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Trump-Doktrin: Waffen verkaufen, Iran isolieren?

Iran: 57% der Bevölkerung für Reformkurs. Wirtschaftliche Konkurrenz zu Saudiarabien. Verträge mit USA in Gefahr. Sechs Thesen.

Von Erich Gysling

Es war Zufall, dass am gleichen Tag zwei sich diametral widersprechende Meldungen um die Welt gingen: Donald Trump, der in Riad "seine Araber" dazu aufrief, alles zu unternehmen, um den "Terrorstaat" Iran zu isolieren - und glückliche Iranerinnen sowie Iraner, die in Teheran den Wahlerfolg des Reformers Rohani feierten.

Kein Zufall (wenn auch schwer verständlich) war, dass ebenfalls an diesem Tag die eigentlich Trump-kritische "New York Times" einem der "Nahost-Experten" von Ex-Präsident George W. Bush, Michael Doran, eine prominente Plattform für einen flammenden Appell des Inhalts bot, eine "Trump-Doktrin" für den Mittleren Osten zu realisieren. Trump müsse eine Allianz schaffen, um Iran zu isolieren, denn nur so könne die Region befriedet werden, alles andere sei Nebensache.

Also, so muss man wohl folgern, ist’s auch im Sinne eines Friedens, dass die USA den Saudis Waffen für mehr als hundert Milliarden liefern und weitere "schöne Waffen", wie Trump sich ausdrückte, an andere Golfländer verkaufen wollen.

Die erneute Isolierung Irans schält sich als Kern der neuen US-Politik im Mittleren Osten klar heraus. Weshalb? Braucht man einfach ein Feindbild - oder gibt es Gründe, einen sogar von Reformern geprägten Iran einzuschüchtern?

These 1

Iran verfolgt in der mittelöstlichen Region eine eigenständige, von äußeren Einflüssen unabhängige Strategie. Sie besagt: Das Land strebt eine Art von cordon sanitaire rund um sich herum an. Da sind sich die Reformer mit den Hardlinern (Religiös-Konservative plus Revolutionswächter) einig. Sie bekämpfen den IS-Terror in Irak und halten, nach Möglichkeit, die sunnitischen Taliban im Nachbarland Afghanistan in Schach. Darüber hinaus unterstützen sie, in gewissen Grenzen, die schiitischen Huthi-Rebellen in Jemen und, bedeutend entschlossener, das Assad-Regime in Syrien. Dies auch mittels der libanesischen (schiitischen) Hizb-Allah-Miliz.

Religion spielt dabei eine gewisse Rolle - im Sinn einer Solidarität mit den Schiiten (und mit Kräften, die nicht "anti-schiitisch" sind, u.a. den Alawiten Assads). Daraus abzuleiten, dass Iran aus einem "schiitischen Halbmond" einen "Vollmond", also eine Umzingelung der sunnitischen Regionen, schaffen wolle (das behauptet die saudische Propaganda), ist nicht nachvollziehbar. Aber, nochmals, Iran ist in den erwähnten Bereichen durchaus offensiv.

These 2

Iran befindet sich in wirtschaftlicher Rivalität mit Saudiarabien. Das kann man anhand einiger Kennziffern erklären: Saudiarabien ist zu mehr als 85 Prozent von der Erdölwirtschaft abhängig, Iran nur zu 24 Prozent (weil die iranische Wirtschaft gut diversifiziert ist). Die Preise für Erdöl und Erdgas (da hat Iran ohnehin "die Nase vorn") sind gesunken, Saudiarabien steckt in einer - offiziell noch nicht eingestandenen - Krise. Man sollte sich nicht durch die Statistiken in die Irre führen lassen: die offiziell deklarierten Ressourcen Saudiarabiens sind zwar, was das Erdöl betrifft, immer noch überwältigend, aber Fachleute haben längst erkannt: von dem, was unter dem saudischen Wüstensand lagert, kann nur etwa ein Viertel ökonomisch sinnvoll vermarktet werden (zum Vergleich die europäische Nordsee: 80 Prozent). Es sei denn, Saudiarabien investiere gewaltige Summen in bessere Technologien. Aber das kostet wiederum Unsummen. Wie soll das finanziert werden, angesichts der Tatsache, dass das saudische Staatsbudget jährliche Defizite von bis zu 90 Milliarden Dollar schreibt (und jetzt noch durch die neuen Waffenkäufe aus den USA belastet wird)? Iran anderseits befindet sich, für die nähere Zukunft zumindest, auf dem aufsteigenden Ast: Zweitgrößte Erdgas-Reserven weltweit, und beim Erdöl so viel, dass eine Rückkehr auf die internationalen Märkte dazu führen würde, dass andere Primärenergie-Lieferanten zurückstecken müssten.

These 3

Iran bietet ausländischen Investoren/Geschäftspartnern sehr viel mehr als Saudiarabien - im Kontrast zu Saudiarabien nicht bei der militärischen Rüstung, wohl aber in den Bereichen Infrastruktur und Aufholen von (durch die Sanktionen) Versäumtem. Prominente Beispiele sind die - provisorischen - Verträge mit Airbus (114 Flugzeuge) und auch Boeing (100 Maschinen). Sonst allerdings nicht allzu viel - Irans Wirtschaft ist robust, d.h. sie kann sich auch mit Widrigkeiten arrangieren. Allerdings: ob Vorverträge, die zwischen iranischen und westlichen Unternehmen unterzeichnet worden sind, auch realisiert werden können, hängt letzten Endes von den USA ab. Der US-Kongress, der Präsident, die Banken in den USA, sie können all das, was in den letzten Monaten in den Medien bereits als beschlossen skizziert wurde, wieder annullieren. Die amerikanischen Banken spielen da eine besondere, eigenständige und eigenartige Rolle: sie schüchtern bekanntlich Banken in Europa massiv ein, Geschäfte mit Iran zu tätigen. Was dazu führte, dass viele scheinbar schon beschlossene Abkommen wieder in Frage gestellt wurden. Die Drohung lautete simpel und einfach: Passt auf, wenn ihr mit Iran geschäften wollte, läuft ihr Gefahr, das ganze USA-Geschäft zu verlieren. Das verfehlte seine Wirkung nicht - keine größere Bank hierzulande, auch nicht in anderen westeuropäischen Ländern, will nun die Beziehungen mit Iran normalisieren.

These 4

Da stößt man nun auf ein spezifisch iranisches Problem: in den Jahren der früheren Präsidentschaft, jener von Ahmadinejad, konnten die (militärisch organisierten) Revolutionswächter, die Pasdaran, ihre "Tentakel" in alle wesentlichen Wirtschaftsbereiche des Landes ausweiten. Insbesondere in jene der Banken. Das iranische Bankensystem ist unglaublich unübersichtlich, und jeder Reisende staunt immer wieder darüber, wie viele Banken es gibt - das sieht man schon bei einer Fahrt durch Teheran. Die Pasdaran sind, mit anderen Worten, in fast allen wesentlichen Bereichen der Finanz und der Wirtschaft Irans irgendwie mit drin - was jeden ausländischen Partner zur Frage führt: Geschäfte ich nun mit einem Arm des Militärapparats oder nicht? Die Frage kann auch zum Vorwand führen, mit Iran überhaupt keine geschäftlichen Beziehungen zu etablieren. In diesem Sinne argumentieren die US-amerikanischen Banken und setzen dementsprechend die Europäer unter Druck.

These 5

Die Mehrheit der Bevölkerung Irans ließ sich bei der Wahl des Staatspräsidenten weder von Trumps Rhetorik noch durch bisher enttäuschte Erwartungen beeinflussen: 57 Prozent votierten für Rohani und straften damit die Konservativen und die Pasdaran-Hardliner ab. Weshalb?

Iran ist, mit fast 80 Millionen Menschen, ein Land im gesellschaftlichen Umbruch. Mehr als 70 Prozent leben in größeren Städten (d.h. in Städten mit mehr als einer Million - Teheran über 11 Millionen, Mashhad mit fast vier Millionen, Isfahan mit mehr als drei Millionen etc). Urbanisierung, Bildung, Zugang zu Information (fast alle empfangen via Satellit westliche TV-Programme, auch wenn das offiziell nicht gestattet ist, fast alle nutzen das Internet und "social medias") spielen eine wesentliche Rolle. Wirtschaftlich geht’s nicht allen gut, die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell etwa 13 Prozent, jene bei den Jugendlichen über 30 Prozent (das ist immer noch weniger als in Spanien oder Griechenland!), aber die Familien-Solidarität fängt vieles auf. Reist man durch das Land, sieht man von der Armut nichts: alle Restaurants voll besetzt, auch alle Busse, alle Züge, auch die Flugzeuge. Aber, das muss man auch wissen: Armut ist in manchen Ländern offenkundig, in anderen nicht oder kaum.

These 6

Das Erstaunlichste ist: Eine Mehrheit in der iranischen Gesellschaft ist immer noch optimistisch, traut der (eigentlich nicht beliebten) Staatsführung zu, dass sie alles zum Besseren führen werde. Und nimmt die sich abzeichnende "Trump-Doktrin" offenkundig nicht sehr ernst.

Und wenn es doch ernst werden sollte?

Nun, die Iranerinnen, Iraner, sind es, nach vielen Sanktionsjahren, gewohnt, sich irgendwie zu arrangieren.

Quelle: Infosperber.ch - 23.05.2017.

Veröffentlicht am

24. Mai 2017

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