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Neue Etappe in der EU-Flüchtlingsabwehr: Rücktransport von Geretteten nach Libyen?

200 Mio. Euro für Flüchtlingsabwehr: Am 3. Februar finden sich die europäischen Staats- & Regierungschefs zu einem informellen Treffen auf Malta zusammen. Afrikanische Staaten sollen als Fluchtverhinderer eingekauft, im Mittelmeer gerettete Bootsflüchtlinge nach Libyen ausgeschifft werden - ungeachtet von grausamen Menschenrechtsverletzungen dort.

Bei dem Treffen wird die Situation im zentralen Mittelmeer im Fokus stehen. Unter der Überschrift "Steuerung der Migrationsströme entlang der zentralen Mittelmeeroute" wird über einen Vorschlag der Kommission beraten, mit dem der Zugang zu Schutz in Europa weiter erschwert werden soll. Zentraler Punkt ist dabei der Rücktransport von im Mittelmeer Geretteten ins zerrüttete Libyen.

Die EU setzt damit einmal mehr auf Libyen als Partner, wo es einem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amts zufolge zu "allerschwersten, systematischen Menschenrechtsverletzungen" kommt. Konkret: "Exekutionen nicht zahlungsfähiger Migranten, Folter, Vergewaltigungen, Erpressungen sowie Aussetzungen in der Wüste sind dort an der Tagesordnung".

Eine am 25. Januar 2017 veröffentlichte Mitteilung der Kommission zeigt unverblümt, was die Stoßrichtung der europäischen Verantwortungsträger*innen ist: Wenn keine weiteren Maßnahmen ergriffen würden, drohten ab Frühling 2017 "unkontrollierte irreguläre Migrationsströme über die zentrale Mittelmeerroute auf dem gleichen hohen Niveau wie 2016".

"Doppelmauer" gegen Flüchtlinge in Libyen

Über den EU-Treuhandfonds für Afrika sollen nun also insgesamt 200 Millionen Euro für 2017 zur Verfügung gestellt werden, wobei die Priorität auf "migrationsbezogenen Projekten in Bezug auf Libyen" liegt. Im Klartext heißt das:

Die EU will Geld und Technik liefern, um eine Art Doppelmauer gegen Flüchtlinge zu bauen - für Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer und für Grenzanlagen an der südlichen Grenze Libyens. Libysche Grenzbehörden, Küstenwache und Marine sollen von der Europäischen Union ausgebildet und finanziert werden, um sowohl die libysche Südgrenze als auch die Seegrenze nach Europa abzuriegeln.

In der Folge wären Zehntausende von Schutzsuchenden dazu gezwungen, in einem Land zu verharren, welches die Menschenrechte dieser besonders schutzbedürftigen Menschen eklatant verletzt.

Zurückschicken von Flüchtlingen im Mittelmeer

Die Todesrate im Mittelmeer ist mit all den erdachten Abschottungsmaßnahmen stets weiter gestiegen. Auch 2017 hatte einen tödlichen Auftakt: 221 Menschen sind im ersten Monat dieses Jahres im zentralen Mittelmeer ums Leben gekommen - das sind rund 200 Tote mehr als im selben Zeitraum 2016, obwohl die Gesamtzahl der Ankünfte in Italien im Vorjahr höher war.

Offensichtlich zielt auch der vorliegende Kommissionsvorschlag nicht in erster Linie auf die Rettung von Menschenleben ab, sondern stellt einen weiteren Versuch Europas dar, sich seiner Verantwortung zu entziehen.

Mit der Aufrüstung der libyschen Küstenwache wird das Ziel verfolgt, Flüchtlingsboote noch in libyschen Gewässern abzufangen, von wo die Schutzsuchenden nach Libyen zurückverbracht werden, wo sie - fernab der europäischen Öffentlichkeit - unhaltbaren Zuständen ausgesetzt sind. Ein solches Abfangen von Menschen auf dem Mittelmeer, um sie sodann nach Nordafrika zurückzubringen, ist nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu vereinbaren.

Auch für die Vereinten Nationen ist Libyen "not a safe country for return". Laut aktuellem UNHCR-Bericht drohen den in Seenot Geretteten bei der Rückkehr in Libyen die unmenschlichsten Zustände in den Lagern. Zugang zum Asylverfahren oder zu Anwältinnen und Anwälten haben Schutzsuchende nicht. In Libyen existiert kein Asylsystem, weder in der Gesetzgebung noch in der Praxis.

Abschottung der Südgrenze: Vorverlagerung bis in die Sahel-Zone

Nicht nur die Seegrenze soll dichtgemacht werden, auch die libysche Landgrenze im Süden soll - so die Phantasien aus Brüssel - unpassierbar werden. Die libysche Polizei soll gestärkt und das Grenzmanagement verbessert werden. Auch die Lieferung von Technologie, Fahrzeugen und anderem Material soll erfolgen, um "die Kontrolle der Landgrenze zwischen Libyen und den angrenzenden Staaten zu verbessern".

Die Vorverlagerung des europäischen Grenzregimes in die Sahel-Zone wird mit Nachdruck forciert. Opfer dieser geplanten Flüchtlingsabwehrpolitik der EU sind unter anderem Flüchtlinge aus Eritrea, die oft den Fluchtweg über den Sudan nach Libyen nehmen.

"Adäquate Bedingungen und lokale Integration": Luftschlösser und Zynismus

Zwar stellt die Kommission selbst fest, dass die "Bedingungen in den Zentren, in denen Migranten festgehalten werden inakzeptabel (sind) und internationale Menschenrechtsstandards nicht erfüllen". Die Rede ist von Misshandlungen, Folter, Erpressung und unmenschlicher Behandlung.

Doch jenseits jedes Realitätsbezugs fabuliert die Kommission davon, gemeinsam mit den libyschen Behörden und internationalen Organisationen wie der IOM oder UNHCR sicherstellen zu wollen, dass adäquate Bedingungen geschaffen werden. Außerdem sollen für Migrant*innen in Libyen lokale Integrationsmöglichkeiten geschaffen und freiwillige Rückkehrprogramme zur Verfügung gestellt werden. Der Zynismus ist angesichts der tatsächlichen Lage im zerrütteten Land kaum zu übertreffen.

Kooperation mit Libyen stoppen!

Die Kooperation mit Libyen muss sofort gestoppt werden. Aus Seenot Gerettete nach Libyen auszuschiffen, verletzt fundamentales Flüchtlingsrecht. Über die Pläne zum Mauerbau des US-amerikanischen Präsidenten Trump echauffiert man sich hier gerne - doch Europa geht mit wohlfeilen Worten einen ähnlichen Weg. Die Politik der EU ist im Kern dieselbe und opfert den Flüchtlingsschutz der Illusion der Abschottung. Der Unterschied: Mexiko soll für die Mauer bezahlen, Europa finanziert das Bollwerk selbst.

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - News vom 02.02.2017.

"Fragen Sie die EU-Beobachter doch mal, wann sie das letzte Mal in Libyen waren". Tagesthemen-Interview mit Dr. Tankred Stöbe, Ärzte ohne Grenzen, 06.02.2017.

Veröffentlicht am

02. Februar 2017

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