Türkei sowie bislang auch den USA betrachten beide Gruppen als "legitime Opposition" und unterstützen sie deshalb. Allerdings werden die USA diese Hilfe demnächst möglicherweise einstellen. Zumindest hat das der neue US-Präsident Donald Trump angekündigt.

Von der Türkei und Saudi-Arabien gibt es allerdings bislang keine entsprechenden Signale, die Unterstützung dieser Gruppen zu beenden. Die Regierung Erdogan hat ihrerseits - wie bereits im Vorfeld der Genfer UNO-Gespräche vom Frühjahr 2016 - aber dafür gesorgt, dass die syrischen Kurden und insbesondere die von Ankara als "Terroristen ähnlich dem IS" eingestufte Partei der demokratischen Union (PYD) nicht zu den Verhandlungen nach Astana eingeladen wurden.

Eine weitere zentrale Streitfrage, die wesentlich zur Aussetzung der Genfer UNO-Gespräche im April vergangenen Jahres nach drei völlig ergebnislosen Runden beitrug, ist die künftige Rolle von Assad. Bislang verlangte die Opposition geschlossen den Rücktritt Assads, spätestens beim Amtsantritt einer Übergangsregierung in Damaskus. Nach den mit Russlands Bomben erzielten Erfolgen seiner Streitkräfte in Aleppo und anderen Regionen im westlichen Drittel des syrischen Staatsgebiets dürfte Assad jetzt allerdings noch weniger als während der UNO-Gespräche in Genf bereit sein, ernsthaft über die Etablierung einer Übergangsregierung und die Modalitäten für seinen Amtsverzicht zu verhandeln. Assad sieht sich in dieser Haltung von den Regierungen in Moskau und Teheran gestützt, auch wenn diese sich zumindest bislang noch offiziell zu dem oben skizzierten UNO-Verhandlungsplan von 2015 bekennen. Russland und der Iran hängen zwar nicht auf Dauer an der Person Assad, wollen aber eine Regierung in Damaskus, die ihre Interessen schützt. Und derzeit sieht man in Moskau und Teheran noch keine personelle Alternative zu Assad.

Trotz dieser widrigen Ausgangslage hat sich der Hohe Verhandlungsrat (HNC) diverser, überwiegend islamistischer Rebellengruppen, der im Dezember 2015 im Vorfeld der Genfer UNO-Gespräche auf Betreiben der saudischen Königshausdiktatur etabliert wurde, zur Teilnahme an der Konferenz in Astana bereit erklärt. Nach den militärischen Niederlagen der vergangenen Monate blieb dem HNC auch kaum eine andere Wahl. Das erste und bislang einzig öffentlich erklärte Verhandlungsziel des HNC ist die vollständige Einhaltung der Waffenruhe und die ungehinderte humanitäre Versorgung aller notleidenden Menschen in Syrien.

Laut Mitteilung der humanitären Organisationen der UNO sind in Syrien zurzeit weiterhin 15 Orte mit rund 500.000 Einwohnern, darunter 300.000 Kinder, vollständig belagert und von der Außenwelt abgeschnitten. Einige bereits seit 2014. Für 13 dieser Belagerungen sind die syrischen Regierungstruppen verantwortlich. Weitere fünf Millionen Menschen leben in Regionen, die wegen Behinderungen durch die eine oder andere Konfliktpartei für die humanitären Organisationen der UNO weiterhin "schwer zugänglich" sind.

Das Oppositionsbündnis setzt auf die Wiederaufnahme der Genfer UNO-Gespräche, die Vermittler Staffan de Mistura für den 8. Februar angekündigt hat. Ob die syrische Regierung eine Verhandlungsdelegation nach Genf schicken wird, ist aber noch völlig offen. Das dürfte wesentlich davon abhängen, ob und wie stark sie dazu von Moskau und Teheran gedrängt wird. Und der Verlauf der Konferenz in Astana wird darüber mitentscheiden. Es wäre schon ein Erfolg, wenn dort Maßnahmen vereinbart werden, die zur vollständigen Einhaltung der Waffenruhe führen und endlich auch zur Aufhebung aller Belagerungen und sonstigen Behinderungen für die humanitäre Versorgung der syrischen Bevölkerung.

Quelle: der FREITAG vom 23.01.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach und des Verlags.

Veröffentlicht am

23. Januar 2017

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