Afghanistan: Macht der GewohnheitDie mutmaßliche Wende Donald Trumps ist nicht mehr als ein Aufguss von 16 Jahren gescheiterter Politik am Hindukusch. Schon Obama suchte sein Heil in mehr Soldaten.Von Lutz Herden. Es bleibt die ewige Frage - wie lange lässt sich an einer fragwürdigen Strategie fest- und damit ein Gegner in Schach halten? In Südvietnam hatte sich das für die US-Armee in den frühen 1970er Jahren erledigt. Die Zahl ihrer Gefallenen lag seinerzeit bei fast 40.000 Soldaten. Die Toten waren in der Gewissheit zu verkraften, dass dieser Krieg zwar kaum zu verlieren, aber ebenso wenig zu gewinnen sein würde. So rang sich der damalige Präsident Richard Nixon zu Ausstieg und Abzug durch. Ohnehin hatte die Intervention in Indochina an Rückhalt im politischen Establishment der USA verloren, in der Bevölkerung sowieso. Donald Trump wird Ähnliches in Afghanistan zunächst erspart bleiben, auch wenn er vom Prinzip her so handelt wie die Vorgänger Kennedy, Johnson und Nixon in Südostasien und sich überzeugt gibt: Wieder mehr Militär und Macht nach Afghanistan verlegen, dazu von Anti-Terror-Krieg reden, da werden sich die Verhältnisse am Hindukusch aus US-Sicht schon zum Besseren wenden. Mit einem Strategiewechsel hat das freilich nichts zu tun. Eine solche Road Map nahm Anfang Dezember 2009 schon Barack Obama in die Hand, als er vor den Kadetten der Militärakademie West Point verkündete: "Als Oberkommandierender habe ich bestimmt, dass es in unserem vitalen nationalen Interesse ist, zusätzlich 30.000 Soldaten nach Afghanistan zu schicken." Der eingeschlagene Weg war gesäumt von Misserfolgen, noch mehr zivilen Opfern und noch mehr Zulauf für die Taliban. Trump kann das schwerlich entfallen sein, nun aber beruft er sich auf den Rat hoher Militärs. Die sind darüber beunruhigt, wie sehr das afghanische Regierungslager mit dem Rücken zur Wand steht. Staatschef Aschraf Ghani hätte längst kapitulieren müssen, gäbe es nicht den Schutzschirm des US-Afghanistankorps. Wird dessen Bestand nun um 4.000 Mann oder mehr aufgestockt, reflektiert das nicht zuletzt die Misere einer afghanischen Nationalarmee, die nur noch drei Fünftel des Staatsgebietes beherrscht. In Nordprovinzen wie Badachschan, Tachar und Balch haben die Taliban und ihre Alliierten den Status marodierender Freischärler längst abgestreift und verfügen über eigene Verwaltungen. Im Süden an der Grenze zu Pakistan gilt dies gleichermaßen für Regionen in Kandahar, Paktika, Zabul, Chost und Helmand. Wer sich da exponiert oder - wie Trump intoniert - angreift, sollte wissen: Aufständische müssen nicht gewinnen. Es reicht, wenn sie ihre Gegner überleben, wie das einst die Vietcong in Südvietnam vermochten. Seit zwei Jahrzehnten sind die Taliban keineswegs unverwundbar, aber offenbar unschlagbar. Wie das in Afghanistan des Öfteren auf Widerstandsbewegungen zutraf, die das Unbehagen über extern gestützte Regierungen wie eine davon ausgehende Fremdbestimmung zu nutzen wussten. Trumps Hinwendung zum Krieg führt zurück in die Zeit vor dem NATO-Abzug Ende 2014. Er verabschiedet die seither als Ausbildungseinsatz etikettierte Mission "Resolute Support" und nähert sich einem klassischen Kampfeinsatz an. Das könnte die NATO-Verbündeten unter Druck setzen, es ihm gleichzutun. Immerhin stehen 980 deutsche Soldaten in Masar-i-Scharif und im Raum Kundus. Nicht auszuschließen, dass sie von den Taliban dafür in Haftung genommen werden, wenn sich die USA wieder aggressiver gebärden. Verteidigungsministerin von der Leyen sollte sich dessen bewusst sein, wenn sie Trumps Afghanistan-Pläne allzu eilfertig begrüßt. Quelle: der FREITAG vom 24.08.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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