Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Paul Schobel: “Der Krieg ist ein Taugenichts und muss geächtet werden.”

Redebeitrag von Paul Schobel für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2017 in Esslingen

Von Paul Schobel

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

Gespenstisch, was da heute vor 78 Jahren im Morgengrauen auf der "Westerplatte" begann, als NAZI-Deutschland sein Nachbarland Polen überfiel. Ich habe immer noch jenes Foto vor Augen, auf dem frech grinsende deutsche Soldaten den Schlagbaum öffnen - den Schlagbaum hinein ins Verderben. Denn dieser Tag signalisiert den Anfang unendlichen Schreckens, der 73 Millionen Menschen in diesem verdammten "Zweiten Weltkrieg" das Leben gekostet hat. Ihrer und der Toten dieser Stadt gedenken wir heute an dieser historischen Stätte. Seit nunmehr 60 Jahren halten die Gewerkschaften und die Friedensbewegung diese Erinnerung wach. Ich danke allen, die heute auf Straßen und Plätzen bekennen: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!"

Wer da glaubt, das alles sei doch Schnee von gestern, ist mit Blindheit geschlagen. Wohin man heute blickt, wird aufmarschiert und durchgeladen. Chaoten vom Rang eines Kim Jong Un in Nordkorea und Donald Trump in den USA haben den Finger am Abzug. Realistisch betrachtet, hängt das Schicksal der Menschheit möglicherweise am seidenen Faden einer Befehlsverweigerung. Ich bete zu Gott, dass im Ernstfall verantwortliche Militärs verhindern, was Idioten befehlen.

Es sind aber nicht nur diese beiden Super-Talente, die - völlig politikunfähig - den Weltfrieden gefährden. Was wir gegenwärtig erleben, ist eine Art globaler Mobilmachung, und da machen fast alle anderen auch mit! Dabei weiß doch jedes Kind: Wo sich Nationen bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstehen, ist es nur eine Frage der Zeit bis zum großen Knall. Da genügt schon ein kleiner Funke, den irgend ein Irrer zündet, und schon fliegen uns die Fetzen um die Ohren. Wohin man schaut, werden die Rüstungshaushalte aufgedonnert und die Arsenale des Todes bis zum Bersten gefüllt.

(1)

Das ist es, was uns in diesem Jahr am Antikriegstag auf die Straßen treibt. Zwei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts der europäischen Staaten sollen möglichst ab sofort in die Rüstung fließen. So fordern es die Staats- und Regierungschefs der NATO. Das bedeutet, dass in diesem Jahr in Deutschland gut und gerne 37 Milliarden in des Wortes wahrstem Sinn "verpulvert" werden. Daraus wird in wenigen Jahren ein hübsches Sümmchen von 60 bis 70 Mrd. pro Jahr.

Man will einfach nicht hören, was seit Jahr und Tag bewiesen ist: "Rüstung tötet - auch ohne Krieg!" Wie oft müssen wir denn das noch wiederholen! Hochrüstung führt zu Not und Tod, zu Flucht und Vertreibung, zu Elend und unermesslichem Leid. In Afrika droht eine gigantische Hungersnot. Ein paar Milliarden der Rüstungsausgaben würden genügen, um ein Massensterben abzuwenden. Man fragt sich: Was um alles in der Welt geht in den Köpfen der Regierenden vor? Am liebsten würde ich jedem und jeder von ihnen ein hungerndes Kind in den Arm legen. Vielleicht, so glaube ich immer noch, würde das die Herzen erweichen. Vielleicht würden sie dann erkennen, dass sie Brot liefern müssen statt Waffen, Lebensmittel statt Raketen, Decken statt Bombenteppiche.

Und darum sagen wir heute in aller Entschiedenheit:

  • Es darf nicht sein und wir dulden nicht länger eine Politik, die mühsam erwirtschaftetes Einkommen in Rüstungshaushalte steckt. Das ist Politik, die tötet und trennt, statt heilt und verbindet. Wer dermaßen in Rüstung investiert, macht sich angesichts des Elends in der Welt der unterlassenen Hilfeleistung schuldig.
  • Es darf nicht sein und wir lassen das nicht länger zu, dass wir als eine der größten Waffenschmieden die ganze Welt mit Schießzeug beliefern und damit Kriege anheizen und Konflikte schüren. Es sind doch auch und gerade unsere Waffen, vor denen die Menschen zu Hunderttausenden davonlaufen, um dann hilfesuchend an unsere Türen zu klopfen. Wer Waffen exportiert, wird Flüchtlinge ernten. Daher muss Schluss sein mit dem Waffenhandel!

Darum stehen wir uns heute wieder einmal die Beine in den Bauch, lärmen und protestieren gegen Krieg und Gewalt und singen mit dem Mut der Verzweiflung unser Friedenslied.

(2)

Mit dieser Melodie auf den Lippen landet man in einer gewalttätigen Welt schnell in der Ecke der Spinner und Utopisten. Aber: Spinner und Utopisten sind in Wirklichkeit jene, die auf Gewalt setzen, und die, um Konflikte zu lösen, zum Vorschlaghammer greifen, zum untauglichsten Instrument, nämlich dem Krieg! Der ist der größte Versager aller Zeiten. Wo dieser Typ auftaucht, zieht er nur noch Tod und Verwüstung hinter sich her. Der Krieg ist ein Taugenichts und muss geächtet werden. Auch wenn er mal ein Unrechtssystem vom Schlage eines IS niederwalzt, ist noch lange kein Friede. Der entsteht erst auf dem Verhandlungsweg und baut auf Versöhnung und Kompromiss. Warum nicht gleich so? Wer in den Geschichtsbüchern blättert, wird das bestätigt finden. Millionenfach hätte man sich den Tod auf den Schlachtfeldern und in den Ruinen der Städte, die verbrannte Erde ersparen können, wäre man frühzeitig, beharrlich und ausdauernd aufeinander zugegangen.

Die Friedenskompetenz der Regierungen ist schauderhaft! Ich sage dies bei allem Respekt vor jenen Unterhändlern, die in aller Welt unterwegs sind und mit höchstem diplomatischem Geschick versuchen, die lodernden Feuerchen auszutreten. Was Trump jedoch nicht hindert, seinen eigenen Diplomaten in den Rücken zu fallen.

Manchmal meine ich:

  • Eine erfahrene Erzieherin, die in der Kita einen Stuhlkreis bildet, versteht mehr von Frieden als der UN-Sicherheitsrat.
  • Ein junger Streitschlichter in der Grundschule versteht mehr von De-eskalation und Interessenausgleich als der Nordatlanktik-Rat der NATO.
  • Die Mobbingberater und Konfliktlotsen in den Betrieben wissen, wie Abrüstung geht und lassen nicht nach, ehe sich die Streithähne die Hände reichen.
  • Der Kollege da drüben in der Döner-Bude sorgt für mehr Völkerverständigung als mancher teure Diplomat.
  • Und die ehrenamtliche Helferin, die syrischen Kindern Deutsch beibringt, verdient den Friedens-Nobelpreis!

Wie oft müssen wir uns denn noch wiederholen: Militärische Gewalt ist kein Mittel der Politik, sie produziert neue Gewalt. Wir sind auf Gedeih und Verderben auf Verständigung, Versöhnung und Frieden angewiesen.

Und daher sind wir zornig und empört, dass man die Erkenntnisse der Friedensforschung, ja selbst das Friedenskonzept der Vereinten Nationen seit Jahrzehnten ignoriert. Was tut die Forschung im Blick auf Konflikt-Prävention? Konzepte der gewaltfreien Aktion müssen weiterentwickelt werden. Vor allem aber: Warum bilden wir nicht mehr Friedensarbeiter aus, die wir an die Unruheherde schicken? Denn Friede beginnt an der Basis, wo Menschen einander respektieren. Statt Friedensaktivisten schicken wir Soldaten. Ganze 3, 4 Mrd. Euro werden zum Beispiel für die "Zivile Krisenprävention" ausgegeben. "Peanuts" im Vergleich zu den gigantischen Rüstungsausgaben. Im Klartext bedeutet das: Wir setzen immer noch auf Gewalt, statt endlich Friedenskonzepte einzuüben.

Dieses katastrophale Missverhältnis zwischen Rüstungs- und Friedensausgaben führt uns dieses erschreckende Bild deutlich vor Augen. Totes Kapital im prall gefüllten Kartoffelsack, Investitionen für den Frieden im Handtaschenformat. Das kommt nicht von ungefähr: Rüstung wirft gigantische Profite ab. Auf diesem Sack sitzen die "Pfeffersäcke" von heute, die Waffenlobby, die sich begeistert bedient. Friedenserziehung aber und Friedensdienste werfen keine Renditen ab.

(3)

Heute am Antikriegstag machen wir uns gegenseitig Mut. Friede ist kein Phantom, Friede ist möglich! Gebt dem Frieden Gestalt und Gesicht! Parolen allein tun es nicht, die perlen an den Rüstungen der Kriegstreiber ab. Bauen wir vielmehr Brücken der Friedfertigkeit, der Verständigung und Versöhnung. Das ist ein gewaltiges Rundum-Programm:

  • Fangen wir am besten bei uns selber an: Schaffen wir erst mal Frieden in unseren eigenen Herzen, in unseren Beziehungen. Weg mit dem alten Gerümpel aus Neid, Rechthaberei und dumpfem Eigennutz! Wer nur sein eigenes, kleines Ego pflegt, wird niemals ein Friedensstifter!
  • Nehmen wir uns derer an, die von sozialem Abstieg betroffen oder bedroht sind. Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden. Friedenspolitik ist vorrangig Sozialpolitik! Sie schafft Frieden im Innern. Wir wissen doch: Wer von Unrecht bedroht oder gar schon betroffen ist - oder wem dies eingeredet wird, gerät am meisten in Gefahr, den Schalmeienklängen der Rattenfänger von rechts nachzulaufen. Populismus ist der Nährboden für Faschismus. Der schürt Ängste und wiegelt auf.
  • Friedenspolitik bedeutet, die Ängste der vom sozialen Abstieg Bedrohten ernst zu nehmen, mit Sozialpolitik gegenzusteuern und gleichzeitig den Populisten die Stirn zu bieten.
  • Friedenspolitik ist an dritter Stelle Entwicklungspolitik. Die Welt leidet unter gigantischen Verteilungsproblemen. Ungerechte Verteilung ist der Sprengstoff, mit dem man Gewehre lädt und Raketen befüllt. Soziales Unrecht schaukelt sich auf und entlädt sich in Gewalt. Wir werden der weltweiten Flucht nur begegnen können, wenn wir weltweit die Fluchtursachen bekämpfen.
  • Und ein Letztes: Friedenspolitik ist Bildungspolitik. Denn Dummheit ist Kriegstreiber Nummer eins. Darum muss Friedenserziehung Hauptfach werden in unseren Schulen. Von kleinauf muss eingeübt werden, dass Konflikte gewaltfrei zu regeln sind. Bildung schafft Bewusstsein und erweitert die Horizonte. Sie lässt erkennen, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Wir dürfen doch den Dumpfbacken nicht das Schicksal der Menschheit überlassen. Die Welt ist komplexer als sie der Twitter-König wahrnimmt, der allmorgendlich seine zweifelhaften Botschaften hinauszwitschwert. Wer mitreden und mitbestimmen will, darf sich nicht nur volldröhnen mit seichter Unterhaltung. Man muss wissen: Volksverdummung ist möglicherweise Teil der Strategie. Sie macht uns zur Manövriermasse, mit der man nach Lust und Laune schalten kann.

Ich schließe mit einer Ermutigung aus dem Neuen Testament. Ich möchte sie uns in die Seele schreiben. Sie stammt aus dem Brief an die Hebräer (10,35 und 39):

"Werft eure Zuversicht nicht weg. Was ihr braucht ist Ausdauer, damit wir nicht zu denen gehören, die zurückweichen, sondern zu denen, die das Leben gewinnen"

Paul Schobel ist Betriebsseelsorger im Ruhestand und lebt in Böblingen.

Weblinks:

Veröffentlicht am

02. September 2017

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von