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Zum Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die Lage in Afghanistan

PRO ASYL fordert Neubewertung aller in den letzten beiden Jahren abgelehnten afghanischen Asylanträge

PRO ASYL begrüßt, die im Lagebericht des Auswärtigen Amtes (AA) vom 31. Mai vorgenommene Neubewertung des sogenannten internen Schutzes als Annäherung an die Realität. In den letzten beiden Jahren ist die Ablehnung afghanischer Asylsuchender rapide gestiegen - in der Regel begründet mit dem Hinweis, Verfolgte hätten an einem anderen Ort in Afghanistan Schutz finden können (Ausweichmöglichkeit). Im Jahr 2017 wurden die Anträge von 56.316 Afghaninnen und Afghanen abgelehnt, vom 01.01. bis 30.04.2018 waren es 3768. Die Ablehnungsquote stieg von 22,3 Prozent im Jahre 2015 auf 39,4 Prozent im Jahre 2016 und auf 52,6 Prozent im Jahre 2017.

"Trotz vom Bundesamt festgestellter Verfolgung wurden Schutzsuchende zu Tausenden zu Unrecht abgelehnt, denn die Ausweichmöglichkeit ist und war eine Fata Morgana, dem Willen zu ‚konsequenter Abschiebung’ geschuldet. Das Auswärtige Amt hat dem Populismus nun die Legitimation entzogen" so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. PRO ASYL fordert die Folgen der rechtswidrigen Ablehnungen zum Gegenstand der Beratungen der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern zu machen. Die IMK findet vom 04. bis 06.Juni statt. Gerichte werden überlastet, weil das BAMF basierend auf einer falschen Lagebeurteilung Zehntausende zu Unrecht abgelehnt hat. 71.342 aus 2017 stammende Gerichtsverfahren zu Afghanistan sind anhängig (Bundestagdrucksache 19 /1371). UNHCR, PRO ASYL und andere Menschenrechtsorganisationen haben seit Erscheinen des im Oktober 2016 veröffentlichten und bis jetzt gültigen Lageberichts fundierte Kritik geübt. Schon damals war er veraltet und entsprach nicht der Realität in Afghanistan.

PRO ASYL fordert aufgrund des nun bekannt gewordenen Lageberichts vom 31.05.2018 eine Neubewertung aller in den letzten Jahren abgelehnten Anträge von Asylsuchenden aus Afghanistan. Die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern muss sich mit dieser Thematik befassen. Bislang steht Afghanistan aber nicht auf der Tagesordnung.

PRO ASYL fordert zudem einen Abschiebestopp nach Afghanistan. "Wir müssen davon ausgehen, dass sowohl die ablehnenden Asylbescheide als auch die Abschiebungsentscheidungen aufgrund dieser Neubewertung der Lage haltlos sind" so Burkhardt. Bislang wurde pauschal behauptet, junge afghanische Männer könnten zurückkehren und in Großstädten am Rande des Existenzminimums leben. Obwohl verfolgt, wurden sie im Asylverfahren abgelehnt, die Abschiebung angedroht. Das AA spricht nun davon, dass die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größerer Städte, durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan bereits stark in Anspruch genommen sei. Ausweichmöglichkeiten hingen vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage ab.

Für eine Vielzahl der nach Deutschland geflohenen Afghanen gibt es deshalb nun auch regierungsamtlich festgestellt keine Ausweichmöglichkeit - weder in Kabul, dem Zielort der Abschiebungen, noch mangels sicherer Reisewege in der Herkunftsregion oder anderswo in Afghanistan. Die sogenannten inländischen Ausweichmöglichkeiten gibt es für die Betroffenen in der Realität schlichtweg nicht und sie wären auch nicht erreichbar, so PRO ASYL. Inlandsflüge existieren zwar, sind aber für Abgeschobenen nicht bezahlbar, die Überlandstraßen von den Taliban kontrolliert - was nun auch das AA eindeutig feststellt. Soweit im Lagebericht auf die freiwillige Rückkehr aus dem Iran und Pakistan hingewiesen wird, handelt es sich um Rückkehr im Familienverband an angestammte Orte, wo ein Leben gesichert erscheint. Für nach Europa Geflohene heißt dies klipp und klar: sie sind in einer komplett anderen Lebenssituation.

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - Pressemitteilung vom 02.06.2018.

Veröffentlicht am

04. Juni 2018

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