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Nargis Mosavi: “Ich bin stets bedroht und habe Angst”

Bedroht, attackiert, im Visier der Taliban: Die afghanische TV-Journalistin riskiert viel, wenn sie sich für Frauenrechte einsetzt.

Von Beat Allenbach

Journalisten in Afghanistan leben gefährlich. "Reporter, die über Religionsgesetze oder Korruption berichten wollen, sind der Gewalt von Taliban und Warlords ausgesetzt. Vor allem Journalistinnen werden eingeschüchtert und attackiert", schreibt die Organisation Reporter ohne Grenzen auf ihrer Homepage. Doch wie erleben Medienschaffende den Berufsalltag in einem Land, in dem Gewalt und Unterdrückung - besonders gegen Frauen - noch immer an der Tagesordnung sind?

An einer Veranstaltung in Bellinzona saß eine junge afghanische Fernseh-Journalistin auf dem Podium und sprach über ihre Arbeit und ihren Alltag. Nargis Mosavi war noch keine 18 Jahre alt, als sie beim TV-Sender ToloNews zu arbeiten begann. Sie findet es anstößig, dass in Afghanistan die Frauen rechtlos sind, und sie setzt sich schon seit vielen Jahren für die Gleichstellung der Frau ein. Anfänglich hatte sie sogar die eigene Familie gegen sich, inzwischen wird sie von ihr unterstützt. Der Blitzbesuch in der Schweiz kam dank Reporter ohne Grenzen und Amnesty International zustande, der öffentliche Anlass wurde vom Verein der Tessiner Journalisten organisiert.

"Die Medien sind eine Erfolgsgeschichte"

Die junge Frau, die in ihrer Muttersprache Dari sprach, wirkte bestimmt und sicher. Während der fünf Jahre Taliban-Herrschaft bis im Jahr 2001 gab es in Afghanistan keine Rede- und Pressefreiheit, doch seither habe sich die Situation verbessert, es gebe Dutzende Radiosender und zahlreiche TV-Stationen. "Die Medien sind eine Erfolgsgeschichte", sagt Mosavi im anregenden Gespräch, das von der Journalistin Chiara Sulmoni geleitet und von einem Dolmetscher simultan übersetzt wurde. Viele Menschen hätten genug von Krieg und Gewalt, sie möchten ein normales Leben führen, und es kämen jede Woche Menschen zum TV-Sender, die über ihre Erfahrungen berichten möchten.

Am Bildschirm trägt sie selbstverständlich ein Kopftuch, doch "als junge Frau erhalte ich oft Drohungen, mein Leben ist in Gefahr, ich habe Angst, und verlasse das Haus einzig, um zur Arbeit zu gehen oder für wichtige Besorgungen", erzählt sie.

Achtsamkeit und Vorsicht sind überlebenswichtig: Im vergangenen Jahr gab es in Afghanistan gemäß inoffiziellen Angaben 141 Attacken auf Journalistinnen und Journalisten, 14 wurden dabei getötet. Vor ein paar Jahren war auch der populäre Fernsehsender ToloNews, bei dem Mosavi beschäftigt ist, Ziel einer Attacke, wobei mehrere Journalisten das Leben verloren. Es baucht also Mut und eine starkes Bewusstsein für die Bedeutung der Arbeit, um diesen Beruf täglich auszuüben.

Als die Journalistin für ihren Sender über Gefechte zwischen der Armee und Talibankämpfern berichten sollte, wurde sie an Ort und Stelle gefragt, ob denn für diese Aufgabe kein Mann hätte beauftragt werden können. Schwierig sei es für alle Journalisten in Afghanistan, gesicherte Informationen zu erhalten. Auch von Regierungskreisen gebe es kaum präzise Auskünfte, und oft gelinge es ihr nicht, die gewünschten Angaben zu erhalten. Nur wenige Frauen seien als Journalistinnen tätig, doch gebe es in Afghanistan auch einen TV-Sender, in dem allein Frauen am Bildschirm arbeiteten.

Unwissend und der Tradition verhaftet

Viele jungen Menschen ohne Arbeit und ohne Zukunft würden mit den Taliban zusammenarbeiten, so erhielten sie Geld auch für ihre Familien. Die Mehrheit könnten weder lesen noch schreiben, besuchte lediglich eine Koranschule, wo ein extremer Islam vermittelt werde. Diese jungen Männer seien dann auch bereit, blutige Attentate auszuführen. Sie wüssten nicht, dass nach den Geboten des Islams Menschen nicht getötet werden dürfen. Die jungen Leute seien mehrheitlich den Traditionen verhaftet und hielten an der Vorherrschaft der Männer fest. "Es wäre wichtig, dass die jungen Leute allmählich ausgebildet werden und selber denken lernen", betont die Journalistin.

Es gebe unter den jungen Menschen aber ganz allgemein in der Bevölkerung einen wachsenden Wunsch nach einer freieren Gesellschaft und ein Missbehagen gegenüber dem verbreiteten Gewaltmissbrauch. Ein positives Zeichen erwähnt Nargis Mosavi: Als eine junge Frau festgenommen wurde, weil sie gegen die Gebote der Taliban verstoßen hatte, protestierten viele Menschen gegen die drohende Hinrichtung. Hartnäckig verlangten sie deren Befreiung; schließlich wurde die Frau von den Taliban freigelassen.

"Wenn ich alt sein werde…"

Trotz einiger positiven Signale glaubt Nargis Mosavi nicht an einen baldigen Frieden und die Anerkennung der Rechte der Frauen in Afghanistan: "Doch wenn ich alt sein werde, werden die Frauen als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft anerkannt sein, das ist meine Hoffnung."

Quelle: Infosperber.ch - 17.04.2018.

Veröffentlicht am

19. April 2018

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