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Twittern, Golfen, Nordkorea drohen

Donald Trump heizt den Konflikt mit Pjöngjang weiter an. Seine Berater bemühen die Diplomatie - mit geringem Erfolg

Von Konrad Ege

Offenbar haben die Kontrahenten die Rhetorik etwas gemäßigt. Beruhigen sollte eine Bemerkung von Sicherheitsberater Herbert R. McMaster vom Wochenende: Man sei einem "Krieg nicht näher als vor einer Woche, doch näher als vor einem Jahrzehnt". Dazu kam ein Statement von CIA-Direktor Mike Pompeo, "ein Angriff auf Nordkorea, das ist nichts unmittelbar Bevorstehendes". Es liegt eine gefühlte tagespolitische Ewigkeit zurück, dass Präsident Trump Mitte Mai in den Bloomberg News unter den "richtigen Bedingungen", wie es hieß, ein Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un in Aussicht stellte. Er würde sich "geehrt fühlen", sagte Trump. Drei Monate später wurden nukleare Drohungen ausgetauscht.

Bei der Invasion im Irak vom März 2003 galt die Parole: "Shock and Awe" (Schock und Entsetzen) durch überwältigende Angriffe. Aus Sicht der US-Militärführung hat das anfangs funktioniert, allerdings wurde daraus ein Krieg ohne Ende, den Donald Trump nicht unterstützt haben will. Jetzt poltert er von "Fire and Fury" (Feuer und Wut) gegen Nordkorea und spielt Golf wie die großen Feldherren. Keine Frage, dem Präsidenten kommt die "Alle Augen sind auf mich gerichtet"-Anspannung gelegen. Zu unbequem sind die Nachrichten von Russland-Sonderermittler Robert Mueller, der kürzlich im Morgengrauen die Wohnung von Trumps früherem Wahlkampfmanager Paul Manafort durchsuchen ließ. Auch gab es für den Präsidenten viel negative Presse nach dem Rassistenaufmarsch in der Universitätsstadt Charlottesville mit drei Toten. Ein rechtsextremer Fanatiker raste in eine Gegendemonstration und tötete eine Frau. Zwei Polizisten starben beim Absturz ihres Hubschraubers.

Millionen Tote damals

Trump wollte sich anfangs nicht eindeutig von Blut-und-Boden-Neonazis sowie Ku-Klux-Klan-Anhängern distanzieren. Er sprach von Gewalt, die "von vielen Seiten" ausgegangen sei, und änderte seine Optik erst, als zusehends Unmut in der eigenen republikanischen Partei aufkam.

Am Tag nach Charlottesville publizierte Trumps Wiederwahlkampagne den ersten Spot. Die Aussage: "Feinde" - darunter die Medien wie die Demokraten - legten Trump Steine in den Weg. Dabei sollten die Amerikaner ihn doch machen lassen. Mehr Menschen hätten Jobs, die Aktienkurse seien auf Rekordniveau, die Streitkräfte so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dabei ist das Nordkorea-Dilemma nicht nur Trumps Twitterfinger und Kim Jong-uns Drohgebärden zu verdanken. Die Ursachen wurzeln tief. Anstatt über den Ausgang der bisher nur verbalen Crashs zu spekulieren, sollte man Geschichte lesen und verstehen. In der Demokratischen Volksrepublik Korea regiert seit dem Krieg zwischen Nord und Süd (1950 - 1953), in dem Amerika auf der Seite des Südens, China auf der des Nordens stand, ein repressives Regime. Es versucht, den inneren Zusammenhalt zu stärken, indem es auf den großen Feind verweist. Kernwaffen sollen das Land unangreifbar machen.

Umso mehr sei es gerade jetzt an der Zeit, sich der Vergangenheit zu erinnern, mahnt der US-Historiker Bruce Cumings im britischen Guardian. Vor 64 Jahren seien die Nordkoreaner nach dem Krieg "wie aus einem realen Albtraum aufgewacht - nach drei Jahren ‚Niederschlag und Zerstörung’ durch die US-Luftwaffe". Die Air Force hätte Pjöngjang dem Erdboden gleichgemacht. Überhaupt seien Nordkoreas Städte schwerer getroffen worden als die deutschen und japanischen im Zweiten Weltkrieg. Millionen Menschen kamen um. Noch mal: Millionen kamen um.

Ende Februar 1983 waren drei Viertel der US-Fernsehgeräte am Abend auf den Sender CBS geschaltet. Es lief die letzte Episode der beliebten Serie M.A.S.H., ein unwahrscheinlicher Hit. Ort der Handlung war ein Feldlazarett der Army im Koreakrieg. Elf Jahre lang war bis dahin eine düstere Fabel erzählt worden, in der Ärzte wie Hawkeye Pierce und B.J. Hunnicutt die Verwundeten eines Krieges zusammenflickten, den sie als sinnlos erlebten. Selbst der Militärpfarrer konnte nicht viel helfen.

Solche und andere Erinnerungen an den Koreakrieg, bei dem 37.000 GIs ums Leben kamen (viele schlecht vorbereitet nach der Verlegung aus dem Bestand der Besatzungsarmee in Japan), bleiben kompliziert und sind nicht willkommen. Am westlichen Ende der Museumsmeile in Washington stößt der Besucher auf 19 überlebensgroße graue Skulpturen von US-Soldaten, Helme auf, ausgerüstet mit Maschinengewehr und Waffen der Infanterie. Die stählernen Figuren sehen nicht wie Sieger aus, Erschöpfung steht in ihren Gesichtern. Dieses Monument zum Koreakrieg wurde am 27. Juli 1995 eröffnet, dem 42. Jahrestag eines endgültigen Waffenstillstands. Aus dem Abkommen über die Feuerpause wurde nie ein Friedensvertrag. Bis heute sind gut 28.000 US-Soldaten in Südkorea stationiert.

Viele US-Politiker widersetzen sich der Lesart, der Krieg sei damals mit einem militärischen Patt zu Ende gegangen. "Das war kein Unentschieden, das war ein Sieg", gab sich Barack Obama während seiner Präsidentschaft überzeugt. 50 Millionen Südkoreaner lebten seither in Freiheit. 2013, nach einem militärischen Zusammenstoß zwischen Nord und Süd, habe Obama Bombenattrappen auf Inseln vor der südkoreanischen Küste werfen lassen, so der Historiker Bruce Cumings. Zugleich seien die eingesetzten Langstreckenbomber atomwaffenfähig gewesen. Die USA und Nordkorea seien nur Inches entfernt gewesen von einem Krieg, sagte laut Cumings Obamas Verteidigungsminister Leon Panetta später.

Nordkoreas Rüstung, insbesondere die Atomwaffen, Mittel- und Langstreckenraketen, ist für das Establishment der USA über die Parteigrenzen hinweg nicht hinnehmbar. Dies gilt erst recht, seit das Kim-Regime bei Interkontinentalwaffen schneller vorankommt, als von den US-Geheimdiensten erwartet. Trump mag sich noch so sehr beklagen über das Durchsickern von Informationen an die Medien, auch die jetzige Krise gründet sich nicht zuletzt auf Leaks. Laut Washington Post verfügt Nordkorea nach den Angaben der Defense Intelligence Agency über passende Atomsprengköpfe für Langstreckenraketen und habe damit eine "entscheidende Schwelle auf dem Weg zur vollen Nuklearmacht überschritten". Es müsse von einem Arsenal mit bis zu 60 Kernwaffen ausgegangen werden.

Nachprüfbar sind diese Daten nicht. Zudem bleibt unklar, mit welchen Absichten sie lanciert wurden. Um den Präsidenten unter Handlungsdruck zu setzen? Grundsätzlich ist der Nationale Sicherheitsrat bei Korea auf Trump-Kurs. Der Präsident werde es nicht zulassen, dass Nordkorea die USA bedrohen kann, sagte McMaster. "Wir müssen ihm alle Handlungsvarianten anbieten, und dazu zählt die militärische Option." Welche Folgen das haben wird, bleibt ungewiss. Es sei hinreichend bekannt, dass mit einem Krieg in Korea eine Tragödie heraufbeschworen wäre, äußerte sich Verteidigungsminister James Mattis vor wenigen Tagen. Nordkorea habe im Kriegsfall keine Chance. Die USA und ihre Verbündeten hätten die "präzisesten, eingeübtesten und robustesten defensiven und offensiven Kapazitäten auf Erden".

Angeblich stehen bei Mattis Regale voller Geschichtsbücher. Foreignpolicy.com fragte ihn kürzlich nach den für ihn wichtigsten. Mattis nannte The Guns of August (deutsch: August 1914) von Barbara Tuchman. Darin geht es um Fehlurteile kurz vor dem Ersten Weltkrieg.

Quelle: der FREITAG vom 18.08.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags.

Veröffentlicht am

18. August 2017

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