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Hang zum Affront

Plötzlich fremdelt Außenminister Sigmar Gabriel mit der Politik Saudi-Arabiens im Nahen Osten und nennt dessen Vorgehen "Abenteurertum"

Von Sabine Kebir

Noch nie hat ein deutscher Außenminister Saudi-Arabien so entschieden kritisiert wie Sigmar Gabriel während des Blitzbesuchs seines Amtskollegen aus Beirut. Er sei wie sein Gast beunruhigt über die - angeblich wegen eines Mordplans der Hisbollah - plötzliche Reise Saad al-Hariris nach Riad, ebenso über die befremdliche Art und Weise, in der Libanons Premier dort seinen Rücktritt erklärt habe. Obwohl Gabriel Saudi-Arabien nicht explizit genannt hat, stand außer Frage, auf wen die Bemerkung über "Abenteurertum" gemünzt war, das sich im Nahen Osten "breitgemacht" habe. Dies galt zweifelsfrei dem Vernichtungskrieg, den das saudische Königshaus gegen den Jemen führt, wie dem Versuch, einem Emirat wie Katar durch erpresserische Sanktionen Vasallentreue abzuringen.

Europa könne nicht sprachlos zusehen, so Gabriel, sollte nun auch der Libanon destabilisiert werden. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die Zedern-Republik - sie war zwischen 1975 und 1990 einem nicht enden wollenden Bürgerkrieg ausgesetzt - als Schauplatz eines Stellvertreterkrieges zwischen Saudi-Arabien und Iran missbraucht wird, bei dem es um regionale Vorherrschaft geht. Wenn Riad nach Gabriels Einlassung sogleich den deutschen Botschafter einbestellt und den eigenen aus Berlin abzieht, zeugt das von tiefer Verstimmung. Auch wurde der Deutschland-Besuch eines hohen saudischen Staatsbeamten abgesagt, mit dem über humanitäre Hilfe für den Jemen verhandelt werden sollte. Ohnehin ein fragwürdiges Unterfangen, solange saudische Marine-Einheiten eine Blockade gegen das Nachbarland verhängt haben und Hilfsorganisationen der Weg zu den notleidenden Menschen versperrt ist. Saad al-Hariri hat prompt versucht, Gabriels Eindrücke zu entkräften - obwohl in Berlin gar nicht explizit behauptet wurde, man habe ihn gewaltsam in Saudi-Arabien festgehalten, bezichtigte er den deutschen Außenminister der "Lüge".

Mehr Konsequenz vonnöten

Libanons Präsident Michel Aoun, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie die iranische Regierung haben bislang besonnen auf die von al-Hariri augenscheinlich mitgetragene saudische Offensive reagiert. Dass die an Schlagkraft verliert, geht auch auf das Ansinnen Frankreichs zurück, als einstige Mandatsmacht im Libanon bei einem für die Außenwelt undurchsichtigen inneren Konflikt zu vermitteln. Dabei dürfte es vor allem darum gegangen sein, wie al-Hariri gesichtswahrend in sein Land zurückkehren konnte, was inzwischen geschehen ist. Seine nicht verfassungskonforme Rücktrittserklärung als Ministerpräsident war bisher sowieso nicht angenommen worden.

Den ungewöhnlichen Hang zum diplomatischen Affront gegenüber einem strategischen Verbündeten am Golf kann sich wohl nur ein deutscher Außenminister auf Abruf leisten. Ungeachtet dessen wäre es zu begrüßen, würde sich damit eine außenpolitische Kurskorrektur für die SPD ankündigen, die - noch - versichert, in der Opposition bleiben zu wollen. Es wäre jedenfalls von Vorteil, im Nahen und Mittleren Osten weniger Voreingenommenheit walten zu lassen, sich dadurch von den USA zu emanzipieren und zu versuchen, mit Frankreich zumindest einige Konfliktherde einzuhegen. Saudi-Arabiens verhängnisvolles Treiben hat es verdient, nicht länger ignoriert, sondern klar benannt zu werden. Wer sich dazu durchringt, muss freilich auf Waffenlieferungen verzichten. Und das gänzlich. Alles andere wäre der reine Hohn.

Quelle: der FREITAG vom 24.11.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

24. November 2017

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