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Konstantin Wecker: In zärtlichem Gedenken an die Opfer der Nazis

Von Konstantin Wecker

Liebe Freunde, es mag ja sein, dass es eine gute spirituelle Übung ist, den Nazis einfach nur die Aufmerksamkeit zu entziehen. Aber es ist gleichzeitig auch eine feige Flucht. Wenn wir uns unmenschliche, nationalsozialistische Gesinnung und Handlungen vehement verbitten ist das keine gehässige Antwort auf Hass, wie es mir von manchen Kommentatoren unterstellt wird, sondern schlicht und ergreifend Notwehr. Notwendige Notwehr.Anmerkung der Redaktion Hinter den Schlagzeilen: Zu Konstantins Artikel "Wer an das Hakenkreuz glaubt, glaubt an den Hass" , schrieb ein Kommentator, es genüge, den Nazis die Aufmerksamkeit zu entziehen, um das Problem einzudämmen. Dem widerspricht der Liedermacher hier vehement.

Vor mir liegt ein Büchlein der Etty Hillesum: Das denkende Herz, die Tagebücher 1941-1943.
Mit gerade mal 27 Jahren schreibt diese wunderbare, zarte und so immens kluge holländische Jüdin aus dem KZ:

"Gut, diese neue Gewissheit, dass man unsere totale Vernichtung will, nehme ich hin (…) ich arbeite und lebe weiter mit derselben Überzeugtheit und finde das Leben sinnvoll, trotzdem sinnvoll (…) Das Leben und das Sterben, das Leid und die Freude, die Blasen an meinen wundgelaufenen Füssen, der Jasmin hinterm Haus, die Verfolgungen, die zahllosen Grausamkeiten (…) Ich möchte lange leben,  um es später noch einmal erklären zu können und wenn mir das nicht vergönnt ist, nun, dann wird ein anderer mein Leben von dort an weiterleben, wo das meine unterbrochen wurde, und deshalb muss ich es so gut und überzeugend wie möglich weiterleben, bis zum letzten Atemzug, so dass derjenige, der nach mir kommt nicht ganz von Neuem anfangen muss und es nicht mehr so schwer hat."

Mir kommen die Tränen, bei diesen Zeilen. Was für eine menschliche Größe in all der Verzweiflung. Sie hat nicht überlebt, sie wurde von den Nazis ermordet. Am 7. September wurde sie mit ihrer gesamten Familie auf den Transport geschickt. Ein Bericht des Roten Kreuzes meldet Ettys Tod am 30. November 1943 in Ausschwitz. Auch ihre Eltern und Brüder kamen ums Leben.

Nie dürfen wir vergessen, was passiert ist. Denn es kann wieder passieren. Es ist nicht vorbei.
Und es ist nicht der Hass auf die Dummheit der Neonazis, der mich antreibt nicht aufzuhören ihnen Einhalt zu gebieten - es ist das zärtliche Gedenken an so wundervolle Menschen wie Etty Hillesum, Anne Frank und ach so viele andere. Was sie uns zu sagen haben, dürfen wir vor allem nicht vergessen.

Nie wieder Faschismus, in welcher Verkleidung auch immer!

Das denkende Herz
Die Tagebücher von Etty Hillesum
1941 -1943
rororo

Quelle: Hinter den Schlagzeilen - 18.08.2017.

Fußnoten

Veröffentlicht am

19. August 2017

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