Franziskus und Soziale Bewegungen"Manchmal denke ich, dass ihr tut, was Jesus tat" (Papst Franziskus). Wie die Sozialen Bewegungen eine Kirche der Armen zum Kampf um neue gesellschaftliche Verhältnisse anstiften könntenVon Benedikt Kern Bereits drei Mal hat sich Papst Franziskus mit linken Sozialen Bewegungen aus aller Welt getroffen und sie darin bestärkt, für eine progressive Veränderung "von unten" zu kämpfen. Doch was ergibt sich daraus theologisch für die Kirche und ihre Praxis? Die seit 2014 jährlich stattfindenden Welttreffen des Papstes mit einigen Sozialen Bewegungen und die daraus entstandenen Kontinentaltreffen in Argentinien und den USA stellen in Bezug auf die Zusammenarbeit von katholischer Kirche und linken Basisbewegungen einen Meilenstein in der jüngeren Kirchengeschichte dar. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem Kirchenreformprojekt dieses Papstes, der vor allem in seinem Schreiben Evangelii Gaudium (EG) deutlich gemacht hat, dass die katholische Kirche eine Kirche der Armen werden muss. Dass "Kirche der Armen" nicht allein bedeutet, dass es eine verstärkte karitative Ausrichtung der kirchlichen Praxis geben soll, sondern dass es hierbei um eine solidarische und parteiliche Positionsbestimmung geht, die die gesellschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich zu verändern versucht, unterstreicht Franziskus durch sein spezifisches Verständnis von Veränderung und seine deutliche Götzenkritik am Kapitalismus in den Ansprachen der Treffen. Soziale Bewegungen und das Reich GottesFranziskus bezeichnet die Bewegungen mit ihrer solidarischen Graswurzel-Praxis als organisierte "Protagonisten an den großen Wandlungsprozessen" (Ansprache Welttreffen 2015), da sie sich "im Zentrum des menschlichen Unwetters" (ebd.) befänden. Diese Praxis wird von Franziskus als Beispiel befreienden Handelns beschrieben: "Manchmal denke ich, dass ihr tut, was Jesus tat" (Ansprache Welttreffen 2016). Als Konsequenz leitet er daraus ab, dass die Kirche diesen sozialen Kämpfen nicht fernstehen kann und darf (vgl. Ansprache Welttreffen 2015). Daran lassen sich zwei theologisch zentrale Anknüpfungspunkte ausmachen: Zum einen, dass die parteiliche Praxis der Bewegungen als Aufbauarbeit des Reiches Gottes verstanden werden muss. Hierbei geht es nicht um eine theologische Vereinnahmung säkularer AkteurInnen, sondern dies stellt für die Kirche einen Verständnisrahmen der Bewegungspraxis dar. Dieser wiederum kann zum zweiten dazu führen, dass die Kirche selbstkritisch ihre Evangelisierung an den realen Verhältnissen entsprechend der prophetischen Tradition neu ausrichtet. Die Welttreffen als Bewährungsprobe einer Kirche der ArmenDie Kirche der Armen ist für Franziskus eine evangelisierende Kirche, d.h. dass sie sich selbst und die Gesellschaft im Sinne des Evangeliums umgestaltet wider die vorherrschende destruktive Kraft des kirchlichen Narzissmus (von dem Kardinal Bergoglio im Konklave bereits gesprochen hatte). Wenn die Kirche ihre Selbstbezüglichkeit überwinden soll, dann benötigt sie eine mit den Sozialen Bewegungen geteilte Hoffnung, als Quelle der Kraft für die sozialen Auseinandersetzungen (vgl. Ansprache Welttreffen 2014). So kann eine Kirche der Armen ihre Sendung realisieren, "Werkzeug Gottes für die Befreiung und die Förderung der Armen zu sein" (EG 187). Die Welttreffen können somit als Bewährungsprobe einer Kirche der Armen, die sich um progressive gesellschaftliche Veränderung müht, verstanden werden: Franziskus verdeutlichte in seiner Ansprache auf dem Welttreffen von 2015, dass die Kirche den Bewegungen nicht fern bleiben dürfe - erst recht nicht, wenn sie eine Kirche des Aufbruchs werden sollte, die "Gefahr läuft, sich mit dem Schlamm der Straße zu beschmutzen" (EG 45). Es ist eine bleibende Herausforderung für die Allianz von Kirche und Sozialen Bewegungen, Orte der Begegnung, der gemeinsamen Artikulation und der Umsetzung verändernder solidarischer Praxis zu schaffen. Dies stellt kirchlicherseits Fragen an eine Pastoral und ihre Handlungskonzepte für eine Kirche der Armen unter den jeweiligen kontextuellen Bedingungen. Es lässt sich festhalten, dass die Praxis beider Seiten durch eine intensivierte Allianz gestärkt würde - und dies ist in den gegenwärtigen globalen Verhältnissen angesichts von Krieg, wirtschaftlicher Ausbeutung und den unterschiedlichen Unterdrückungsformen nötig. Dies werden wir als ITP weiterhin theologisch reflektieren und versuchen daraus Handlungsoptionen in der Zusammenarbeit mit Sozialen Bewegungen zu entwerfen. Benedikt Kern (*1988 in Köln), kath. Theologe, ist Mitarbeiter am Institut für Theologie und Politik mit den Arbeitsschwerpunkten Flucht/Migration, Kirchenasyl und soziale Bewegungen. Zusammen mit Peter Fendel und Michael Ramminger herausgegeben: "Tun wir nicht als sei alles in Ordnung" (EG 211). Ein politisch-theologischer Kommentar zu Evangelii Gaudium, ITP-Kompass, Münster 2014. Quelle: Institut für Theologie und Politik (ITP) , 29.11.2017. Veröffentlicht in: Institut für Theologie und Politik: Rundbrief Nr. 47, Münster 2017. 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