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Der neue Präsident der Philippinen pocht auf Unabhängigkeit und will sich an den Interessen des Volkes orientieren. Ein klarer Fall für den nächsten RegimeChange-Versuch.

Franz Segbers, Sozialethiker und Gastprofessor auf den Philippinen, hat für die NachDenkSeiten einen kurzen Bericht über neue Entwicklungen auf den Philippinen geschrieben, den wir hier veröffentlichen. 

Der neue Präsident auf den Philippinen. Und die Medien sprechen nur vom Krieg gegen die Drogen.

Von Franz Segbers

Da ich regelmäßig auf den Philippinen als Gastprofessor bin, kenne ich mich mit den dortigen Verhältnisse recht gut aus. Umso wichtiger war es für mich in diesem Jahr, aus erster Hand zu erfahren, was es mit dem neuen Präsidenten Rodrigo Duterte auf sich hat. Die Medien in Deutschland sind voll von Berichten über die Drogenpolitik mit Meldungen wie "Ein Land auf Menschenjagd", so Die Zeit vom 25.8.2016. Die FAZ: "Auf den Philippinen hat Präsident Duterte allen Drogenhändlern und Süchtigen den Krieg erklärt." (7.9.2016) Die TAZ in der Ausgabe vom 30.9.2016: "Die neueste absurde Gewaltfantasie: Der Präsident der Philippinen sagt, er wolle Drogenabhängige ermorden, so wie Hitler Juden ermordet habe." Die Medien sind alarmiert. Menschenrechtler sind zu Recht besorgt. Es gibt ohne Zweifel keine Rechtfertigung für Morde im Kampf gegen illegale Drogen. Doch mehr als über dessen Drogenkrieg ist aus den Medien über den neuen philippinischen Präsidenten Duterte kaum zu erfahren.

Die Medien in Deutschland sind sich einig und das vermittelte Bild über den Präsidenten ist klar. Doch ganz anders ist die Stimmung auf den Philippinen. Wen auch immer ich über seine Meinung zum neuen Präsidenten Duterte gefragt hatte, niemand nannte als erstes den Drogenkrieg, der die mediale Berichterstattung des Westens so prägt. Man ist stolz in der jahrhundertelangen Geschichte des Landes, das vom spanischen Kolonialismus und US-amerikanischen Imperialismus geprägt ist, endlich einen Präsidenten zu haben, der nicht aus der Oberschicht kommt und mit einem klaren politischen und sozialen Programm auftritt, das alle Forderungen der progressiven und linken Bewegungen im Land aufnimmt.

Die Medien in Deutschland sind irritiert, dass über 90 Prozent der Bevölkerung den philippinischen Präsidenten Duterte unterstützt. Warum ist dies so? Das hat seinen Grund. Und der wird in den Medien verschwiegen. Ich bin immer wieder Menschen begegnet, die stolz auf ihren Präsidenten sind. Und das zu Recht. Dutertes Wahlkampfmotto lautete "Veränderung kommt". Er nennt sich einen "sozialistischen Präsidenten". Nach einhundert Tagen Präsidentschaft zeichnen sich bereits tiefgreifende Veränderungen ab. Für die Durchführung aller wesentlichen Teile seines Reformprogramms hat er wichtige Vertreter der sozialen Bewegungen ernannt.

So ist einer der Landarbeiteraktivisten zum Verantwortlichen für eine durchgreifende Landreform ernannt worden, welche die Eliten bislang immer verhindert haben. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft KMU wird mit der Durchsetzung einer Reform des neoliberalen Arbeitsrechts betraut. Leiharbeit soll massiv zurückgefahren werden, Gehälter für Polizisten, Lehrer und Soldaten verdoppelt sowie der Mindestlohn kräftig angehoben werden. Eine Umweltaktivistin wurde zur Vorsitzenden der Umweltabteilung ernannt. Sie hat als erste Maßnahme angekündigt, die Lizenzen der multinationalen Bergbaukonzerne, die gegen Umweltauflagen verstoßen, aufzuheben.

Seit fast 30 Jahren kämpfen die National Democratic Front (NDF), ein Zusammenschluss progressiver Organisationen aus dem Bereich Landwirtschaft, Gewerkschaften, Indigene sowie linker Parteien und Organisationen, zu denen auch bewaffnete Widerstandsgruppen gehören, um einen Friedensvertrag mit der Regierung. Bislang vergebens. Denn den bisherigen von den USA abhängigen Präsidenten lag daran, die NDF lieber als Terrorbewegung bekämpfen zu können. Anders der jetzige Präsident. Er konnte innerhalb nur weniger Wochen eine Feuerpause erreichen und in einer zweiten Verhandlungsrunde am 10. 10.2016 politische und soziale Reformen vereinbaren. Die Waffen schweigen. Im letzten Jahr konnte ich ein Evakuierungslager von 4.000 Indigenen besuchen, die vor den Militärs geflohen waren. Sie hatten sich geweigert, Bergbaukonzernen ihr Land zu überlassen: Deshalb wurden sie mit einem Massaker bedroht. Jetzt konnten sie nach der Vereinbarung der Feuerpause alle wieder in ihre Dörfer zurückkehren.

Auch geostrategisch löst der Präsident sich aus der Abhängigkeit von den USA, die jahrzehntelang die Philippinen als Kolonialmacht in Abhängigkeit gehalten haben und es immer noch tun. Duterte will eine unabhängige Außenpolitik betreiben. Er hat die USA wegen ihrer Einmischung in innere Angelegenheiten seines Landes kritisiert und angedroht, den Vertrag über militärische Zusammenarbeit mit den USA auszusetzen und US-amerikanische Streitkräfte des Landes zu verweisen. Gleichzeitig hat Präsident Duterte angekündigt, freundschaftliche Beziehungen mit China, Russland und Vietnam aufzubauen. Das schließt auch bilaterale Gespräche und mehr diplomatische Bemühungen mit China über Streitfragen im Südchinesischen Meer ein. Dutertes Absicht ist, die Philippinen endlich aus einer postkolonialen Abhängigkeit von den USA herauszuführen. Dazu passt, dass er die jüngsten gemeinsamen Militärmanöver der philippinischen Streitkräfte mit den US-amerikanischen Streitkräften die letzten nannte.

Der UN-Beauftragte Philip Alston hatte im Jahr 2007 in einem Bericht über Menschenrechtsverletzungen die Verwicklung des Militärs in politische Morde belegt. Der Regierung Arroyo wurde 2006 vorgeworfen, über 800 politisch motivierte Morde nicht aufgeklärt zu haben. Auch unter der Vorgängerregierung gab es zahlreiche politische Morde, besonders gegen Journalisten, Umweltschützer oder Kirchenleute. Doch diese Morde auch von Gegnern neoliberaler Reformen haben die westlichen Medien nie sonderlich interessiert. Doch jetzt, wo ein Präsident linke und progressive Forderungen zum Regierungsprogramm erhebt und den Einfluss der USA zurückdrängen will, prangern die Medien die Morde im Drogenkrieg an.

Die USA sind aufgeschreckt. Sie befürchten, ihren bisher so verlässlichen Alliierten zu verlieren. In einer Rede vor der Filipino-Community in Vietnam sagte Duterte: "Die CIA plant mich zu töten!" Dies sagte er bei der Ankündigung, dass die Philippinen nicht mehr an den US-Patrouillen in den umstrittenen Gebieten im Südchinesischen Meer teilnehmen werden. Die Liste der von der CIA initiierten oder gar durchgeführten blutigen Regime-Wechsel ist lang. Da kommt es medial nur recht, angesichts des unerbittlich geführten Drogenkrieges das "linke" Reformprogramm ins Dunkel verschwinden zu lassen. Die Gesellschaft ist bis in die höchsten Kreise hinein in Drogengeschäfte und Korruption verwickelt. Und Duterte ist angetreten, dem ein Ende zu machen. Erste Erfolge zeichnen sich im Kampf gegen die Drogen ab. Über 700.000 Drogenabhängige sind eingeliefert worden, hunderte Politiker und Drogenbosse inhaftiert und der Drogenhandel auf den Straßen ging um 90 Prozent zurück.

Duterte hat in wenigen Wochen die Stimmung im Land verändert. Es herrscht Aufbruchsstimmung für soziale und politische Reformen. Nach jahrhundertelangen Erfahrungen mit Kolonialismus, Imperialismus und der jetzigen Globalisierung gibt Duterte den Menschen ihre Würde zurück. Dabei kann er sich der kritischen Kooperation der sozialen Bewegungen und der Kirchen sicher sein.

Dennoch, Duterte hätte es verdient, auch international kritische Unterstützung für sein politisches Reformprogramm zu finden.

Franz Segbers, Professor für Sozialethik, ist regelmäßiger Gastdozent auf den Philippinen.

Quelle:  NachDenkSeiten - 17.10.2016. Eine Vervielfältigung oder Verwendung des Textes in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist unter Berücksichtigung der Regeln von Creative Commons Lizenz 2.0 Non-Commercial möglich.

Veröffentlicht am

17. Oktober 2016

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