Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan auf der Schwäbischen AlbAm 22. Februar 2017 nahmen in Gammertingen rund 100 Menschen an einer Protestkundgebung gegen Abschiebungen nach Afghanistan teil. Sie brachten ebenfalls ihre Solidarität mit den von Zwangsrückführung betroffenen Menschen zum Ausdruck, die vor Krieg, Terror und Chaos geflohen waren. Unter den Teilnehmenden befanden sich auch mehr als 20 afghanische Geflüchtete. "Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V." hatte die Veranstaltung anlässlich der erneuten Sammelabschiebung nach Afghanistan organisiert, die an diesem Abend stattfand. Zu hören waren Redebeiträge von Michael Schmid und Ahmad aus Afghanistan. Katrin Warnatzsch trug Berichte über das Schicksal von Abgeschobenen vor. Javid Montazir, Zia Montazir und Bernd Geisler spielten mehrere afghanische Musikstücke, welche die afghanischen Geflüchteten teilweise zum spontanen Mitsingen animierten. In einem Redebeitrag bezeichnete Michael Schmid Abschiebungen nach Afghanistan als einen absolut empörenden, skrupellosen Vorgang, mit dem Menschenleben gefährdet würden. Denn es gäbe nur wenige Länder auf dieser Erde die als ähnlich gefährlich, gewalttätig, zerrüttet und krisengeschüttelt gelten wie dieses Land am Hindukusch. "Deshalb fordern wir den sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan! Ginge es nach uns, dann dürfte der Charterflug heute gar nicht starten!" Scharf kritisierte er, dass die Bundesregierung ausgerechnet aus Baden-Württemberg Rückendeckung bei ihrem Abschiebekurs erhalte, weil sich Ministerpräsident Kretschmann als nicht verantwortlich erkläre. Er forderte, "dass die Landesregierung von Baden-Württemberg dieser zynischen, menschenverachtenden und inhumanen Asylpolitik mit einem sofortigen Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan ein entschiedenes Zeichen entgegensetzt." Den aus Afghanistan Geflüchteten sicherte Michael Schmid zu: "Wir stehen an eurer Seite und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um euch zu schützen." Neben vielem anderen gehöre dazu die Unterstützung beim Beschreiten des Rechtswegs bei abgelehnten Asylanträgen. Gleichzeitig gelte es, öffentlich verständlich zu machen, dass die Abschiebungen gegen die Menschenrechte verstießen. "Und wir tragen unsere Empörung über diese unmenschliche Politik auf die Straße, so wie heute hier in Gammertingen und an vielen anderen Orten." Der aus Afghanistan geflüchtete Ahmad berichtete in seiner Rede von schlimmen Zuständen in seinem Heimatland. Taliban und IS verfolgten alle, die sie für Ungläubige hielten. Sie seien geflohen, weil sie mit dem Tod bedroht worden seien. "Wenn ich zurück müsste nach Afghanistan, muss ich mit meinem sicheren Tod rechnen", sagte er. "Da meine Identität den Taliban im ganzen Land bekannt ist, werden sie mich, wie sie es angekündigt haben, töten. Deshalb bitte ich alle Deutschen, mir und allen Afghanis eine neue Heimat und Sicherheit zu geben." Katrin Warnatzsch trug Berichte von zwei Männern vor, die von der Zwangsabschiebung im Januar betroffen waren. Der eine war trotz schwerer psychischer Erkrankung nach Kabul gebracht worden. Im dortigen Winter sei er nun obdachlos und ohne die unbedingt erforderliche medikamentöse oder gar ärztliche Versorgung. Nun werde er von Tag zu Tag kränker. Dies stehe im krassen Gegensatz zur Zusicherung deutscher Behörden, dass für seine Gesundheit mit reichlich Medikamenten und dem Kontakt zu einem Krankenhaus gesorgt sei. Der andere abgeschobene Mann ist ein paar Tage nach seiner Zwangsverbringung bei einem Anschlag in Kabul, bei dem über 20 Menschen starben, verletzt worden. Für die Bundesregierung gelte Kabul aber als ausreichend sicher, um dorthin Menschen abschieben zu können. Mit rund 100 Menschen hat eine für diese Kleinstadt ungewöhnlich hohe Zahl an der Protestkundgebung in Gammertingen teilgenommen. "Das hat uns sehr positiv überrascht. Damit konnten wir auch hier ein deutliches Zeichen gegen die unmenschliche Abschiebepolitik ins Bürgerkriegsland Afghanistan setzen. Zudem war es auf jeden Fall ein deutlich spürbares Zeichen der Solidarität mit den anwesenden afghanischen Geflüchteten, die alle sehr freudig berührt waren", stellte Michael Schmid abschließend fest. Protestiert wurde am 22. Februar an vielen anderen Orten. "In Biberach, Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Gammertingen und Tübingen gehen über 1.000 Menschen auf die Straße und fordern die grün-schwarze Landesregierung auf, endlich die Fakten anzuerkennen und einen Abschiebestopp nach Afghanistan zu beschließen", schrieb der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg in seiner Pressemitteilung vom 23.02.2017. In anderen Bundesländern gab es ebenfalls Protestaktionen. Trotz der Proteste ist am Abend des 22. Februar ein Charterflug planmäßig von München nach Kabul geflogen. 18 Menschen wurden dabei zwangsweise abgeschoben (statt der angekündigten 50!). Bei mindestens acht für die Abschiebung vorgesehenen Menschen konnte die Abschiebung buchstäblich in letzter Minute durch Gerichtsentscheide gestoppt werden. Die Medien haben ausführlich über die zum Teil skandalösen Vorkommnisse mit geplanten Abschiebungen von langjährig integrierten, teilweise schwerkranken Menschen berichtet. Und entgegen den behaupteten "alleinreisenden jungen Männer" gab es auch Familienväter darunter - abgesehen davon, dass natürlich das Leben von alleinstehenden jungen Männern oder von Straftätern ebenfalls nicht gefährdet werden darf. Beim Lebenshaus verfolgt man mit Interesse, dass Politikerinnen und Politiker, welche die Afghanistanabschiebungen befürworten, nun immer mehr unter Druck zu kommen scheinen. "Aber es braucht sicherlich das weitere Engagement aus der Zivilgesellschaft, um dieses Unrecht zu stoppen", meint Michael Schmid. Der Arzt Thomas Nowotny - dessen Online-Petition an Bundeskanzlerin Merkel inzwischen über 64.000 Unterschriften gefunden hat - zieht in seiner Auswertung der Ereignisse im Zusammenhang der Afghanistanabschiebungen in den vergangenen Tagen das Fazit: "Wir sind im Aufwind, wir machen weiter und werden sie stoppen!" Links zur Protestkundgebung am 22.02.2017 in Gammertingen:
Weblinks zu Protesten gegen Abschiebungen nach Afghanistan am 22.02.2107:
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