Von trocken zu nass: In Afrikas Sahelzone könnte es plötzlich viel mehr regnenDer Klimawandel könnte einen von Afrikas trockensten Landstrichen zu einem sehr nassen machen, indem dort recht abrupt ein Monsunsystem entsteht. Erstmals haben Wissenschaftler in Computersimulationen Belege für eine mögliche plötzliche Veränderung hin zu heftigen regionalen Regenfällen in der bislang extrem trockenen Sahelzone gefunden. Sie sehen hier einen sich selbst verstärkenden Mechanismus, der jenseits von 1,5 bis 2 Grad Celsius einsetzen kann - direkt an der im Pariser UN-Abkommen geforderten Obergrenze für den weltweiten Temperaturanstieg. Wenngleich die Regenfälle grundsätzlich vorteilhaft sein könnten, wäre die Veränderung bei Überschreiten des Kipp-Punktes so groß, dass sie von der vielfach leidgeprüften Region eine erhebliche Anpassungsleistung fordern würde. "Mehr Regen in einer trockenen Region, das ist erstmal eine gute Nachricht", sagt Leitautor Jacob Schewe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). "Wenn wir mit den Treibhausgasen aus dem Verfeuern fossiler Brennstoffe das Klima verändern, kann das viele Dinge durcheinander wirbeln. Risiken für Ernten nehmen vielerorts zu, gefährliche Wetterextreme sind weltweit auf dem Vormarsch - aber für die trockene Sahelzone scheint die Chance zu bestehen, dass eine weitere Erwärmung tatsächlich die für Bauern und Viehhalter verfügbare Wassermenge zunehmen lässt." Ko-Autor Anders Levermann vom PIK und dem LDEO der New Yorks Columbia Universität ergänzt: "Wir wissen nicht, was die Auswirkungen in der Praxis sein werden, hierzu kann unsere Studie keine Informationen bieten; aber man stelle sich mal einen grünen Sahel vor! Dennoch, das schiere Ausmaß der möglichen Veränderung ist atemberaubend - dies ist eines der wenigen Elemente im Erdsystem, die wir schon bald kippen sehen könnten. Nähert sich die Temperatur einmal dem Schwellenwert, so können sich die Regenfälle innerhalb nur weniger Jahre komplett verändern." Ein neues Kipp-Element im ErdsystemRegionen wie die zentralen Teile Malis, des Niger und des Tschad - die im Grunde Teil der Sahara sind - könnten so viel Regen abbekommen wie heute das zentrale Nigeria oder der Norden Kameruns, wo ein tropisches Klima mit üppigem Pflanzenwuchs herrscht. Dutzende von Computersimulationssystemen, so genannte Modelle, zeigen für den Fall eines ungebremsten Klimawandels einen im Durchschnitt eher schwachen Trend hin zu mehr Niederschlag im Sahel. Es ist also bereits bekannt, dass in dieser Region in einer wärmeren Welt etwas mehr Regen fällt. Die Wissenschaftler haben nun aber jene Simulationen genauer untersucht, die den größten Zuwachs an Regen zeigen, nämlich zwischen 40 und 300 Prozent, während andere Simulationen nur eine geringe Zunahme oder sogar Abnahme nahelegen. Die Forscher entdeckten, dass in den "nassen" Simulationen mit der Erwärmung der Afrika umgebenden Ozeane der Regen im Sahel plötzlich und stark zunimmt. Zugleich werden die Monsunwinde stärker, die vom Atlantik ins Innere des Kontinents wehen, und sie reichen weiter nordwärts. Das erinnert an Zeiten in der Erdgeschichte, in denen Monsunsysteme in Afrika und Asien zwischen nass und trocken hin-und-her wechselten, manchmal recht rasch. Die Wissenschaftler hatten hinter diesen plötzlichen Veränderungen der Regenfälle einen sich selbst verstärkenden Mechanismus aufgespürt. Wenn die Oberflächentemperatur des Ozeans zunimmt, verdunstet mehr Wasser. Die feuchte Luft driftet auf das Land zu, wo das Wasser abregnet. Wenn aber Wasserdampf zu Regen wird, entsteht Wärme. Diese Wärme verstärkt den Temperaturunterschied zwischen den generell kühleren Meeren und den wärmeren Landmassen, wodurch wiederum mehr feuchte Winde ins Innere des Kontinents gesogen werden. Dies führt zu mehr Regen, und so weiter. "Die Temperaturen müssen über einen bestimmten Punkt steigen, um diesen Prozess zu starten", erklärt Schewe. "Der Schwellenwert für diesen ‚Sahel-Monsun’ erweist sich in den verschiedenen Computersimulationen als bemerkenswert ähnlich. Es scheint ein robustes Ergebnis zu sein." Anpassung wäre eine große Herausforderung für eine leidgeprüfte Region"Die ungeheure Veränderung, die wir hier erleben könnten, würde ganz klar eine große Herausforderung für den Sahel darstellen", betont Levermann. "Von Mauretanien und Mali im Westen bis zu Eritrea und Sudan im Osten sind möglicherweise mehr als 100 Millionen Menschen hiervon betroffen. Die Region ist schon heute instabil mit heftigen Auseinandersetzungen und Kriegen. Besonders in der Übergangszeit von der heute herrschenden Trockenheit zu den wahrscheinlich viel nasseren Bedingungen Ende unseres Jahrhunderts könnte der Sahel Jahre der Schwankungen zwischen Dürre und Flut durchleben, mit denen sehr schwer zurecht zu kommen ist. Landwirtschaft und Infrastruktur werden mit dieser Herausforderung fertig werden müssen. So großartig es hoffentlich für den Sahel ist, dass es in der Region möglicherweise mehr regnet - das Ausmaß der Veränderung verlangt dringend nach Aufmerksamkeit." Artikel: Jacob Schewe, Anders Levermann (2017): Non-linear intensification of Sahel rainfall as a possible dynamic response to future warming. Earth Syst. Dynam., 8, 495-505. [DOI: 10.5194/esd-8-495-2017] Weblink zum Artikel: http://www.earth-syst-dynam.net/8/495/2017/ Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) - Pressemitteilung vom 06.07.2017. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
|