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Umweltverbände warnen vor klimapolitischem Totalausfall der Jamaika-Sondierer

Neue Bundesregierung muss Glaubwürdigkeit national und international wieder herstellen

Eine große Koalition aus Umweltverbänden warnt Bundeskanzlerin Merkel und die Sondierungsparteien davor, den klimapolitischen Handlungsbedarf bei den derzeitigen Verhandlungen auszusitzen. Wenn sich am heutigen Mittwoch Staatspräsidenten, Regierungschefs und Minister auf der Weltklimakonferenz in Bonn treffen, wird Angela Merkel mit leeren Händen dastehen, da Deutschland im Klimaschutz seit Jahren auf der Stelle tritt und bei den Berliner Sondierungsgesprächen nicht einmal Minimalkompromisse für eine zukunftsfähige Klimapolitik absehbar sind - während gleichzeitig die CO2-Emissionen in Deutschland und weltweit wieder steigen.

Die Verbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH) Germanwatch, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Greenpeace, Verkehrsclub Deutschland (VCD), WWF Deutschland und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) fordern von der Bundeskanzlerin ein klares Bekenntnis für den Umbau von Schlüsselsektoren wie Verkehr, Energie und Landwirtschaft. Dazu gehören ein sozialverträglicher Ausstieg aus der besonders klimaschädlichen Kohle mit einer Abschaltung von mindestens 20 Gigawatt Kraftwerksleistung bis 2020, eine Agrar- und Verkehrswende hin zu klima- und naturverträglicheren Formen der Landwirtschaft und Mobilität sowie ein Ende umweltschädlicher Subventionen.

"Die Bundeskanzlerin hat den Bürgern und der Welt versprochen, die deutschen Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020 zu senken. Wenn Jamaika-Koalitionäre die menschengemachte Klimazerstörung weiter anheizen, statt sie zu bremsen, machen sie Deutschland unglaubwürdig. Die Klimaphysik lässt nicht mit sich verhandeln!", sagt DNR-Präsident Kai Niebert.

"Deutschland muss noch 94-125 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen, um das Klimaziel 2020 einzuhalten - wie von Angela Merkel versprochen. Das geht nicht mit Rechentricks, sondern nur mit dem Kohleausstieg. Um die Klimaschutzlücke im Jahr 2020 zu schließen, müssen nach unseren Berechnungen Kohlekraftwerksemissionen im Umfang von rund 100 Mio. t. reduziert werden", sagt Michael Schäfer, Leiter des Fachbereichs Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland.

Sweelin Heuss, die Geschäftsführerin von Greenpeace sagt: "Deutschland ruiniert seine Klimabilanz, damit, dass ein erheblicher Teil unserer Kohlekraftwerke Strom ins Ausland liefert. Das ist absurd. Wir können bis 2020 etwa doppelt so viele Kohlekapazitäten abschalten, wie es die Grünen bislang vorschlagen und weiter eine der sichersten Stromversorgungen Europas haben."

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: "Deutschland hat klimapolitisch einen hervorragenden Ruf in der Welt. Es fügt diesem Ansehen in der Welt erheblichen Schaden zu, Fakten zu ignorieren oder zu relativieren, wie es Teile der Jamaika-Parteien gerade tun. Niemand hat Verständnis für Tiger, die sich schon vor dem Sprung zu Bettvorlegern machen. Wer jetzt nicht eine klare Strategie für Kohle und Verkehr vorlegt, hat Paris nicht verstanden."

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer, fordert dazu: "Der Ausstieg aus der Kohle muss durch einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien begleitet werden. Durch den vorgezogenen Bau schon geplanter Anlagen, kann die Klimaschutzlücke bis 2020 teilweise geschlossen und ein weiterer Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet werden. Die planwirtschaftliche Obergrenze, die den Ausbau von Wind und Sonne im Erneuerbaren Energien Gesetz begrenzt, muss umgehend abgeschafft werden."

Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender BUND-Vorsitzender sagt: "Bis jetzt waren die Jamaika-Sondierungen klimapolitisch absurdes Theater. Anstatt endlich die Klima-Versprechen der Kanzlerin anzugehen, versucht sich ihre Partei in "alternativen Fakten" zum Stand des Klimaschutzes in Deutschland. Das ist in hohem Maße unseriös. Jamaika wäre auf Sand gebaut, wenn es mit einem klimapolitischen Wortbruch beginnt. Die Verhandler von Union und FDP hinken der gesellschaftlichen Diskussion um Jahre hinterher und entwickeln sich zur Innovationsblockade. Längst will die Bevölkerung mit großer Mehrheit einen baldigen Kohleausstieg und den Ausbau der Erneuerbaren Energien, um die Klimaziele zu erreichen."

"Wenn die neue Bundesregierung ihre Ziele für Klimaschutz und Artenvielfalt ernst nimmt, muss sie sich für Änderungen in der Förderung der Landwirtschaft auf EU-Ebene einsetzen. Statt pauschalen Flächenprämien, die unterm Strich zu immer intensiverer Landwirtschaft führen, braucht es gezielte Investitionen in eine klima- und umweltfreundliche Produktion. Darüber hinaus fordern wir die Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro jährlich. Durch ihn könnten Landwirte attraktive zusätzliche Einkommen für Leistungen erhalten, die sie für die Allgemeinheit erbringen", sagt NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Wasilis von Rauch, Bundesvorsitzender des ökologischen Verkehrsclubs VCD: "Der Verkehr ist der einzige Sektor in Deutschland, der bislang nichts zum Erreichen der Klimaziele beigetragen hat. Bundeskanzlerin Merkel muss endlich Verantwortung beim Klimaschutz im Verkehr übernehmen. Die künftige Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für eine CO2-Minderung bei Neuwagen um mindestens 60 Prozent bis 2030 einsetzen und sofort in die Verkehrswende einsteigen."

Die Umweltverbände treten als Interessenvertretung von über zehn Millionen Mitgliedern auf und sind eine bedeutende zivilgesellschaftliche Stimme in Deutschland.

Quelle: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH) Germanwatch, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Greenpeace, Verkehrsclub Deutschland (VCD), WWF Deutschland und dem Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) -
Gemeinsame Pressemitteilung vom 15.11.2017.
 

Veröffentlicht am

16. November 2017

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