Not und Verzweiflung: Den Jemen nicht vergessenDas Bombardieren von Zivilbevölkerungen, Spitälern und Schulen ist ein Verbrechen. Ob in Ost-Ghuta, Aleppo, Mosul oder in Jemen.Von Urs P. Gasche Radikal-islamistische Gruppierungen in Ost-Ghuta schossen und schießen - zwar nur vereinzelt, aber dies seit mehreren Jahren - ziellos Raketen auf die benachbarte syrische Hauptstadt Damaskus. Selbst noch nach dem "Waffenstillstand", den der Sicherheitsrat vor wenigen Tagen erlassen hat. Für diese militärischen Nadelstiche rächt sich Syrien mit einem unverhältnismäßigen Angriffskrieg gegen Ost-Ghuta. Er erinnert an Israels Krieg im Jahr 2014 gegen die Hamas im Gazastreifen (2’000’000 Einwohner), bei dem mindestens 1500 Zivilisten ums Leben kamen. Begründet hatte Israel diesen Krieg ebenfalls mit wiederholten Raketeneinschlägen in Israel und der Pflicht, seine Einwohner zu schützen. In Ost-Ghuta, das seit 2011 von fundamentalistischen Islamisten besetzt ist, leben zwischen 350’000 und 400’000 Menschen. Frauen, Kinder und männliche Zivilisten sind den Bombardierungen auf grausamste Art ausgesetzt. Am einen Tag berichten Medien von 80 getöteten Zivilisten, am andern Tag von 21. Dies seit Tagen. Bilder verletzter Kinder und Frauen, die von regimegegnerischen "Weißhelmen" stammen, verbreiten sich in fast allen Medien. Von den punktuellen Raketeneinschlägen in Damaskus waren und sind kaum Bilder zu sehen - anders als jeweils von den Raketeneinschlägen in Israel. Weitgehend HilflosDer Sicherheitsrat konnte sich wegen eines drohenden Vetos Russlands nur auf einen beschränkten Waffenstillstand einigen, der Angriffe auf Terroristengruppen weiterhin erlaubt. Schon deshalb denken einige dieser Gruppen in Ost-Ghuta nicht daran, dem Sicherheitsrat zu folgen. Und Assad lässt das Stadtgebiet weiter bombardieren. Die Milizen verteilen sich unter der Bevölkerung, so dass viele zivile Opfer ruchlos in Kauf genommen werden. Diesem Massaker müssen die westlichen Regierungen und mit ihnen die Bevölkerungen im Westen weitgehend hilflos zusehen. Vielleicht hätten die USA längst dafür sorgen können, dass die Saudis und andere den islamistischen Terrorgruppen für ihre Besetzung Ost-Ghutas keine Waffen und Logistik mehr liefern. Aber so lange diese nahe der Hauptstadt das Assad-Regime bedrängen, war es nicht in ihrem Sinn. "Hungerkatastrophe biblischen Ausmaßes"Anders in Jemen mit 27 Millionen Einwohnern. Das Land wird seit Monaten von einer Koalition unter Saudiarabien mit logistischer Hilfe der USA in weiten Teilen bombardiert. Die Not und das Elend sind dort noch größer und verbreiteter als in Ost-Ghuta, wenn man solche Vergleiche überhaupt machen will:
Jan Egeland, Leiter der Norwegischen Flüchtlingshilfe sprach schon im letzten Oktober von einer "Hungerkatastrophe biblischen Ausmaßes". Man kann sich fragen, ob unsere Politiker und unsere großen Medien nicht ziemlich untätig einem Massenmord in Jemen zuschauen. Ein wichtiger Grund für diese Katastrophe ist neben den Bombardierungen die Seeblockade der saudischen Koalition, die viel zu wenig Wasser, Nahrungsmittel und Medizinprodukte ins Land lässt. Zur Koalition gehören neben Saudiarabien die Vereinigten Arabischen Emirate VAE, Katar, Kuweit, Bahrein Jordanien, Ägypten und Marokko. Die meisten stellen Kampfflugzeuge zur Verfügung. Die USA unterstützen die Koalition logistisch, mit Geheimdienstinformationen und mit Waffen. Abhilfe möglichDer Westen könnte diese Katastrophe lindern und beenden.
Doch würden Politiker und unsere großen Medien dies fordern, hätten sie schnell unsere Rüstungsindustrie in Nacken sowie kaltblütige Machtpolitiker, die sich über die Bombardierungen Ost-Ghutas weniger wegen des menschlichen Leids empören als deshalb, weil sie in Syrien eine westlich orientierte Regierung installieren oder mindesten Assad die Kontrolle über weite Gebiete Syriens entreißen möchten. In Jemen geht es vielen Machtpolitikern darum, den Einfluss des Verbündeten Saudiarabien auszudehnen und denjenigen von Iran einzudämmen. Das schreckliche Schicksal von 13 bis 16 Millionen Jemeniten kümmert sie wenig. Es gibt für Jemen keine "Beobachtungsstelle für Menschenrechte" mit Sitz in Großbritannien und keine "Weißhelme" im Land, welche Bilder und Informationen über die leidende und flüchtende Zivilbevölkerung verbreiten. Medien werden nie so stark manipuliert und missbraucht wie bei militärischen Kriegen und Konflikten. Das gehört auf allen Seiten zur Kriegsführung. Wer Medien liest, hört und sieht, sollte deshalb ganz besonders darauf achten, ob die Quellen von Informationen und Bildern stets klar erwähnt werden, ob auch über die Aussagen der jeweiligen Gegenseite informiert wird, ob die Wortwahl korrekt ist, und ob nicht einfach ein Schwarz-Weiß-Schema bedient, sondern differenziert informiert wird. Eine echte Herausforderung!
Quelle: Infosperber.ch - 27.02.2018. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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