Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer*innen übergeben offenen Brief zu den Koalitionsverhandlungen
42 ehrenamtliche Initiativen, 59 Einzelpersonen und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg sind die Erstunterzeichner des offenen Briefes "Wir Ehrenamtliche fordern: Kein Rollback in der Flüchtlingspolitik!", der am 17.10.2017 an die baden-württembergischen Verhandlungsteilnehmer*innen der Sondierungsgespräche für eine mögliche "Jamaika-Koalition" versendet wurde.
In ihrem offenen Brief stellen sie 13 konkrete Forderungen, wie die Wiedereinsetzung des Familiennachzugs, ein Ende der derzeitigen Abschiebepolitik, bessere Integrationsmaßnahmen, aber auch eine andere EU-Außenpolitik und eine wirkliche Bekämpfung der Fluchtursachen.
"Wir fordern eine Asylpolitik, die nicht gegen Menschen, sondern für sie da ist, eine Asylpolitik, die wir Hunderttausende von Engagierten mitbestimmen, die sich orientiert an Menschlichkeit, am Hin- und nicht Wegschauen, an den Werten, die uns alle verbinden in einem demokratischen Land", so die Unterzeichner*innen (vollständiger Text des offenen Briefs siehe Anhang)
Quelle:
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.
- Pressemitteilung vom 18.10.2017.
Anhang:
Offener Brief
An: Volker Kauder, Winfried Kretschmann, Cem Özdemir, Thomas Strobl und alle weiteren Teilnehmer*innen der Koalitionsverhandlungen
Wir Ehrenamtliche fordern: Kein Rollback in der Flüchtlingspolitik!
Wir fordern eine Asylpolitik, die nicht gegen Menschen, sondern für sie da ist, eine Asylpolitik, die wir Hunderttausende von Engagierten mitbestimmen, die sich orientiert an Menschlichkeit, am Hin- und nicht Wegschauen, an den Werten, die uns alle verbinden in einem demokratischen Land.
Konkret fordern wir:
- Einen Stopp der derzeitigen Abschiebepolitik
Deutschland muss zu seinen Werten stehen. Wir fordern einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan und anderen Ländern, in denen Diskriminierung, Terror und Gewalt herrschen.
- Faire und gerechte Asylverfahren
Die Qualität der Asylverfahren wird leider immer schlechter, was sich unter anderem an der hohen Zahl der Klagen zeigt. Wir fordern ein faires und gerechtes Asylverfahren von höchster Qualität. Dafür benötigen Anhörer*innen Zeit und die entsprechende Qualifikation. Auch widerspricht die Einführung sogenannter "sicherer Herkunftsstaaten" der Idee eines individuellen Asylverfahrens.
- Familiennachzug zu ermöglichen
Es ist beschämend, dass der Familiennachzug aus politischen Kalkül ausgesetzt wurde. Die Aussetzung des Familiennachzugs erschwert die Integration massiv. Wir fordern eine sofortige Wiedereinführung des Rechts auf Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte.
- Eine Neuregelung des Bleiberechts und Arbeits- und Bildungsduldung
Die Hürden der Bleiberechtsregelung sind unrealistisch hoch. Wir fordern eine Neufassung, sowie die Möglichkeit neben der Ausbildungsduldung auch eine sichere Duldung für Menschen in Arbeit, Schule und Studium zu ermöglichen.
- Ein Ende der Arbeitsverbote
Es ist absurd, lieber Geld zu zahlen als Menschen arbeiten zu lassen. Wir fordern einen allgemeinen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt unabhängig vom Status der Person.
- Sprach- und Integrationskurse für alle
Integration kann nur gelingen, wenn Geflüchtete die Möglichkeit bekommen, Deutsch zu lernen. Wir fordern daher die Öffnung der Sprach- und Integrationskurse für alle Geflüchteten unabhängig von Status und Herkunftsland.
- Ein Ende der Lagerunterbringung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums
Erschreckend stellen wir einen politischen Rollback zu mehr Lagerunterbringung fest. Integration kann nur gelingen, wenn neue und alte Bürger*innen wirklich zusammen leben. Daher fordern wir eine Rücknahme der Gesetze zur Lagerunterbringung, einen Plan für dezentrale Unterbringungspolitik und ein Förderprogramm für bezahlbaren Wohnraum.
- Unabhängige Sozialarbeiter*innen für die Beratung
Ehrenamtliche übernehmen viele Aufgaben, die eigentlich von Hauptamtlichen übernommen werden sollten. Investieren Sie Geld in unabhängige und unbefristete Sozialarbeiter*innenstellen.
- Europäische Solidarität
Viele deutsche Politiker*innen haben anderen EU-Ländern berechtigterweise vorgeworfen, sich der europäischen Solidarität zu entziehen. Aber dies muss auch für Deutschland gelten. Es ist ungerecht, wenn die Länder an den EU-Außengrenzen alleine für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zuständig sein sollen. Fordern sie europäische Solidarität nicht nur von anderen Ländern, sondern auch von sich selber. Beenden Sie das unsolidarische Dublinsystem.
- Eine europäische Außenpolitik, die sich an europäischen Grundsätzen orientiert
Die Europäische Union ist auch eine Wertegemeinschaft. Eine Wertegemeinschaft kann nur dann bestehen, wenn sie die eigenen Werte auch berücksichtigt. Jedes Jahr sterben tausende Menschen im Mittelmeer und selbst das Auswärtige Amt spricht von "KZ-ähnlichen Zuständen" in Libyen. Die Europäische Union muss aufhören beim Thema Flüchtlingsabwehr mit Diktatoren (wie in Eritrea, Somalia oder Südsudan) oder Warlords (wie in Libyen) zusammen zu arbeiten. Wer mit Regimen zusammenarbeitet, die konstant gegen Menschenrechte verstoßen, bekämpft keine Fluchtursachen, sondern schafft diese.
- Aufnahmeprogramme
Weltweit sind ca. 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Wir können als Europa nicht so tun, als würde es uns nichts angehen. Bauen Sie die bestehenden Aufnahmeprogramme aus, mit denen Menschen auf legalem Weg nach Deutschland kommen können.
- Fluchtursachen wirklich zu bekämpfen
Seit Jahren reden alle von der Bekämpfung von Fluchtursachen. Trotzdem werden ärmeren Staaten weiterhin ungerechte Handelsverträge aufgezwungen. Trotzdem verhandeln wir weiterhin wirtschaftliche Abkommen mit Diktatoren und trotzdem exportieren wir weiterhin Waffen an Staaten wie Saudi-Arabien oder Türkei. Beginnen Sie eine Politik, die wirklich Fluchtursachen bekämpft.
- Politisch gehört zu werden
Unsere Ideen sind weder unmöglich noch naiv. Gerne informieren wir Sie über die angesprochenen Punkte. Gerne diskutieren wir mit ihnen und präsentieren Ihnen Lösungsvorschläge. Anerkennung drückt sich nicht primär durch Lob aus, sondern dadurch den anderen als Gesprächspartner*in auf Augenhöhe wahrzunehmen.
Warum ist das wichtig?
Wir haben Menschen willkommen geheißen, als andere nur immer und immer wieder darüber geredet haben, wie schwer doch Integration sei.
Wir haben Deutschunterricht gegeben, als andere sich darüber
beschwert haben, Flüchtlinge würden kein Deutsch lernen.
Wir haben Briefe übersetzt, als andere gegen Flüchtlinge gehetzt haben.
Wir haben mit Flüchtlingen gesprochen, als viele nur über Flüchtlinge gesprochen haben.
Wir haben deutsche Behörden unterstützt, als diese überfordert waren.
Wir haben versucht, Menschen das komplizierte deutsche Asylverfahren zu erklären, während andere die Rechte der Geflüchtete über Asylgesetze immer stärker eingeschränkt haben
Wir haben angepackt, anstatt zuzusehen.
Wir haben viel Lob bekommen, aber unsere Arbeit wird durch politische Entscheidungen immer schwerer gemacht.
Wir haben gezeigt, dass ein offenes und gutes Miteinander funktionieren kann, müssen aber sehen, wie alle Parteien der AFD hinterherrennen.
Wir fordern Sie auf, nicht zu vergessen, wie viele Menschen sich für Flüchtlinge engagieren. Denken Sie nicht, dass uns nicht auffällt, wenn Sie das eine reden und das andere tun.
Wir fordern eine Rückkehr zu menschenrechtlicher Flüchtlingspolitik, zu einem Deutschland, das Integration fördert und zu politischen Entscheidungen, die sich nicht ideologisch an den lautesten populistischen Forderungen, sondern an den Fakten orientieren.
Wir fordern eine Asylpolitik, die nicht gegen Menschen, sondern für sie da ist, eine Asylpolitik, die wir Hunderttausende von Engagierten mitbestimmen, die sich orientiert an Menschlichkeit, am Hin- und nicht Wegschauen, an den Werten, die uns alle verbinden in einem demokratischen Land.
Erstunterzeichnier*innen:
GRUPPEN:
- AK Asyl Backnang
- AK Asyl Baden-Baden
- AK Asyl Calw
- AK Asyl Kirchheim unter Teck
- AK Asyl Leinfelden-Echterdingen e.V.
- AK Asyl Ravensburg/Weingarten
- Arbeitskreis Asyl Schwäbisch-Gmünd
- AK Asyl Stuttgart
- AK Asyl Weil der Stadt - Marianne Maier
- Arbeitskreis Pro Asyl Villingen e.V.
- AK Integration Auenwald
- AK Integration Frickenhausen
- AK Asyl Südstadt Tübingen
- Asyl - AK Stiftskirche Tübingen
- Asylarbeitskreis Heidelberg e.V.
- Cafe Mondial Konstanz e.V.
- FK Asyl Schwäbisch Hall
- Fluchtpunkte e.V. Tübingen
- Freundeskreis Asyl Abtsgmünd
- Freundeskreis Asyl Dogern
- Freundeskreis Asyl Ellwangen
- Freundeskreis für Flüchtlinge in Fellbach
- Freundeskreis Asyl Gerlingen
- Freundeskreis Asyl Hattenhofen
- Freundeskreis Asyl Kirchberg
- Freundeskreis Asyl Kirchberg-Jagst
- Freundeskreis Asyl Schwieberdingen
- Freundeskreis der Gemeinschaftsunterkunft "Westliche Industriestraße" in Baden-Baden
- Freundeskreis Flüchtlinge Lahr
- Freundeskreis Flüchtlinge Oberesslingen
- Freundeskreis für Geflüchtete Leutenbach - Winnenden
- Freundeskreis Mühlacker
- Flüchtlinge und wir e.V. Herrenberg
- GLOBAL Bad Waldsee e.V.
- Helferkreis Breitnau
- Helferkreis Daisendorf
- Helferkreis für Flüchtlinge Kirchzarten
- Jugenhilfe Creglingen
- Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.
- Maulburg hilft
- Runder Tisch Flüchtlingsarbeit Aichtal
- Sprecherrat der Flüchtlingshilfen im Kreis Tübingen
EINZELPERSONEN:
- Joachim Schlecht, Asylpfarrer evangelische Landeskirche in Württemberg
- Ines Fischer; Asylpfarramt Reutlingen
- Ursula Hertlein, Michael Kannenberg - Heilbronn
- Barbara Straub - AK Asyl Oberreichenbach
- Edda Sauerwald (Freundeskreis Asyl Esslingen)
- Monika Pöllinger
- August Walz - Neuenburg am Rhein
- Sonja Neubrand - vom Freundeskreis Asyl Ostildern
- Gertrud Mund - von Runder Tisch Asyl Karlsbad
- Peter Aichelin - Schwäbisch Hall
- Monika Metzger-Bielek
- Wolf-Dieter Dorn - Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach
- Kathleen Williams
- Ingrid Bohsung
- Ricarda Gregori - vom Freundeskreis Asyl Gerlingen
- Hannah Schnur
- Wolfgang Strasser
- Heidi Oßwald-Kraus
- Martina Knappert-Hiese
- Monika Demers-Hoefele
- Peter Schlichting - Freundeskreis Asyl Schwieberdingen
- Evelin Schuster
- Klaus Harder - Bad Rappenau
- Martha Fuß - Demarez
- Robert Breitenbucher (Baden-Baden)
- Ulrike Duchrow
- Ursula Schirpenbach (Baden-Baden)
- Christa und Joachim Weiß (Baden-Baden)
- Marianne Felsche - Helferkreis Daisendorf
- Josef Rettig (Baden-Baden)
- Rafika Aydogan
- Birte Gräper
- Anneliese Grenke (Baden-Baden)
- Frederik Kraus
- Amrei Schmidt
- Erwin Bornemann (Neuenburg)
- Inge Kaiser (Crailsheim)
- Uta Rosseck (Baden-Baden)
- Cornelia Hartmann (Baden-Baden)
- Hélène Siegwarth - AK Asyl Metzingen
- Ingrid Weissmann
- Stephanie Weissmann
- Anita Arndt
- Ute Davies - AK Asyl Baden-Baden
- Markus Uhlenbrock - Ehnes
- Niels Clasen (Stuttgart)
- Helena Dadakou
- Ursula Hub
- Susanne Kenntner
- Heinrich Deininger und Familie
- Margarethe Gaissmaier
- Renate Huober
- Hiddi und Dr. Jochen Blumentrath
- Karin Böhme
- Gudrun Löffler
- Pater Reinhold Baumann
- Erich Weisemann (Arbeitskreis Asyl Waldbronn)
- Reinhold Endreß (AK Asyl Weingarten)
- Bruder Manfred Bellinger