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Sicherheitskonferenz in München: Von Ohrfeigen und Atomwaffen

Der verbale Schlagabtausch zwischen Regionalmächten, den USA, Russland und der EU bestimmt die Debatten. Die Türkei steht im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Von Andreas Zumach

Der zweite Tag der Münchener Sicherheitskonferenz war weitgehend bestimmt von konfrontativer Rhetorik, Versuchen zur Rechtfertigung laufender Kriege, von Völkerrechtsverstößen und Aufrüstungsbemühungen sowie Androhungen von künftigen Militärschlägen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow wies die am Freitag bekannt gewordenen Anklagen der US-Justiz gegen 13 Russen wegen illegaler Beeinflussung des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2016 als "Geschwätz" zurück, für das bislang keine Faktenbasis existiere. In seiner Rede machte Lawrow die NATO, die USA und die EU verantwortlich für die angespannten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen und forderte einen "respektvollen Umgang" mit seinem Land.

In den 1990er-Jahren sei "Russland wie ein Schüler behandelt" worden, heute werde von einer "Bedrohung durch Russland" gesprochen, klagte Lawrow. Dies habe zu einer "Lähmung" geführt. Es werde "Propaganda" betrieben, der "wachsende Einfluss Russlands" werde "in negativem Kontext behandelt".

Der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Trump, Generalleutnant Herbert Raymond McMaster, rechtfertigte Washingtons neue Nuklearstrategie mit der geplanten Entwicklung kleinerer Atomwaffen als "Vorsichtsmaßnahme gegen die Aufrüstung Russlands".

Seltsame historische Vergleiche

McMaster erklärte, Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft würden "die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen nicht senken, sondern erhöhen". Mit der neuen Nuklearstrategie reagiere die Trump-Administration darauf, dass Russland gegen den INF-Vertrag von 1987 zur Vernichtung aller Mittelstreckenraketen der damaligen Sowjetunion und der USA verstoße und selbst neue Waffen entwickle. "Wir werden nicht zulassen, dass Russland oder irgendein anderes Land die Bevölkerung Europas als Geisel nimmt", betonte McMaster. Moskau wirft seinerseits den USA vor, durch neue atomare Waffenentwicklungen den INF-Vertrag zu verletzten.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte unter Verweis auf "die russischen Aggressionen 2008 gegen Georgien und 2014 gegen die Ukraine" deutlich verstärkte Aufrüstungsanstrengungen der Mitgliedsstaaten von NATO und EU. "Die Appeasementpolitik der 30er Jahre und die Entspannungspolitik der 70er Jahre haben nicht funktioniert", erklärte Moraviecki und stellte damit das Münchner Abkommen von 1938 über die Annexion des tschechoslowakischen Sudetenlandes an Nazideutschland auf eine Stufe mit der wesentlich von der westdeutschen Regierung Brandt betriebenen Ost- und Entspannungspolitik.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim wies jegliche Kritik am Krieg seines Landes gegen die syrischen Kurden zurück und warf seinerseits den USA und anderen NATO-Staaten die Unterstützung von Terroristen in Syrien vor. Unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UNO erklärte Yildirim, das militärische Vorgehen seines Landes "gegen die syrisch-kurdischen Terrororganisationen YPG und PYD" sei "genauso legitim wie der Kampf der USA, Russlands und über 60 weiterer Länder gegen die Terroristen des Islamischen Staates in Syrien und im Irak".

Türkei überkreuz mit der Nato

Die bisherige Unterstützung der USA für die YPG als Bündnispartner im Kampf gegen den IS kritisierte der türkische Ministerpräsident scharf: "Wir schützen die Nato-Grenzen, nämlich die Südgrenze der Türkei. Doch andere NATO-Staaten arbeiten mit einer terroristischen Organisation zusammen, die für uns eine Bedrohung an unserer Grenze darstellt."

Auf die Frage nach der Drohung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, US-Soldaten in diesem Konflikt eine "osmanische Ohrfeige" zu verpassen, sagte Yildirim: "Es ist egal, ob es in Syrien oder im Irak ist: Wenn es dort terroristische Aktionen gibt gegen unser Land, dann ist doch klar, dass wir hier die stärkste mögliche Ohrfeige geben würden." Wenn sich ein anderes Land kriegerisch gegen die Türkei wende, werde "natürlich" zurückgeschlagen.

Präsident Trumps Sicherheitsberater drohte zumindest indirekt damit, dass die USA - wie schon einmal im April 2017 - mit militärischen Schlägen auf einen etwaigen C-Waffeneinsatz durch die syrischen Regierungsstreitkräfte reagieren würden. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vor kurzem sogar ausdrücklich mit "Vergeltungsschlägen" gedroht. Auf die Frage, wie militärische Schläge ohne ein vorheriges Mandat des UNO-Sicherheitsrates mit dem Völkerrecht zu vereinbaren seien, wollte Ministerpräsident Edouard Philippe auf der Sicherheitskonferenz am Samstag keine Antwort geben.

Philipe, die britische Premierministerin Theresa May sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderten in ihren Reden, die Anstrengungen der EU im militärischen Bereich erheblich zu verstärken durch deutlich erhöhte Ausgaben, den Ausbau gemeinsamer Strukturen sowie eine Vereinheitlichung der Rüstungs- und Beschaffungspolitik der 28 Mitgliedsländer.

Konflikt um Iran-Abkommen

Beim Thema Iran wurden transatlantische Differenzen deutlich. Der geschäftsführende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel warnte die USA vor einer Gefährdung des Atomabkommens mit dem Iran. "Wir raten unseren amerikanischen Freunden, dieses Abkommen nicht scheitern zu lassen", erklärte Gabriel "Wir haben dieses Abkommen in Partnerschaft verhandelt, und wir wollen und werden es nicht aufgeben."

US-Präsident Trumps Sicherheitsberater McMaster kritisierte "schwerwiegende Mängel" des Abkommens. Mitte Januar hatte Trump die drei europäischen Vertragsstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien ultimativ aufgefordert, bis spätestens zum 15. Mai gemeinsam mit den USA Zusatzbestimmungen zu dem Abkommen zu vereinbaren - mit erheblich verschärften Auflagen für den Iran.

Sicherheitsberater McMaster warf dem Iran und seinen Revolutionären Garden zudem vor, durch "Unterstützung terroristischer Aktivitäten" in arabischen Staaten diese Länder zu destabilisieren. McMaster forderte namentlich Deutschland, Japan und Südkorea auf, "sämtliche Wirtschaftsgeschäfte mit dem Iran einzustellen, von denen die Revolutionären Garden profitieren".

Mit Blick auf Nordkorea forderte McMaster von China - jedoch ohne das Land namentlich zu nennen - deutlich verschärfte Sanktionsmaßnahmen. "Alle wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen müssen abgebrochen und sogenannte Gastarbeiter ausgewiesen werden", betonte Trumps Sicherheitsberater.

Aus dem Rahmen fiel am Ende dieses Konferenztages der Auftritt von Beatrice Fihn, Direktorin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die 2017 den Friedensnobelpreis erhalten hatte. Vor einem allerdings nur noch halbgefüllten Konferenzsaal kritisierte Fihn, dass die Befürworter von atomaren Waffen und Abschreckung "niemals über die katastrophalen humanitären Folgen eines Einsatzes von Atomwaffen sprechen". Fihn zeigte sich überzeugt, dass "die Abschreckung nicht ewig funktionieren wird, und Atomwaffen eines Tages eingesetzt werden, wenn sie nicht weltweit abgeschafft werden". Die Gefahr eines Einsatzes sei bereits in den letzten Jahren "deutlich gewachsen". Und mit der jetzt von der Trump-Administration geplanten Entwicklung "kleiner" Atomwaffen, werde diese Gefahr größer werden.

Quelle: taz - 17.02.2018. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

17. Februar 2018

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