Paul Schobel: “Der Krieg ist ein Taugenichts und muss geächtet werden.”Redebeitrag von Paul Schobel für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2017 in EsslingenVon Paul Schobel Sehr geehrte Damen und Herren, Gespenstisch, was da heute vor 78 Jahren im Morgengrauen auf der "Westerplatte" begann, als NAZI-Deutschland sein Nachbarland Polen überfiel. Ich habe immer noch jenes Foto vor Augen, auf dem frech grinsende deutsche Soldaten den Schlagbaum öffnen - den Schlagbaum hinein ins Verderben. Denn dieser Tag signalisiert den Anfang unendlichen Schreckens, der 73 Millionen Menschen in diesem verdammten "Zweiten Weltkrieg" das Leben gekostet hat. Ihrer und der Toten dieser Stadt gedenken wir heute an dieser historischen Stätte. Seit nunmehr 60 Jahren halten die Gewerkschaften und die Friedensbewegung diese Erinnerung wach. Ich danke allen, die heute auf Straßen und Plätzen bekennen: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!" Wer da glaubt, das alles sei doch Schnee von gestern, ist mit Blindheit geschlagen. Wohin man heute blickt, wird aufmarschiert und durchgeladen. Chaoten vom Rang eines Kim Jong Un in Nordkorea und Donald Trump in den USA haben den Finger am Abzug. Realistisch betrachtet, hängt das Schicksal der Menschheit möglicherweise am seidenen Faden einer Befehlsverweigerung. Ich bete zu Gott, dass im Ernstfall verantwortliche Militärs verhindern, was Idioten befehlen. Es sind aber nicht nur diese beiden Super-Talente, die - völlig politikunfähig - den Weltfrieden gefährden. Was wir gegenwärtig erleben, ist eine Art globaler Mobilmachung, und da machen fast alle anderen auch mit! Dabei weiß doch jedes Kind: Wo sich Nationen bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstehen, ist es nur eine Frage der Zeit bis zum großen Knall. Da genügt schon ein kleiner Funke, den irgend ein Irrer zündet, und schon fliegen uns die Fetzen um die Ohren. Wohin man schaut, werden die Rüstungshaushalte aufgedonnert und die Arsenale des Todes bis zum Bersten gefüllt. (1)Das ist es, was uns in diesem Jahr am Antikriegstag auf die Straßen treibt. Zwei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts der europäischen Staaten sollen möglichst ab sofort in die Rüstung fließen. So fordern es die Staats- und Regierungschefs der NATO. Das bedeutet, dass in diesem Jahr in Deutschland gut und gerne 37 Milliarden in des Wortes wahrstem Sinn "verpulvert" werden. Daraus wird in wenigen Jahren ein hübsches Sümmchen von 60 bis 70 Mrd. pro Jahr. Man will einfach nicht hören, was seit Jahr und Tag bewiesen ist: "Rüstung tötet - auch ohne Krieg!" Wie oft müssen wir denn das noch wiederholen! Hochrüstung führt zu Not und Tod, zu Flucht und Vertreibung, zu Elend und unermesslichem Leid. In Afrika droht eine gigantische Hungersnot. Ein paar Milliarden der Rüstungsausgaben würden genügen, um ein Massensterben abzuwenden. Man fragt sich: Was um alles in der Welt geht in den Köpfen der Regierenden vor? Am liebsten würde ich jedem und jeder von ihnen ein hungerndes Kind in den Arm legen. Vielleicht, so glaube ich immer noch, würde das die Herzen erweichen. Vielleicht würden sie dann erkennen, dass sie Brot liefern müssen statt Waffen, Lebensmittel statt Raketen, Decken statt Bombenteppiche. Und darum sagen wir heute in aller Entschiedenheit:
Darum stehen wir uns heute wieder einmal die Beine in den Bauch, lärmen und protestieren gegen Krieg und Gewalt und singen mit dem Mut der Verzweiflung unser Friedenslied. (2)Mit dieser Melodie auf den Lippen landet man in einer gewalttätigen Welt schnell in der Ecke der Spinner und Utopisten. Aber: Spinner und Utopisten sind in Wirklichkeit jene, die auf Gewalt setzen, und die, um Konflikte zu lösen, zum Vorschlaghammer greifen, zum untauglichsten Instrument, nämlich dem Krieg! Der ist der größte Versager aller Zeiten. Wo dieser Typ auftaucht, zieht er nur noch Tod und Verwüstung hinter sich her. Der Krieg ist ein Taugenichts und muss geächtet werden. Auch wenn er mal ein Unrechtssystem vom Schlage eines IS niederwalzt, ist noch lange kein Friede. Der entsteht erst auf dem Verhandlungsweg und baut auf Versöhnung und Kompromiss. Warum nicht gleich so? Wer in den Geschichtsbüchern blättert, wird das bestätigt finden. Millionenfach hätte man sich den Tod auf den Schlachtfeldern und in den Ruinen der Städte, die verbrannte Erde ersparen können, wäre man frühzeitig, beharrlich und ausdauernd aufeinander zugegangen. Die Friedenskompetenz der Regierungen ist schauderhaft! Ich sage dies bei allem Respekt vor jenen Unterhändlern, die in aller Welt unterwegs sind und mit höchstem diplomatischem Geschick versuchen, die lodernden Feuerchen auszutreten. Was Trump jedoch nicht hindert, seinen eigenen Diplomaten in den Rücken zu fallen. Manchmal meine ich:
Wie oft müssen wir uns denn noch wiederholen: Militärische Gewalt ist kein Mittel der Politik, sie produziert neue Gewalt. Wir sind auf Gedeih und Verderben auf Verständigung, Versöhnung und Frieden angewiesen. Und daher sind wir zornig und empört, dass man die Erkenntnisse der Friedensforschung, ja selbst das Friedenskonzept der Vereinten Nationen seit Jahrzehnten ignoriert. Was tut die Forschung im Blick auf Konflikt-Prävention? Konzepte der gewaltfreien Aktion müssen weiterentwickelt werden. Vor allem aber: Warum bilden wir nicht mehr Friedensarbeiter aus, die wir an die Unruheherde schicken? Denn Friede beginnt an der Basis, wo Menschen einander respektieren. Statt Friedensaktivisten schicken wir Soldaten. Ganze 3, 4 Mrd. Euro werden zum Beispiel für die "Zivile Krisenprävention" ausgegeben. "Peanuts" im Vergleich zu den gigantischen Rüstungsausgaben. Im Klartext bedeutet das: Wir setzen immer noch auf Gewalt, statt endlich Friedenskonzepte einzuüben. Dieses katastrophale Missverhältnis zwischen Rüstungs- und Friedensausgaben führt uns dieses erschreckende Bild deutlich vor Augen. Totes Kapital im prall gefüllten Kartoffelsack, Investitionen für den Frieden im Handtaschenformat. Das kommt nicht von ungefähr: Rüstung wirft gigantische Profite ab. Auf diesem Sack sitzen die "Pfeffersäcke" von heute, die Waffenlobby, die sich begeistert bedient. Friedenserziehung aber und Friedensdienste werfen keine Renditen ab. (3)Heute am Antikriegstag machen wir uns gegenseitig Mut. Friede ist kein Phantom, Friede ist möglich! Gebt dem Frieden Gestalt und Gesicht! Parolen allein tun es nicht, die perlen an den Rüstungen der Kriegstreiber ab. Bauen wir vielmehr Brücken der Friedfertigkeit, der Verständigung und Versöhnung. Das ist ein gewaltiges Rundum-Programm:
Ich schließe mit einer Ermutigung aus dem Neuen Testament. Ich möchte sie uns in die Seele schreiben. Sie stammt aus dem Brief an die Hebräer (10,35 und 39): "Werft eure Zuversicht nicht weg. Was ihr braucht ist Ausdauer, damit wir nicht zu denen gehören, die zurückweichen, sondern zu denen, die das Leben gewinnen" Paul Schobel ist Betriebsseelsorger im Ruhestand und lebt in Böblingen. Weblinks:
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