Kolumbien: Menschenrechtsverteidiger gefährdetpax christi-Gruppen in Kolumbien sehr besorgt um den Friedensprozess"Es reicht nicht, dass ein Friedensabkommen auf dem Papier steht, es muss auch umgesetzt werden. Die kolumbianischen pax christi-Gruppen, die ich gerade besucht habe, sind sehr besorgt über die vielen Morde in den letzten Monaten. Ermordet wurden Personen, die sich für Frieden und Menschenrechte eingesetzt haben. Die kolumbianischen Menschenrechtsgruppen bitten um unsere Solidarität. Auf die kolumbianische Regierung muss Druck ausgeübt werden, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommt, paramilitärische Einheiten zu zerschlagen und Menschenrechtsverteidiger*innen wirksam zu schützen", berichtet Margaret Buslay, die Sprecherin der pax christi-Kommission "Solidarität Eine Welt" nach ihrer Rückkehr von einer Reise zu den pax christi-Partnerorganisationen in Kolumbien und ergänzt: "Die Konflikte, die vor allem durch Großprojekte (Bergbau, Energie, Agroindustrie) auf dem Land zunehmen, müssen im Dialog gelöst werden, nicht durch gewaltsame Aktionen im Auftrag von mächtigen Interessengruppen. Deshalb haben wir gemeinsam in der Deutschen Menschenrechtskoordination Kolumbien (MRKK) folgende Stellungnahme erarbeitet": Mordwelle gefährdet Friedensprozess in KolumbienDeutsche Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen fordern wirksamen Sofortschutz bedrohter Aktivist*innen der kolumbianischen Zivilgesellschaft und umfassende Untersuchung der Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen. In den vergangenen 13 Monaten sind in Kolumbien fast 100 Menschenrechtsverteidiger*innen Mordanschlägen zum Opfer gefallen. Hunderte weitere haben gewaltsame Angriffe erlitten: Attentate, Todesdrohungen, Diebstahl sensibler Informationen. Wird diesem besorgniserregenden Trend nicht energisch entgegengetreten, gerät auch der Friedensprozess der Regierung mit den Guerilla-Gruppen FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) und ELN (Ejército de Liberación Nacional) in ernsthafte Gefahr. Deutsche Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen bitten deshalb alle zuständigen staatlichen Stellen in Kolumbien nachdrücklich, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Angriffen auf Aktivist*innen der Zivilgesellschaft ein Ende zu setzen. Die internationale Öffentlichkeit erwartet von Kolumbien, seinen Verpflichtungen zum Schutz seiner Bürger*innen und insbesondere derjenigen, die für Menschenrechte kämpfen, nachzukommen, wie sie das Land mit diversen rechtsverbindlichen Menschenrechtsverträgen akzeptiert hat. Für besonders dringend wird erachtet,
Die Mitglieder der Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bitten wir eindringlich, diese Anliegen gegenüber ihren kolumbianischen Gesprächspartner*innen deutlich zu vertreten und auf wirksameren Schutz für zivilgesellschaftliche Aktivist*innen sowie auf eine umfassende strafrechtliche Aufarbeitung der Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen zu drängen. HintergrundDer Friedensprozess mit den Guerilla-Gruppen hat in den vergangenen Wochen entscheidende Fortschritte gemacht: Am 30. November 2016 trat nach über vier Jahren Verhandlungen das Friedensabkommen in Kraft, welches Regierung und FARC eine Woche zuvor unterzeichnet hatten. Einen ersten Vertragsentwurf von September 2016 hatte eine hauchdünne Mehrheit der Bevölkerung noch in einer landesweiten Volksabstimmung am 2. Oktober abgelehnt. Seit dem 7. Februar 2017 verhandelt die Regierung zudem auch mit dem kleineren ELN offiziell über Frieden. Vor allem seit FARC und Regierung ihren ersten Friedensvertrag vorgelegt hatten, häufen sich Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen: Seit dem 26. September 2016 kamen mindestens 41 Personen gewaltsam zu Tode - allein 17 davon im Januar dieses Jahres. Insgesamt wurden 2016 etwa 80 Menschenrechtsverteidiger*innen getötet. Weitere 49 kamen zudem bei Attentaten gerade noch mit dem Leben davon. Auf Gefechte der Konfliktparteien ist diese Welle an Morden kaum zurückzuführen. Denn direkt aus Kampfhandlungen resultierende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ist längst auf ein historisches Tief gefallen, seitdem Kolumbiens Regierung begann, Friedensgespräche mit den Guerilla-Gruppen zu führen. Die heutigen Angriffe stellen vielmehr bewusste Versuche diverser bewaffneter Gruppen - hauptsächlich paramilitärischer Einheiten - dar, bestimmte Vertreter*innen der Zivilgesellschaft gezielt zum Schweigen zu bringen: Weil sie in Menschen und Bürgerrechtsorganisationen, Opfergruppen oder Gewerkschaften für ihre Rechte oder die anderer eintreten; weil sie in Vereinen und sozialen Organisationen gegen gesellschaftliche Missstände und für soziale Gerechtigkeit kämpfen; weil sie versuchen ihre Umwelt zu schützen oder weil sie in ihren Gemeinden Land oder natürliche Ressourcen vor Ausbeutung verteidigen. Den Zeitpunkt ihrer Angriffe haben die Täter*innen nicht zufällig gewählt: Seit der Friedensvertrag von FARC und Regierung in Kraft trat, bewegen sich überall in Kolumbien Guerilla-Kämpfer*innen zu den mit der Regierung vereinbarten Sammelpunkten, an denen sie ihre Demobilisierung aufnehmen sollen. In vielen Regionen des Landes haben sie ein Machtvakuum hinterlassen, das andere bewaffnete Gruppen gewaltsam mit ihren Interessen zu füllen versuchen. Oft steckt hinter diesen Angriffen auch das Ziel, Kontrolle über rohstoffreiches, fruchtbares oder strategisch günstig gelegenes Land zu erlangen. Nicht selten handeln die Täter*innen dabei in Absprache mit einflussreichen lokalen und regionalen Interessengruppen aus Wirtschaft und Politik, die solche Flächen für eigene Gewinne nutzen wollen - und mit stillschweigendem Einverständnis von Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte. Seit fünf Jahren arbeitet in Kolumbien ein neues System aus zivilen und polizeilichen Behörden, das den Schutz bedrohter Akteure der Zivilgesellschaft gewährleisten soll. Gleichzeitig wurden in dieser Zeit 345 Menschenrechtsverteidiger*innen gezielt getötet. Einige der Ermordeten hatten bei den zuständigen Stellen zuvor bereits Übergriffe und Todesdrohungen angezeigt, von diesen jedoch keinerlei Schutz erhalten. In anderen Fällen verhinderte staatlicher Schutz die tödlichen Angriffe nicht. Dies zeigt deutlich: Die bestehenden Schutzprogramme von Kolumbiens Regierung bleiben auch heute in vielen Fällen wirkungslos. Straflosigkeitsquoten von über 95 Prozent bei fast allen schweren Gewaltverbrechen ermuntern nicht zuletzt Täter*innen geradezu, Menschenrechtsverteidiger*innen anzugreifen, sobald diese ihren Interessen in die Quere kommen. Kolumbien beheimatet eine große, heterogene und lebendige Zivilgesellschaft, die sich seit Jahrzehnten gewaltfrei, kreativ und auf vielfältigen Wegen für ein Ende des bewaffneten Konfliktes, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit engagiert. Zusammen haben diese Menschen maßgeblich zu der positiven Wende beigetragen, die die Friedensgespräche der Regierung mit den Guerilla-Gruppen in den vergangenen Jahren genommen hat. Und sie sind diejenigen, die auch in Zukunft den Friedensprozess mit all seinen Herausforderungen tragen werden. Wirklichen Frieden finden wird Kolumbien nur, wenn seine Menschenrechtsverteidiger*innen nicht länger fürchten müssen, zum Ziel von Gewalt zu werden. Ein Ende der Feindseligkeiten zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und den Guerilla-Gruppen allein wird kaum dazu beitragen, die Übergriffe gegen die Zivilgesellschaft zu stoppen. Dafür müssen die Behörden auch endlich Schritte unternehmen, um all jene bewaffneten Konfliktparteien, die nach wie vor Aktivist*innen attackieren, wirksam zu bekämpfen und diejenigen, die diese Gruppen in staatlichen Stellen, in der Politik und in der Wirtschaft weiter unterstützen, vor Gericht zur Rechenschaft zu ziehen. Quelle: pax christi Deutschland - Pressemitteilung vom 21.03.2017. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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